Bundeskartellamt nimmt Bußgeldtrickser ins Visier
"Durch die Löschung von Tochtergesellschaften aus dem Handelsregister konnten sich findige Unternehmen ihrer auferlegten Kartellstrafe in der Vergangenheit häufig entziehen. Denn das Bundeskartellamt konnte die Muttergesellschaft bislang nicht für Verfehlungen der Töchter haftbar machen. Benannt nach dem Fleischbetrieb von Clemens Tönnies machte dieser Trick als so genannte „Wurstlücke“ Schule. Erst mit der Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wurde im Juni 2017 eine Unternehmensverantwortlichkeit eingeführt, nach der nun die Konzernmutter für Kartellbußen aller verbundenen Unternehmen einstehen muss. Doch wird das Schlupfloch für die Unternehmen damit wirksam geschlossen? PLATOW hat bei Maxim Kleine, Partner bei Norton Rose Fulbright, nachgefragt."
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Herr Kleine, wird es für das Kartellamt nun einfacher, Bußgeldsünder zur Kasse zu bitten?
Bislang hatten die Behörden gegenüber den Kartellanten keine Chance, Bußgelder einzutreiben, wenn diese im Wege einer konzerninternen Umstrukturierung aufgelöst wurden. Jetzt können Geldbußen gegen die Konzernmutter durchgesetzt werden. Das Bundeskartellamt erhält somit die gleichen Sanktionsmöglichkeiten wie die Europäische Kommission. Zudem kann weiter als in der Vergangenheit nicht nur der Rechtsnachfolger eines Unternehmens in Anspruch genommen werden, sondern auch der Nachfolger im Sinne einer so genannten „wirtschaftlichen Nachfolge“. Eine derart weitreichende Haftung kannte bisher nur das Europäische Recht. Eine Übergangsregelung sieht eine Ausfallhaftung aller Konzerngesellschaften vor, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens einen bestimmenden Einfluss über die betroffene Gesellschaft ausgeübt haben. Damit hat sich die „Wurstlücke“ erledigt.
Ging das Kartellamt denn durch die Tricks beispielsweise des Wurstkartells bislang leer aus?
Nein. Denn Bußgelder werden in Deutschland auch immer gegen natürliche Personen verhängt – begrenzt auf einen maximalen Betrag von einer Million Euro. Zudem haften natürliche Personen ebenso für die entstandenen Schäden. Nicht nur Familienunternehmer reagieren naturgemäß sehr empfindlich auf eine solche persönliche Inanspruchnahme.
Ihr Fazit: Wird die Gesetzeslücke mit der GWB-Novelle nun wirksam geschlossen?
Unternehmen werden sich nicht mehr so einfach wie bisher einer Bebußung entziehen können. Die Verfahren im Wurstkartell demonstrieren allerdings die systematischen Schwächen jeder Unternehmensstrafe. Anders als natürliche Personen haben Unternehmen als juristische Personen auch in Zukunft die Möglichkeit, sich durch ein Insolvenzverfahren der Haftung für ein Bußgeld und für Schadensersatz dauerhaft zu entziehen. Allerdings liegt die Latte zukünftig deutlich höher als bei einer Umstrukturierung und Löschung einer kartellbeteiligten Tochtergesellschaft aus dem Handelsregister.
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