Warum die Zinskurvenkontrolle unausweichlich ist
Schuldenberg, Inflation, Zinskurvenkontrolle: Warum Anleihen verlieren, Währungen wackeln und Sachwerte und Aktien die Gewinner sind.

Die USA wie auch Europa stehen vor einer erdrückenden Schuldenlast. Am Ende führt kaum ein Weg daran vorbei, diese Verbindlichkeiten real zu entwerten – entweder über Inflation oder über politisch gesteuerte Verzinsung. In den USA ist der Kurs bereits klar: „Run it hot“ – also ein überproportionales Wachstum des nominalen BIP gegenüber der Verschuldung. Das klingt dynamisch, bedeutet in der Praxis jedoch die schleichende Enteignung der Anleihehalter, deren Forderungen durch Inflation an Wert verlieren.
Inflation trifft das lange Ende
Flammt die Teuerung erneut auf – wofür sowohl jüngste Inflationszahlen als auch die Bank of America Fund Manager Surveys sprechen –, gerät vor allem das lange Ende der Zinskurve unter Druck. Steigende Inflationserwartungen zwingen Investoren, höhere Renditen zu verlangen. Genau hier dürften Notenbanken eingreifen, um den Markt zu „stabilisieren“: Ein fallender Anleihemarkt ist ein systemisches Risiko (vgl. Bankenkrise 2023) und verschärft zugleich die Haushaltslage des Staates, weil die Zinslast steigt. Perspektivisch werden Notenbanken daher mittels Zinskurvenkontrolle (sog. Yield Curve Control oder YCC) die langfristigen Zinsen künstlich deckeln – indem sie als (nahezu) unbegrenzter Käufer langlaufender Anleihen auftreten und diese auf die eigene Bilanz nehmen.
Der Druck auf die US-Notenbank steigt
In den USA wird die Neuverschuldung mangels organischer Nachfrage am langen Ende zunehmend auf kürzere Laufzeiten verlagert. Damit steigt der politische Druck auf Fed-Chef Jerome Powell, die Leitzinsen zu senken. Dies dürfte die Inflationserwartungen am langen Ende jedoch weiter anheizen, sobald die stimulierende Wirkung der Lockerung greift. Brisant wäre eine Zinssenkung am 17. 9., fiele sie doch in eine Phase von Aktien-Allzeithochs, in der Inflation stärker als Risiko wahrgenommen wird als eine Rezession. Laut CME FedWatch Tool liegt die Wahrscheinlichkeit dafür aktuell bei 69%.
YCC ist damit weniger theoretische Option als logische Konsequenz einer Politik, die Schulden tragfähig halten und Inflation als Entschuldungsmechanismus nutzen will. Wer meint, auf die dadurch entstehende künstliche Nachfrage der Notenbank zu setzen und jetzt langlaufende Anleihen ins Depot zu legen, blendet jedoch ein zweites Risiko aus: das Währungsrisiko. Kommt nämlich die Zinskurvenkontrolle, geschieht dies zwangsläufig zulasten der Währung. Zur Stabilisierung der Anleihemärkte greift die Notenbank mit massiven Käufen ein – finanziert durch frisch geschaffenes Geld. Für Investoren ergibt sich daraus ein doppeltes Risiko: Zum einen liegen die Renditen künstlich unter dem fairen Marktniveau, zum anderen sind die Anlagen in einer Währung denominiert, deren Kaufkraft durch die Ausweitung der Geldmenge unter Druck gerät.
Sachwerte und Aktien vorn
Für langfristige Investoren verengt sich das Anlageuniversum. Aktien, Rohstoffe und andere Sachwerte dürften weiter Kapital aus langlaufenden Anleihen anziehen. Das klassische 60/40-Portfolio wird trotz möglicher Bilanzausweitungen der Notenbanken auf absehbare Zeit ein Underperformer bleiben.