Mexikos Börse überrascht im Zollkonflikt mit Stärke
Trotz eines drohenden Handelskriegs hat der Aktienmarkt in Mexiko 2025 bisher eine sehr überzeugende Performance hingelegt. Wir erklären warum und beleuchten die Chancen und Risiken.

Dass die mexikanische Börse in diesem Jahr bislang eine gute Figur abgibt, kommt für viele Marktteilnehmer unerwartet. Schließlich ist das Land im Hinblick auf US-Zölle besonders exponiert. Mehr als 80% der mexikanischen Exporte gehen in die USA, was rund 30% des BIP entspricht – ein höherer Anteil als bei jedem anderen Schwellenland.
Und dennoch: Der mexikanische Leitindex IPC (Indice de Precios y Cotizaciones) handelt aktuell bei 56.765,58 Punkten (Stand: 12.05.25), was einem Plus von rund 15% seit Jahresbeginn entspricht. Dadurch kommt inzwischen sogar das Rekordhoch von 58.769 Punkten vom Februar 2024 langsam wieder in Reichweite.
„Nearshoring“ als Zollschutzschild
Der wichtigste Grund für die Marktresilienz liegt in der Sonderstellung Mexikos im globalen Zollkonflikt. Anders als viele andere Schwellenländer profitiert Mexiko strukturell vom Rückzug der USA aus China. Der Trend zur Regionalisierung der Lieferketten („Nearshoring“) macht das Land zum wichtigsten Produktionsstandort für den nordamerikanischen Markt.
Etwa die Hälfte aller mexikanischen Ausfuhren in die USA wird von den Zöllen im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens nicht betroffen sein. Die mexikanische Regierung glaubt, dass sie diesen Anteil auf 80% erhöhen kann, indem sie mehr Waren unter die Regeln des Abkommens einordnet
Schätzungen zufolge liegt der effektive US-Zollsatz für mexikanische Güter trotz allem nur bei 5 bis 7%. Es wird auch erwartet, dass die USA ein Interesse daran haben, die Handelsbeziehungen zu Mexiko stabil zu halten, um die eigene Wirtschaft nicht zu belasten.
Zudem ist Mexikos Makrostruktur insgesamt recht solide: Die öffentliche Verschuldung bleibt im Verhältnis zum BIP moderat, die Leistungsbilanz ist nahezu ausgeglichen. FDI-Zuflüsse (ausländische Direktinvestitionen) steigen weiter und nähern sich dem höchsten Niveau seit 2014.
Flaues BIP versus Zinssenkungen
Volkswirtschaftlich gesehen gestaltet sich die momentane Lage allerdings trotz allem etwas verhalten. Gemessen an den jüngsten Konjunkturzahlen, ist die Entwicklung sogar relativ schwach. Goldman Sachs rechnet für das Jahr 2025 sogar mit einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,5%. Zwar zeigte sich das erste Quartal mit einem Plus von 0,2% gegenüber dem Vorquartal etwas besser, doch die Schwäche in Industrie und Dienstleistungen sowie rückläufige Wachstumsindikatoren dämpfen die Zuversicht.
Positiv zu werten ist hingegen die Entwicklung der Inflation: Diese lag mit 3,9% im April weiterhin innerhalb des Toleranzbandes der Notenbank Banxico, die den Leitzins bereits mehrfach gesenkt hat – aktuell liegt dieser bei 9,00% und dürfte laut Prognosen von Volkswirten bis Jahresende weiter in Richtung 8,00% sinken. Dies ist ein Trend, der einerseits lokale Anlageformen begünstigt, andererseits aber auch Ausdruck der momentanen wirtschaftlichen Schwäche ist.
Strukturelle Stärken und politische Unsicherheiten
Auf struktureller Ebene spielt Mexiko seine Nähe zum US-Markt weiter geschickt aus. Der „Plan Mexico“ der Regierung zielt auf eine wachstumsfördernde Industriepolitik ab. Mit dem Ziel, die Produktionskapazitäten auszubauen und technologische Innovationen ins Land zu holen, werden ausländischen Unternehmen steuerliche Anreize eingeräumt.
