Handelspolitik

US-Präsident nimmt jetzt auch Medizintechnik ins Visier

Nach den Medikamentenherstellern drohen nun auch Geräteproduzenten Strafzölle. Für europäische Firmen mit starkem US-Geschäft könnte das brisant werden – aber der Weg zu Strafzöllen ist aus verschiedenen Gründen kompliziert.

Klaus Brune,
Medizin Medizintechnik Schläuche Masterflex
In der Medizintechnik kommen Geräteteile oft aus verschiedenen Ländern. © AdobeStock | Georgii

Für mächtig Bewegung bei den Aktienkursen von Pharmaunternehmen sorgte Ende letzter Woche die Ankündigung von Donald Trump, auf Marken- und patentgeschützte Medikamente einen Zoll von 100% erheben zu wollen. Fast ein wenig unter ging dabei eine andere Maßnahme des US-Präsidenten. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das US-Handelsministerium bereits Anfang September unter „Section 232“ eine Untersuchung zu medizinischen Geräten gestartet. Betroffen sind persönliche Schutzausrüstung, Verbrauchsmaterialien und Hightech-Geräte von der Bildgebung bis zum OP-Roboter. Das Ziel dabei: Prüfen, ob eine starke Importabhängigkeit im Krisenfall die nationale Sicherheit gefährdet.

Der Schritt erinnert an die andere Handelspraktiken der Trump-Regierung: Hersteller können hohe Strafzölle nur vermeiden, indem sie ihre Produktion stärker in die USA verlagern. Nach den Pillen rücken nun also auch die Gerätehersteller in den Fokus.

Was Europa verlieren könnte

Bis zum 17. Oktober können betroffene Firmen – darunter auch börsennotierte Konzerne wie Siemens Healthineers, Straumann oder Philips – Stellung beziehen. Danach läuft die Untersuchung bis zu 270 Tage, ehe ein Bericht auf Trumps Schreibtisch im Oval Office landet. Erst dann entscheidet der Präsident. Praktische Folgen sind damit zwar erst Mitte nächsten Jahres zu erwarten. Doch das Risiko ist erheblich: Allein in Europa gibt es rund 38.000 Medizintechnikunternehmen, meist kleine Betriebe. Besonders abhängig wäre Irland, das laut Branchenkennern vier Fünftel aller Stents und drei Viertel aller Knieprothesen fertigt. Aber auch Deutschland, die Niederlande und die Schweiz exportieren medizintechnische Gerätschaften im zweistelligen Mrd.-Euro-Bereich. Zwei Fünftel aller europäischen Exporte gehen dabei in die USA.

Was passieren kann: Die Untersuchung könnte in Empfehlungen für Zölle, Importquoten oder andere Handelsbeschränkungen münden. Die „Section 232“ diente in der Vergangenheit bereits als Grundlage für Maßnahmen gegen Stahl-, Aluminium- und Autoimporte. Für die Branche geht es um viel: Allein 2024 exportierte die EU Medizintechnik im Wert von 27,4 Mrd. Euro in die USA – das sind rund 40% aller Ausfuhren. Gleichzeitig ist das Geschäft keine Einbahnstraße: Mit 28,4 Mrd. Euro lagen die US-Exporte nach Europa sogar leicht darüber.

Verwickelte Lieferketten – unkalkulierbare Folgen

Das ist aber nicht die einzige Schwierigkeit in der Angelegenheit. Die Lieferketten sind eng und manchmal unauflösbar verflochten: Bei einer Krebsbiopsie etwa stammen die Farbstoffe zumeist aus Europa, das Grundmaterial aus den USA, während das Analysegerät in den USA gefertigt wird – mit Teilen aus der EU.

Die eng miteinander verwobenen globalen Lieferketten machen deutlich: Strafzölle könnten das gesamte System ins Wanken bringen. Reagiert die EU mit Gegenmaßnahmen, wären steigende Gesundheitskosten weltweit die Folge. Die möglichen Auswirkungen sind daher schwer vorhersehbar. Klar ist jedoch: Unternehmen, die einen großen Teil ihres Umsatzes in den USA erzielen, dort aber nur begrenzt produzieren, stehen vor erheblichen Herausforderungen. Unser heutiger Blick auf Coloplast zeigt beispielhaft, wie relevant Produktionsstandorte für das US-Geschäft werden können. Für Anleger bedeutet das künftig: Neben Bilanzzahlen und Auslandsanteilen lohnt es sich, die Websites der Unternehmen genau zu prüfen – auf Hinweise zu Fertigungsstätten und internationalen Standorten.

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