Zinswende als Einstiegschance – Der Markt sortiert sich neu

‚‚Wir fahren aktuell mit angezogener Handbremse“ – Qualität vor Quantität

Nachdem die Corona-Pandemie einen der längsten Immobilienzyklen der Geschichte im Jahr 2020 beendete, schien der Markt Ende des vergangenen Jahres bereits wieder durchzustarten. Doch dann begann im Februar dieses Jahres der Krieg in der Ukraine und läutete eine Zeitenwende ein. Lesen Sie, was das für Immobilienmärkte und -fonds bedeutet.

Krieg in der Ukraine, eine Inflation so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte des Euros und zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wieder deutlich steigende Zinsen. Welche Auswirkungen hat das auf die Immobilienmärkte?

Wenn die Zinsen steigen, müssen Investoren, die Fremdkapital einsetzen, ihre Renditeberechnungen neu kalibrieren. Die Folgen sind eine spürbare Zurückhaltung und ein dementsprechend sinkendes Transaktionsvolumen. Viele Verkäufer verlangen noch die Preise von gestern für die Produkte von morgen, weshalb die Verhandlungen aktuell länger dauern. Noch sind die Märkte in der Preisfindungsphase.

 

Sind Immobilien unter diesen veränderten Rahmenbedingungen überhaupt noch gefragt? Schließlich machen Anleihen im Zuge der steigenden Zinsen wieder an Boden gut.

Ja, auch wenn die Transaktionsdynamik aktuell nachlässt, bleiben Immobilien weiterhin gefragt. Sicherlich müssen einzelne Investoren als Reaktion auf den Einbruch der Aktien- und Rentenmärkte eine Reallokation ihres Kapitals vornehmen. Und in der Tat sind die Renditen beispielsweise von zehnjährigen Staatsanleihen oder Unternehmensbonds mittlerweile wieder so attraktiv, dass sie in Konkurrenz zu Immobilieninvestments stehen.

Beide Faktoren sind aber eher kurzfristiger Natur. Immobilien haben sich in der Vergangenheit, in der Corona-Krise und im Rahmen der jüngsten Verwerfungen an den Kapitalmärkten, immer wieder als Stabilitätsanker im Portfolio unserer Anleger erwiesen. Zudem sind viele Investoren vor dem Hintergrund der hohen Inflation auch bereit, bei Immobilien eine geringere Risikoprämie zu akzeptieren.

 

Wie gut schützen Immobilien vor Inflation?

Immobilien sind Sachwerte und fast immer sind die Mieten mittels indexierter Verträge an die Inflation gekoppelt. Über 90% unserer gewerblichen Mietverträge sind indexiert. Eine hohe Inflationsrate kann durch etwas zeitversetzt ansteigende Mieteinnahmen oftmals kompensiert werden. Zudem kann die Indexierung gegebenenfalls auch eine Aufwertung der Bestandsimmobilien bei der nächsten routinemäßigen Bewertung von externen Sachverständigen auslösen.

 

Was bedeutet das mit Blick auf die Offenen Immobilienfonds?

Grundsätzlich gilt: Der Einfluss der Inflation und steigender Zinsen auf den Immobilienmarkt ist vielschichtig, hat aber tendenziell eine eher positive Wirkung auf Offene Immobilienfonds und deren Wertentwicklung. Hinzu kommt, dass sich die Zinswende auf Privatkundenfonds weniger stark auswirkt als auf das institutionelle Geschäft. Denn die Publikumsfonds sind überwiegend Eigenkapitalfonds, die auch im aktuellen Umfeld eine auskömmliche Rendite erzielen. Außerdem haben wir unsere Fondsportfolios in den vergangenen Jahren gut aufgestellt, indem wir den Anteil von Asset-Klassen wie Logistik und europäisches Wohnen ex DACH ausgebaut haben.

 

Investieren Sie derzeit überhaupt noch?

Wir fahren aktuell mit angezogener Handbremse. Wir kaufen nicht um jeden Preis, dennoch gibt es nach wie vor attraktive Opportunitäten. Es gilt Qualität vor Quantität. Die aktuelle Gemengelage führt allerdings dazu, dass sich die Gewichte auf der Investorenseite verschieben. Einerseits ist das Neuprodukt rarer gesät als in der Vergangenheit, weil viele geplante Vorhaben im aktuellen Umfeld nicht realisiert werden. Andererseits sind auf Käuferseite nun weniger Player unterwegs als noch vor wenigen Monaten. Das aktuelle Umfeld auf den Investmentmärkten bietet darum für eigenkapitalstarke, langfristig orientierte Investoren wie Union Investment deutliche Vorteile beim Immobilienerwerb.

 

Wie sieht es aktuell bei Projektentwicklungen aus? Kaufen Sie diese noch und wenn ja, welche Bedingungen müssen erfüllt sein?

Ja, Projektentwicklungen sind noch interessant für uns,  allerdings nur unter drei Bedingungen: Der Entwickler muss sehr bonitätsstark sein und Gewähr dafür bieten, dass er das Projekt in der geplanten Zeit und im vereinbarten Kostenrahmen fertigstellen kann. Der Preis muss stimmen. Und es müssen Sicherheiten vorliegen. Wir akzeptieren keine Preisgleitklauseln und Verträge werden nicht nachverhandelt.

 

Aufgrund der steigenden Zinsen und sinkender Nachfrage dürften die Immobilienpreise fallen. Wie stark wird es nach unten gehen?

Trotz der gestiegenen Zinsen ist bisher noch kein genereller Preisrutsch zu beobachten. Attraktive Flächen in gut angebundener Lage, die zugleich nachhaltig sowie modern und flexibel gestaltbar sind, bleiben weiterhin sehr gefragt bei den Nutzern. Ihre Preise sind bisher noch relativ stabil geblieben. Dennoch rechne ich mit einer Preiskorrektur, insbesondere in Nebenlagen und bei älteren Objekten. Darüber, wie stark die Preise sinken werden und wie lange es dauert, bis die Märkte wieder funktionieren, lassen sich aktuell nur Vermutungen anstellen. Es bleibt abzuwarten, wie sich Inflation und Zinsniveau in den kommenden Quartalen entwickeln.

 

Was bedeutet das für die Immobilienrenditen?

Die Ankaufsrenditen auf den Immobilienmärkten geraten im Zuge der höheren Finanzierungskosten grundsätzlich unter moderaten Aufwärtsdruck. Teilweise sind sie auch schon leicht gestiegen. Für Bestandportfolios indes sind die Renditen trotz Zinswende sowie steigender Inflationsraten, Bau- und Energiekosten aufgrund der Indexierung der Mietverträge aktuell noch stabil.

 

Wann normalisieren sich die Märkte wieder?

Grundsätzlich müssen wir die Inflation erst einmal aussitzen. Es spricht derzeit vieles dafür, dass die Fremdfinanzierungskosten in der Europäischen Union erst einmal noch weiter steigen und dann in eine Seitwärtsbewegung einschwenken werden. Wenn die Inflation aufhört zu steigen, werden sich Immobilienpreise herausbilden, die uns auch wieder einen Spread im Vergleich zu alternativen Anlagen liefern. Das war historisch gesehen bisher immer so. Und dann steigt auch das Transaktionsvolumen wieder.

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