Im Fokus steht zudem Nearshoring: Mexiko will sich gezielt als Alternative zu China in der globalen Lieferkette positionieren. Interessant dabei: Der Anteil der verarbeitenden Industrie am BIP liegt bereits bei beachtlichen 40%. Ansonsten gilt die junge, wachsende Bevölkerung als Stärke für die langfristige Produktivität.
Allerdings ist die betriebene Politik auch ein Unsicherheitsfaktor: Die Regierung setzt auf weitreichende Reformen – etwa in der Justiz, wo es zu den tiefgreifendsten Veränderungen seit 30 Jahren kommt. Der Markt betrachtet diese allerdings mit gemischten Gefühlen. Denn Kritiker befürchten eine Aushöhlung demokratischer Kontrollmechanismen, was sich negativ auf die Investitionsstimmung auswirken könnte.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA birgt neben Chancen auch erhebliche Risiken: Sollte die US-Konjunktur stärker abkühlen, hätte das unmittelbare Auswirkungen auf Exporte, Industrieproduktion und die hohe Summe an Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten.
Aktienbewertung und Langfristperspektive
Vor dem skizzierten volkswirtschaftlichen Hintergrund sind die Ergebnisschätzungen für mexikanische Unternehmen zuletzt gesunken. Goldman Sachs prognostiziert für 2025 und 2026 ein Gewinnwachstum je Aktie von durchschnittlich 8 bzw. 5%, wobei die US-Investmentbank mit ihren Schätzungen unter dem Konsens liegt.
Gemessen am geschätzten Markt-KGV von 12,6 für 2025 sind mexikanische Aktien mit Blick auf die Bewertungsspanne der Vorjahre relativ günstig. Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt mit einem geschätzten Multiplikator von 2,0 etwas niedriger als im historischen Schnitt. Die Eigenkapitalrendite sehen Analysten im Schnitt von 2024 bis 2026 von 13,7% auf 16,7% steigen. Die Dividendenrendite wird für 2025 auf 5,1% und für 2026 auf 6,7% taxiert.
Das ist insgesamt bewertungstechnisch gesehen recht solide. Ein wichtiger Aspekt sollte aber nicht vergessen werden, denn er gibt Auskunft über das Verhalten der mexikanischen Börse seit 2015. Gemeint ist damit die Tatsache, dass der IPC-Index in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt nur auf ein Kursplus von 2,3% pro Jahr gekommen ist. Das ist ziemlich mager und kein Vergleich zur Börse im Nachbarland USA. Vor allem aber deutet das auf ein sehr festgefahrenes Kursmuster hin, aus dem nur schwer auszubrechen sein dürfte.
Deshalb kommt es in Mexiko auch auf das richtige Stockpicking an. Wir setzen im Musterdepot bekanntlich auf den mexikanischen Tortilla-Hersteller Gruma (15,90 Euro; MXP4948K1056). Uns gefällt hier die starke Marktstellung, der weltweit steigende Konsum von Tortillas sowie die moderate Bewertung.
Aufgrund vergleichbarer Anlageargumente stehen bei uns auch andere mexikanische Unternehmen wie der Restaurantketten-Betreiber Alsea (2,02 Euro; MXP001391012), der Holdingkonzern Fomento Económico Mexicano (FEMSA; 90,00 Euro; US3444191064), der Getränkeabfüller Coca-Cola FEMSA (81,00 Euro; US1912411089) sowie der Zementhersteller Cemex (5,80 Euro; US1512908898; unsere aktuelle Einschätzung zu diesem Wert lesen Sie hier) auf der Beobachtungsliste. Zu einer klaren Kaufempfehlung können wir uns bei diesen Titeln in Ermangelung von eindeutig positiven Kurskatalysatoren aber noch nicht durchringen.
2025 hat Mexikos Aktienmarkt relative Stärke bewiesen – trotz der US-Zollpolitik, Reformrisiken und verhaltenem Wachstum. Die relativ niedrige Bewertung, der laufende Zinssenkungszyklus und die Chancen durch Nearshoring könnten dem Markt auch weiterhin Unterstützung geben. Es gibt aber auch noch eine Reihe von Herausforderungen. In den letzten zehn Jahren haben diese Hürden zu einer eher mäßigen Gesamtperformance geführt. Damit sich dies ändert und Mexiko dauerhaft zum Outperformer an der Börse mutiert, bedarf es aus unserer Sicht neuer, nachhaltig positiver Impulse.