CFO-Interview

FMC-CFO Martin Fischer – „Wir werden zuverlässig liefern“

Nach dem Kapitalmarkttag Mitte Juni waren bei Analysten Zweifel aufgekommen, ob Fresenius Medical Care die bis 2030 versprochene Margenverbesserung tatsächlich erreichen kann. Im exklusiven Interview mit Finanzvorstand Martin Fischer haben wir nachgefragt.

Klaus Brune,
Seit 2023 Finanzvorstand von FMC: Martin Fischer
Seit 2023 Finanzvorstand von FMC: Martin Fischer © Fresenius Medical Care

Herr Fischer, am Kapitalmarkttag 2025 Mitte Juni wurde beim Umsatz kein konkretes Ziel für 2030 vorgegeben. Warum?

Wir haben für 2030 tatsächlich keine Umsatz-Guidance gegeben. Aber wir haben für jedes unserer Segmente die treibenden Größen sehr klar kommuniziert. Der Grund, warum wir keine Umsatzerwartung für den Konzern gegeben haben, liegt an der schwer vorhersagbaren Entwicklung im Value Based Care-Segment. Abhängig davon, wie viel Risiko man übernimmt und wie viel davon man mit den Versicherern teilt, entwickeln sich in diesem Bereich am Ende die Umsätze. Für dieses Geschäft ist eine seriöse Umsatzvorhersage bis 2030 daher nicht möglich.

Aber wir haben die wesentlichen Bausteine der Umsatzentwicklung für Care Delivery und Care Enablement gegeben: Wir haben von 4 bis 5% Wachstum jährlich bei der globalen Patientenbasis gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir über das Patientenwachstum hinaus auch von einer weiteren Zunahme der Behandlungen ausgehen. Wir haben von einem moderaten Wachstum bei den Erstattungssätzen gesprochen. Und wir haben von Marktanteilsgewinnen gesprochen, also einem stärkeren Wachstum als es der Markt zeigt.

Im US-Markt erwarten Sie ein Patientenwachstum von etwa 2% jährlich bis 2035. Wie ist Ihre Position in diesem Markt?

Die USA sind unser größter Markt. Wir haben dort 2024 etwa 70% unserer gesamten Umsätze erzielt. Es ist ein sehr innovativer Markt, und wir investieren entsprechend viel in diesen Markt.

Zur jüngsten Dynamik ist zu sagen: Sie haben sicher mitbekommen, dass im ersten Quartal unser Patientenwachstum in den USA sich eher flach entwickelt hat. Das ist bedingt durch eine starke Grippewelle. Wir gehen davon aus, dass es bis 2030 ein durchschnittliches jährliches Wachstum der Patientenzahl von über 2% in den USA geben wird. Für 2025 haben wir ein noch etwas geringeres Wachstum für Patientenzahlen und Behandlungsvolumen kommuniziert.

Das heißt also, die Wachstumsdynamik wird nach 2025 zunehmen?

Mit der abnehmenden Sterblichkeitsrate ergibt sich automatisch eine sich beschleunigende Wachstumsdynamik. Wir werden eine Weile brauchen, bis wir den neuen Standard der hochvolumigen Hämodiafiltration (HVHDF) in den USA ausgerollt haben werden, aber wir gehen definitiv davon aus, dass die Wachstumsrate über den Zeitraum bis 2030 in den USA klar zulegen wird.

Kommen wir zur Profitabilität: Für die Gruppe streben Sie bis 2030 eine operative Ergebnismarge im mittleren Zehnerprozentbereich an. Wie soll das gelingen?

Zum einen haben wir kommuniziert, dass wir das Transformationsprogramm FME25+ bis 2027 verlängern. Da geht es um Investitionen in Prozesse, in eine verbesserte Systemlandschaft und verbesserte Abläufe, um Effizienzen zu schaffen. Damit wollen wir noch einmal weitere 300 Mio. Euro an Kosten einsparen.

Das ist nur ein Beitrag zur Ergebnisverbesserung, der geht bis 2027. Der zweite Beitrag kommt von unserer Wachstumsstrategie. Wir erwarten weltweit ein Patientenwachstum von 4 bis 5%.

Das Wachstum bei Care Enablement soll dabei über dem Marktwachstum liegen und dafür sorgen, dass wir die notwendigen Volumina haben, um die Fertigung weiter zu optimieren und Skaleneffekte zu erzielen.

Bei Care Delivery ist es so, dass wir auf Basis des geplanten Wachstums zu einer höheren Klinikauslastung zurückkehren können. Wir waren vor Covid ungefähr bei einer Klinikauslastung von 65%. Heute sind wir in den hohen Fünfzigern und unsere Ambition ist es, dass wir zunächst zu den historischen Werte zurückkehren, um diese dann auch weiter zu steigern.

Beschreiben Sie bitte die Entwicklung des Margenprofils bis 2030? Geht die Margenverbesserung linear oder in Schüben voran?

