Expertenrat ist kein Freibrief für Manager
Erst jüngst hat der Bundesgerichtshof (BGH) wieder in einem Urteil vor Augen geführt, wie eng Unternehmensführung und Haftung beisammen liegen können. Er hat aber auch aufgezeigt, wie Haftungsrisiken vermieden werden können. So sollten Unternehmen bei besonders komplexen Fragestellungen auch externen Rechtsrat einholen. Dass das jedoch kein Freibrief ist, erläutern Christoph Louven und Sabine Ernst von Hogan Lovells.
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Zu den elementaren Aufgaben von Organmitgliedern in Aktiengesellschaften gehört es, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen, um größtmögliches Potenzial aus den sich ergebenden Möglichkeiten zu schlagen. Zum Schutz der Gesellschaft selbst, deren Mitarbeiter und deren Gläubiger ist die Risikoabwägung nicht alleine der Einschätzung der verantwortlichen Personen unterworfen. Aus rechtlicher Sicht ist oftmals entscheidend, auf welcher Grundlage eine Risikoabwägung vorgenommen und eine Entscheidung gefällt wird. Für Organmitglieder hat die Auswahl einer angemessenen Entscheidungsgrundlage deshalb schlussendlich Bedeutung zur Vermeidung von persönlichen Haftungsrisiken.
Wie mit Risiken umgehen?
Ein naheliegendes Betätigungsfeld, auf dem Risiken im Rahmen von Entscheidungsprozessen evaluiert und einbezogen werden müssen, sind unternehmerische Entscheidungen. Hier mag es im Einzelfall schwierig sein, Anknüpfungspunkte für einen sorgfaltsgerechten Umgang mit Risiken zu finden. Dies berücksichtigen Gesetz und Rechtsprechung, indem Organmitgliedern bei unternehmerischen Entscheidungen nach der so genannten „Business Judgement Rule“ ein Ermessensspielraum zur Abwägung von Chancen und Risiken eingeräumt wird. Entscheidungen innerhalb dieses Ermessensspielraums sind der gerichtlichen Kontrolle auf sorgfaltswidriges Verhalten grundsätzlich entzogen. Um jedoch in den Anwendungsbereich dieses Privilegs zu kommen, sind einige Voraussetzungen zu beachten. Zentrales Gebot ist das Beschaffen einer angemessenen Informationsgrundlage. Abhängig von der Bedeutung und der Tragweite der zu treffenden Entscheidung, kann das Merkmal der Angemessenheit je nach Lage des Einzelfalls anders zu beurteilen sein. Verallgemeinernd lässt sich die Regel aufstellen: Je einschneidender sich die zu treffende Entscheidung für das Unternehmen auswirken kann, desto umfangreicher, ausführlicher und detaillierter müssen auch die der Entscheidungsfindung zugrundeliegenden Informationen aufbereitet sein.
Rechtliche Risiken können u. a. bei Fragen zur rechtlichen Zulässigkeit von Abläufen und Maßnahmen innerhalb des Unternehmens auftreten, die die Struktur des Unternehmens, seine Finanzverfassung, die Einbeziehung von Unternehmensgremien in Entscheidungsprozesse oder ähnliches betreffen. Rechtliche Fragen können aber auch im Verhältnis zwischen einem Unternehmen und Dritten oder im Rahmen der Einleitung, Durchführung und Beendigung von (Rechts-)Streitigkeiten auftauchen. Ob bei unternehmerischen oder rechtlichen Entscheidungen: Organmitglieder machen sich nach § 93 Absatz 2 AktG nicht schadensersatzpflichtig, wenn sie alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen und auf Grund ausreichender Informationsgrundlage eine Entscheidung treffen. Insbesondere dann, wenn die Schaffung dieser Informationsbasis die Kenntnisse und Fähigkeiten eines ordentlichen Organmitglieds übersteigt, ist bei besonderer Komplexität und Bedeutung der Rechtsfrage sowie deren Tragweite die Einholung von externem Rechtsrat erforderlich. Dies ist jedoch nicht als eine Art Freibrief zu verstehen.
Externe Berater
So muss stets ein unabhängiger Experte mit entsprechender Sachkunde ausgewählt werden, der umfassend und zutreffend über den zu beurteilenden Sachverhalt informiert werden muss. Beim Umgang mit dem externen Rat kommt man nicht umhin, den eingeholten Rechtsrat kritisch zu würdigen und einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen, also insbesondere zu prüfen, ob die Beurteilung an vollständige und zutreffende Tatsachen anknüpft und ob die beabsichtigte Entscheidung oder Maßnahme von der Auskunft gedeckt ist. Bei besonders komplexen Maßnahmen – so vor kurzem der BGH – ist eine besonders kritische Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Dabei reiche es im Einzelfall nicht aus, die Plausibilitätsprüfung auf einen mündlich erteilten Rechtsrat zu stützen. Das Vertrauen in die Fachkompetenz eines externen Beraters ersetzt die Plausibilitätskontrolle nicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn Entscheidungsträgern auf Grund ihrer im Einzelfall bestehenden besonderen Kenntnisse bewusst sein muss, dass die beabsichtigte Maßnahme besonders problematisch ist.
Fazit
Unabhängig davon, welche Anforderungen man an den eingeholten Rechtsrat zur Vermeidung von Haftungsrisiken stellen möchte, so kommt man im Grundsatz nicht umhin, festzustellen, dass eine Absicherung von Verantwortungsträgern durch Einholung von externem Rat grundsätzlich möglich sein muss und empfehlenswert ist. Ein unbesehenes Übernehmen des Expertenrats wird allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen zur Exkulpation des einzelnen Organmitglieds führen.
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