Neue Außenwirtschaftsordnung ändert nur wenig

"Im Juli 2017 hat die Bundesregierung die Regelungen in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) für die Prüfung von Investitionen ausländischer Erwerber innerhalb kurzer Zeit umfassend geändert (s. a. PLATOW Recht v. 12.7.17). Sensible Bereiche der deutschen Wirtschaft sollen so besser vor ausländischer Einflussnahme geschützt werden. Doch was in einigen Bereichen wie der Rüstung zu einem Mehr an Kontrollen führen wird, wird sich im überwiegenden Teil der „kritischen Infrastrukturen“ auf Grund EU-rechtlicher Regelungen kaum auswirken. Ob die Gesetzesreform dennoch etwas bringt, hat sich Julia Pfeil, Anwältin bei Baker McKenzie, angeschaut."

Inhaltlich bringen die Neuregelungen nur wenig Änderungen: Ausgeweitet werden die Eingriffsbefugnisse im Bereich von Transaktionen in der Rüstungsindustrie und in der rüstungsnahen Industrie. Hier kann es künftig zu mehr Kontrollen und Eingriffen bei Investitionen ausländischer Erwerber kommen. Im größeren Bereich der „kritischen Infrastrukturen“ wird es jedoch inhaltlich keine Änderungen geben. Es wird zukünftig nicht häufiger zu Beschränkungen oder zu Untersagungen von Transaktionen kommen. Dies geht aus dem europäischen Recht hervor: Die Investition in ein Unternehmen aus einem Sektor, der als „kritische Infrastruktur“ definiert ist, kann nach der gesetzlichen Regelung in § 59 AWV nur beschränkt oder untersagt werden, „um die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten“.

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) kann eine Prüfung demnach nur dann einleiten, wenn eine Transaktion die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die Gesetzesbegründung verweist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach der ein Mitgliedstaat eine Investition durch ausländische Erwerber nur beschränken darf, wenn es um „Fragen der Sicherstellung der Versorgung im Krisenfall in den Bereichen Telekommunikation und Elektrizität oder [um die] Gewährleistung von Dienstleistungen von strategischer Bedeutung geht“.

Dieselben Grenzen galten aber schon bei der Einführung der Regelungen zur Kontrolle ausländischer Investitionen in Unternehmen, die nicht in der Rüstungsindustrie und in besonders sicherheitsrelevanten zivilen Wirtschaftsbereichen tätig sind. Konsequenterweise spricht die Verordnungsbegründung auch davon, dass es sich bei den neuen Regelungen für den Bereich der kritischen Infrastrukturen nur um Klarstellungen handelt. In der Tat – materiell war eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der deutschen Regelungen ohne entsprechende Änderungen auf europäischer Ebene nicht möglich.

Investoren könnten Hintertürchen nutzen
Außerdem gelten die Kontrollrechte der Bundesregierung nur für EU-fremde Erwerber, nicht aber für Erwerber, die in der EU ansässig sind. Reizvoll erscheint es daher, eine Transaktion so zu strukturieren, dass als Erwerber nicht ein Unternehmen von außerhalb der EU auftritt, sondern ein Unternehmen mit Sitz in der EU. In der Neuregelung hat die Bundesregierung aber vorgebaut: Die Regelungen zur Beschränkung eines Erwerbs sollen auch dann gelten, wenn als Erwerber zwar ein Unternehmen aus der EU auftritt, gleichzeitig aber Anzeichen dafür vorliegen, dass es sich um eine missbräuchliche Gestaltung handelt. Das ist dann der Fall, wenn der Erwerber ansonsten keiner nennenswerten eigenständigen Geschäftstätigkeit nachgeht oder in der EU keine auf Dauer angelegte Präsenz unterhält.

Die Kontrollrechte sind somit nicht anwendbar, wenn als Erwerber eine „echte“ Gesellschaft aus der EU auftritt. Verlassen kann man sich darauf aber nicht. Der EuGH hat bereits angedeutet, dass es zulässig sein kann, den Erwerb von „krisenwichtigen“ Unternehmen zu beschränken, auch wenn es sich um einen EU-Erwerber handelt. In diesen Fällen ist es auch möglich, einen Erwerb durch ein „echtes“ EU-Unternehmen zu beschränken, das im (Mehrheits-)Eigentum eines EU-Fremden steht.

Mehr unnötige Verfahren
Obwohl sich inhaltlich nichts an den bestehenden Regelungen geändert hat, wird die Reform wohl dazu führen, dass künftig mehr Überprüfungsverfahren eingeleitet werden. Grund dafür sind zwei Neuregelungen: Zum einen ist für den Erwerb von Unternehmen aus dem Bereich der kritischen Infrastrukturen durch einen EU-fremden Erwerber nun stets eine Notifizierung erforderlich. Dafür kann nach dem Verordnungstext sogar eine interne Umstrukturierung ausreichend sein.

Darüber hinaus gelten nun neue, erheblich verlängerte Fristen, vor allem für „unkritische“ Erwerbe: Vor der Neuregelung war es dem Bundeswirtschaftsministerium verwehrt, später als drei Monate nach Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags in eine Transaktion einzugreifen. Jetzt gilt: Ist für einen Erwerb durch einen EU-fremden Investor weder eine Anmeldung erforderlich noch eine Notifizierung – also in allen nicht sensiblen Fällen –, so kann das BMWi bis zu fünf Jahre nach Signing noch eine Prüfung der Transaktion einleiten. Diese Frist kann der Investor verkürzen, wenn er freiwillig einen Antrag auf eine Unbedenklichkeitsbescheinigung stellt.

Auch wenn die Regierung nicht in eine Transaktion eingreifen wird, werden viele EU-fremde Erwerber und ihre finanzierenden Banken wohl künftig auf einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bestehen. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist es schlicht ein Ärgernis, eine Neuregelung einzuführen, die lediglich zu vielen sinnlosen Verfahren führen wird, ohne dass erkennbar ist, dass es materiell zu Änderungen kommen wird.

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