„Banken halten Provisions-Thema bewusst klein“

Mit Provisionen machen Finanzdienstleister hierzulande gute Geschäfte. In der Schweiz gilt indes bereits seit 2012, dass eingestrichene Provisionen an die Kunden weitergegeben werden müssen. Auch deutsche Anleger haben einen Anspruch auf diese Gelder, machen ihre Forderungen aus Unwissenheit jedoch häufig nicht geltend – sehr zur Freude der Banken. Denn die Zeit läuft und die ersten Verjährungen sind bald erreicht. Worauf Anleger achten sollten, darüber hat PLATOW Recht mit Hubert Schwärzler, CEO der Schweizer Firma Liti-Link, die sich auf das Eintreiben der so genannten Retrozessionen spezialisiert hat, und dem deutschen Anwalt Klaus Rotter gesprochen.

Herr Schwärzler, bereits 2012 hat das Schweizer Bundesgericht entschieden, dass Provisionen an Kunden weitergegeben werden müssen. Auch viele deutsche Anleger sind davon betroffen und könnten Gelder in Milliardenhöhe einfordern. Warum bleibt die große Klagewelle bislang aus?
Schwärzler: Wir gehen davon aus, dass es jährlich nur eine kleine dreistellige Zahl von Anlegern ist, die ihre Rechte geltend machen. Das ist erstaunlich, zumal die Rechtslage in der Schweiz eindeutig ist. Doch von den Banken und Vermögensverwaltern wird das Thema bewusst komplex gespielt, die Informationspolitik ist entsprechend intransparent. Anders gesagt: Viele Anleger wissen gar nicht, dass sie ein Anrecht auf geflossene Provisionen haben. Und die Zeit spielt den Banken in die Karten. Zwar wurde im Juni 2017 auch die Frage der Verjährung höchstrichterlich geklärt und die Frist schweizweit auf zehn Jahre festgelegt. Doch legt man die Boom-Zeit der Provisionsgeschäfte von 2007 bis 2012 zugrunde, laufen viele Anleger bereits jetzt in die Verjährungsfalle.

Haben die Geldhäuser auch davon profitiert, dass viele Anleger angesichts der steuerlichen Vorteile in der Schweiz vielleicht nicht so genau hingeschaut haben?
Schwärzler: Mit Sicherheit spielte das eine Rolle. Vor der politischen Intervention und der daraus resultierenden Weißgeldstrategie der Schweiz waren die Geschäftsmodelle stark auf Vertrauen aufgebaut und viele Anleger haben so gut wie gar nicht hinterfragt, wie die Banken das Geld verwalten und – vor allem – was sie daran verdient haben.

In der Schweiz wurde die Gesetzeslage zugunsten der Anleger nachgebessert. Wie sieht es in Deutschland aus?
Rotter: In Deutschland muss man zwei Fälle unterscheiden: Weist ein Bankberater nicht auf eine Provision hin, kann er sich wegen fehlerhafter Anlageberatung schadensersatzpflichtig machen. Die davon zu trennende Frage ist aber, ob ein Anleger auch einen Anspruch auf Herausgabe dieser Provision hat. Hier besteht immer noch eine bedeutende Rechtsunsicherheit. Es gibt obergerichtliche Urteile, die den Herausgabeanspruch bejahen, gleichzeitig gibt es Entscheidungen, die das verneinen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich zu dieser Frage noch nicht geäußert.

An Provisionszahlungen kommen Kunden also nicht heran?
Rotter: Es ist schwierig. Wenn ein Anleger beweisen kann, dass er fehlerhaft beraten und nicht korrekt auf Provisionszahlungen hingewiesen wurde, dann hat er einen Schadensersatzanspruch. Das heißt meist jedoch, dass die komplette Anlage rückabgewickelt wird und der Anleger damit so gestellt wird, als habe er nie einen Schaden erlitten. Von der Provision sieht er trotzdem nichts.

Gibt es Tendenzen, dass sich an dieser Rechtsunsicherheit in absehbarer Zeit etwas ändern wird?
Rotter: Die sehe ich bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof nicht. Zwischenzeitlich hat der BGH allerdings bezüglich der Aufklärungspflichten bei Provisionen zu Gunsten der Anleger entschieden, dass ab 1.8.14 die Kunden zumindest über alle Arten von Provisionen aufzuklären sind, egal, ob es sich um Ausgabeaufschläge, Rückvergütungen oder einen Teil des Kaufpreises, die so genannten Innenprovisionen, handelt.

Zurück zur Situation deutscher Anleger in der Schweiz: 2018 werden im Rahmen des Automatischen Datenaustauschs erstmals Steuerdaten zwischen Banken und Finanzbehörden ausgetauscht. Erwarten Sie hierdurch noch Auswirkungen auf vorhandene Provisionsforderungen?  Da der Steuervorteil wegfällt, werden Kunden ihre Anlage eventuell kritischer unter die Lupe nehmen.
Schwärzler: Wir gehen davon aus, dass nur noch ein sehr geringer Teil der in der Schweiz angelegten Gelder noch nicht deklariert ist. Hier erwarten wir keine großen Auswirkungen mehr. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Banken immer noch auf hohen Provisionen sitzen, die die Anleger schlicht aus Unwissenheit nicht einfordern. Denn häufig verwechseln Kunden die Provisionszahlungen mit den üblichen Bankgebühren und haken bei den vermeintlich niedrigen Beträgen nicht nach. Ein Fehler, vor allem vor dem Hintergrund des derzeitig niedrigen Zinsumfelds. In der Regel liegt der Prozentsatz für Provisionen bei 0,5% bis 1,5% der Anlagesumme pro Jahr. Wenn man dann noch die Verzugszinsen, die in der Schweiz auf 5% pro Jahr festgelegt sind, dazunimmt, ist das bei der derzeitigen Niedrigzinslage richtig gut angelegtes Geld. Der Kunde muss das Geld nur abholen.

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