Basel III und CRD IV – Praxisorientierte Lösung gesucht

"Banken müssen künftig höhere Anforderungen an ihr Eigenkapital sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht erfüllen. Das als Reaktion auf die globale Finanzmarktkrise vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht Ende 2010 vorgelegte Regelwerk „Basel III“ enthält eine Vielzahl von Reformmaßnahmen zur Stärkung des Bankensektors. Der von der EU-Kommission am 20.7.2011 veröffentlichte Vorschlag für ein „Capital Requirements Directive IV Package“ (CRD IV) soll die neuen Regeln in europäisches Recht überführen und voraussichtlich am 1.1.2013 in Kraft treten. Doch nicht alle Unklarheiten sind beseitigt, wie Manfred Heemann, Partner bei Mayer Brown, erläutert."

In der Vergangenheit haben Banken ihr regulatorisches Eigenkapital u. a. durch die Ausgabe von Hybridkapital aufgebracht. Solche hybriden Kapitalinstrumente weisen sowohl Elemente von Eigenkapital (z. B. die Fähigkeit, Verluste aufzufangen) als auch von Fremdkapital (z. B. befristete Überlassung) auf. Vorteilhaft ist Hybridkapital für die Bank vor allem, wenn darauf gezahlte Ausschüttungen oder Zinsen steuerlich abzugsfähig sind und die Instrumente flexibel und zeitgerecht entsprechend der jeweiligen Marktlage emittiert werden können.

Grundlegende Überarbeitung

Die Eigenkapitalklassen, die bisher aus Kernkapital, Ergänzungskapital und Drittrangmitteln bestehen, werden durch die CRD-Verordnung grundlegend mit dem Ziel überarbeitet, die Qualität des Eigenkapitals zu verbessern und die Fähigkeit der Banken zu steigern, Verluste auch bei Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu verkraften. Künftig soll das Kernkapital nur noch aus Bestandteilen bestehen, mit denen Verluste im laufenden Geschäftsbetrieb (going concern) abgefangen werden können. Das Ergänzungskapital dient dagegen der Verlustabsorption für den Fall der Insolvenz des Instituts (gone concern).

Das Kernkapital wird dabei in zwei Untergruppen eingeteilt. Zum „harten“ Kernkapital (Common Equity Tier 1 capital) zählen hauptsächlich solche Instrumente, die den Stammaktien von Aktiengesellschaften entsprechen. Im Einzelnen müssen sie einen 11 Punkte umfassenden Kriterienkatalog erfüllen. Als zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1 capital, „AT1-Instrumente“) werden aufsichtsrechtlich Kapitalinstrumente akzeptiert, die zwar keine Aktien oder aktiengleichen Instrumente sind, aber einen 16 Punkte umfassenden Anforderungskatalog erfüllen. Damit soll erreicht werden, dass auch die Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals die Verlustabsorption sowie die Begrenzung von Ausschüttungen und der Rückzahlbarkeit in vollem Umfang aufweisen. Bedeutsam sind die neuen Anforderungen für AT1-Instrumente für die Banken auch deshalb, weil die Verordnung vorgesehene Übergangsregelungen nur teilweise berücksichtigt.

Kernpunkt zukünftiger AT1-Kapitalinstrumente wird aus Sicht der Investoren u. a. die Frage sein, wann und wie sie abgeschrieben werden müssen. So muss nach der CRD-IV-Verordnung ein AT1-Instrument bei Eintritt eines Trigger-Events abgeschrieben oder in hartes Kernkapital umgewandelt werden. Als Trigger Event sieht die Verordnung in Übereinstimmung mit dem Baseler Ausschuss vor, dass die Kernkapitalquote der Bank auf 5,125% herabsinkt.

Einzelheiten noch ungeklärt

Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob das Instrument bei Eintritt des Trigger-Events ganz abgeschrieben werden muss oder ob auch eine nur teilweise Abschreibung zulässig ist. Des Weiteren ist offen, ob es zulässig ist, das AT1-Intrument nach einer Abschreibung anschließend heraufzuschreiben, wenn die Kernkapitalquote den Wert von 5,125% wieder überschreitet. Einzelheiten hierzu sind zwar von der European Banking Authority in London zu entwickeln. Wünschenswert wäre aber schon eine entsprechende Klarstellung in der Verordnung selbst. Die Grenze für mögliche Formen von Heraufschreibungen wäre darin zu sehen, dass sie gemäß den Anforderungen der CRD-IV-Verordnung für zusätzliches Kernkapital eine Rekapitalisierung des Instituts nicht behindern dürfen. Nach dem gegenwärtigen Stand von Basel III und CRD IV wären in der Praxis somit Ausgestaltungen des Ab- und Heraufschreibens von AT1-Instrumenten möglich, aus denen zukünftigen (Kern-) Kapitalgebern keine wesentlichen Nachteile erwachsen, die für eine Investitionsentscheidung maßgeblich wären.

Neben der zeitlich flexiblen Begebung von AT1-Instrumenten ist die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen eine wichtige Voraussetzung für die Eigenkapitalbeschaffung von Banken durch die Emission von hybriden Kernkapitalinstrumenten. Zukünftige AT1-Instrumente müssen sich deshalb auch daran messen lassen, ob sie die Voraussetzungen für die steuerliche Abzugsfähigkeit erfüllen, insbesondere, dass sie nicht am Liquidationserlös teilnehmen und keine gewinnabhängigen Auszahlungen vorsehen. Hier ist bedeutsam, dass nach den neuen CRD-IV-Kriterien Ausschüttungen an die Einhaltung von Kapitalkennziffern wie etwa dem Kapitalerhaltungspuffer gekoppelt sind. Ausschüttungen auf solche Instrumente sind somit abhängig von der Einhaltung von Kapitalkennziffern und dürften daher das Merkmal der Gewinnunabhängigkeit erfüllen.

Es wäre wünschenswert, wenn von Seiten der EU-Gesetzgebung und der Aufsichts- bzw. Steuerbehörden die ausstehenden Zweifelsfragen über die Ausgestaltung von AT1-Kapitalinstrumenten im Sinne einer praxisorientierten Lösung geklärt werden. Das würde die Beschaffung von Eigenkapital durch die Banken erheblich erleichtern.

Manfred Heemann ist Mitherausgeber des kürzlich im Frankfurter School Verlag erschienenen Buches „Bankenaufsicht nach der Finanzmarktkrise“.

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