Blickpunkt Hauptversammlung – Das wird 2013 wichtig
Die Hauptversammlungssaison 2013 wird maßgeblich durch zahlreiche Neuwahlen von Aufsichtsratsmitgliedern geprägt. Bei der Vorbereitung der Hauptversammlungen ergeben sich mit Blick auf die jüngsten Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex sowie aktuelle Urteile neue Herausforderungen. Auch weitere Themen verdienen besondere Aufmerksamkeit. Einen Überblick gibt Tim Johannsen-Roth, Partner bei Linklaters.
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Allein bei den im DAX notierenden Gesellschaften werden in der Hauptversammlungssaison 2013 mehr als 70 Kandidaten neu in die Aufsichtsräte gewählt. Die Aufsichtsräte von börsennotierten Gesellschaften müssen – sofern keine Abweichung vom Kodex im Einzelfall erklärt wurde – nunmehr für ihre künftige Zusammensetzung auch die Anzahl der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder festlegen; die entsprechenden Beschlussvorschläge des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung haben diese selbst definierte Zielzusammensetzung zu berücksichtigen. Dabei entstehen bei der Erstellung der Einberufungsdokumentation sowie im Berichtswesen Abgrenzungsschwierigkeiten mit Blick auf die unscharfe Unabhängigkeitsdefinition des Kodex und das Fehlen klarer gesetzlicher Maßstäbe: In welchen Konstellationen unterliegt ein Aufsichtsratsmitglied einem potenziellen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt, der die Unabhängigkeit nach der verfehlten Neudefinition des Kodex entfallen ließe? Begründet eine Tätigkeit als Organmitglied des Großaktionärs bereits eine geschäftliche Beziehung zu einem kontrollierenden Aktionär, die regelmäßig zur Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds führt? Und in welcher Detailtiefe ist über geschäftliche Beziehungen zu wesentlich beteiligten Aktionären im Rahmen der Wahlvorschläge oder im Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung zu berichten?
Da vielfach nicht mit hinreichender Sicherheit die Unabhängigkeit der betreffenden Aufsichtsratsmitglieder festgestellt werden kann, dürfte bis zu einer Klarstellung durch die Kodexkommission oder die Rechtsprechung eher ein zurückhaltender Umgang mit dem Unabhängigkeitstestat und ein erhöhtes Maß an Transparenz zu empfehlen sein; andernfalls besteht die Gefahr, dass sowohl Entlastungs- als auch Wahlbeschlüsse wegen der Abgabe angeblich fehlerhafter Entsprechenserklärungen angefochten und für nichtig erklärt werden.
Institutionelle Stimmrechtsvertreter
Das Kriterium der Unabhängigkeit ist auch anderweitig von Bedeutung: Insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften mit internationalem Aktionärskreis gewinnen institutionelle Stimmrechtsvertreter (so genannte proxy advisors) vor allem aus dem anglo-amerikanischen Raum vermehrt an Einfluss und können für die Sicherung erforderlicher Beschlussmehrheiten durchaus entscheidend werden. Das Abstimmungsverhalten solcher proxy advisors orientiert sich an internen Richtlinien, die in erster Linie vom monistischen Board-System geprägt sind und die Besonderheiten des deutschen Aktienrechts oft nur sehr unvollkommen berücksichtigen: So gehen einige Abstimmungsrichtlinien davon aus, dass der Vorschlag zur Wiederwahl eines Aufsichtsratsmitglieds wegen fehlender Unabhängigkeit abzulehnen ist, wenn dieses bereits zwölf Jahre im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten war. Andere Vorgaben gehen dahin, dass mindestens ein Drittel aller Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein muss. Auf Grund dieser Gemengelage aus teilweise divergierenden Anforderungen von Gesetz, Kodex und Abstimmungsempfehlungen institutioneller Stimmrechtsvertreter empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld der Hauptversammlung unter Beachtung insiderrechtlicher Beschränkungen in einen konstruktiven Dialog mit maßgeblichen Stimmrechtsvertretern einzutreten. Erfahrungen haben gezeigt, dass proxy advisors bei gut begründeter Erläuterung bereit sind, im Einzelfall auch die Angemessenheit ihrer Abstimmungsempfehlungen unter Berücksichtigung der konkreten Situation bei der Gesellschaft und losgelöst von starren Richtlinienvorgaben kritisch zu überdenken.
Mitteilungspflichten der Verwahrbanken
Ein weiteres spannendes Themenfeld könnte sich bei Hauptversammlungen von Gesellschaften mit Namensaktien mit Blick auf eine neuere – im Ergebnis verfehlte – Entscheidung des OLG Köln ergeben. Danach haben auch so genannte Legitimationsaktionäre, die im Aktienregister anstelle des „wahren“ Aktionärs eingetragen sind (z. B. Kreditinstitute), bei Überschreiten meldepflichtiger Schwellenwerte Stimmrechtsmitteilungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz zu veröffentlichen. Ein Unterbleiben dieser Mitteilungen führt zum Stimmverlust und kann, sofern die Stimmen für die Beschlussfassung erheblich geworden sind, Anfechtungsrisiken begründen. In praktischer Hinsicht dürfte sich bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage für Namensaktienemittenten für diese Hauptversammlung empfehlen, darauf hinzuwirken, dass die Verwahrbanken rechtzeitig jeden teilnahmewilligen wahren Aktionär unmittelbar zur Eintragung in das Aktienregister der Gesellschaft melden, um etwaige Stimmrechtsverluste zu vermeiden.
Trotz des positiv zu vermerkenden allgemeinen Rückgangs von Beschlussmängelklagen ergeben sich somit auch für die kommenden Hauptversammlungen zahlreiche Risikofelder, die eine professionelle Vorbereitung erfordern.
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