Bei Value-Based Care und bei Care Enablement gehen wir eher von einem linearen Verlauf der Margenverbesserung aus. Bei Care Delivery ist es  so, dass in den ersten beiden Jahren das Transformationsprogramm wesentlich ist. Das Wachstum und die Wachstumsdynamik nehmen dann in den folgenden Jahren eher zu. Das hat natürlich etwas mit dem Rollout von HVHDF in den USA zu tun und mit der Normalisierung der Sterblichkeitsrate.

Speziell bei Care Enablement sind Sie von Ihrem Margenziel aber noch ein gehöriges Stück weg. Wie wollen Sie in diesem Segment eine Marge im mittleren Zehnerprozentbereich erreichen?

Wir haben auch in diesem Bereich in den letzten Quartalen  eine sehr gute und vom Kapitalmarkt vielleicht  nicht immer angemessen antizipierte Entwicklung in der Marge gezeigt. Von 2% kommend haben wir letztes Jahr 6% erreicht, im Q1 haben wir über 8% Marge gesehen. Das ist eine signifikante Margenentwicklung, die wir in einem sehr kurzen Zeitraum zeigen konnten. Das gibt uns  das Zutrauen, dass wir mit unserer klaren Planung auch weitere Ergebnisverbesserungen vorantreiben können.

Dabei sind drei Elemente wichtig, die ich hier hervorheben möchte. Das eine Thema ist Wachstumsdynamik. Wir sind gut im Volumenwachstum unterwegs. Wir wachsen überdurchschnittlich über dem Marktvolumen, was uns auch jetzt schon ermöglicht, gewisse Skaleneffekte zu nutzen. Das zweite ist, dass wir es im inflationären Umfeld der vergangenen Jahre geschafft haben, adäquate Preise für unsere Produkte zu erzielen. Das haben wir in den letzten zwei Jahren aktiv und ganz gezielt betrieben – das ist wie ein Muskel, den wir ständig trainieren. Das dritte Thema sind die Effizienzbeiträge unserer Transformation. Wir haben Care Enablement zum ersten Mal in 2023 als globales Med-Tech-Unternehmen aufgestellt. Vorher waren wir regional organisiert. Dazu ein Beispiel: Wir entwickeln globale Produkte und versehen diese mit lokalen Anpassungen, nicht mehr lokale Produkte für lokale Märkte. Dadurch haben wir jetzt höhere Volumina, höhere Stückzahlen, andere Lieferantennetzwerke. Wir haben dadurch auch eine ganz andere R&D-Effizienz, weil wir keine Parallelentwicklungen mehr haben, sondern eine globale Plattform mit lokalen Anpassungen. Das ist es, was die Transformation etabliert hat.

Warum haben Sie auf drei Segmente umgestellt und Value-Based Care neu aufgestellt?

Für uns sind alle drei Segmente wesentlicher Bestandteil unserer Strategie. Sie sind jedes für sich genommen Wachstumsfelder, die für uns strategisch relevant sind.

Gleichzeitig ist es so, dass die Segmente einen Wertbeitrag untereinander liefern: Care Enablement ermöglicht Innovation und stellt sie dem Markt zur Verfügung; Care Delivery kann schneller als die Wettbewerber diese Technologie in unsere Behandlungen einbauen und somit den Behandlungsstandard in einem Markt etablieren. Bei Value-Based Care ist es so, dass die bessere Betreuung der Patienten in den frühen Stadien der Nierenerkrankung und das besser vorausgeplante Überführen in die Dialyse einen qualitativ höheren Behandlungsstart und ein besseres klinisches Resultat ermöglichen.

Alle drei Segmente haben also sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle und ganz unterschiedliche Marktdynamiken. Weil wir Transparenz und Verständnis für die drei Geschäfte schaffen wollten, haben wir diese Aufteilung jetzt vorgenommen.

Das neue Ziel für Investitionen liegt bei 800 Mio. bis 1 Mrd. Euro pro Jahr. Nach unserer Kalkulation sind das etwa 4 bis 5% vom erwarteten Umsatz. 2019 waren es noch 6,4%. Reichen die Investitionen, um die Innovationsführerschaft zu sichern?

Lassen Sie uns hier kurz einen Schritt zurückgehen. Wir haben am Kapitalmarkttag bewusst ein Rahmenwerk zur Kapitalallokation mit drei Prioritäten kommuniziert.

Priorität eins waren die genannten Investitionen von 800 Mio. bis 1 Mrd. Euro pro Jahr in profitables Wachstum im Kerngeschäft. Priorität zwei: Wir wollen sicherstellen, dass wir eine starke Bilanz haben und eine entsprechende finanzielle Flexibilität. Wir haben unseren Korridor für den Nettoverschuldungsgrad angepasst auf 2,5x bis 3x EBITDA und haben ein klares Bekenntnis zum Investment-Grading gegeben. Priorität drei: Wir wollen überschüssiges Kapital zurückführen an die Aktionäre in Form einer attraktiven Dividendenpolitik und von Aktienrückkäufen

Jetzt zurück zu Ihrer Frage. Wir haben ganz bewusst als oberste Priorität kommuniziert, Investitionen in profitables Wachstum sicherzustellen, weil wir auch die Opportunitäten und das Wachstum in den Segmenten sehen.

Und bei Ihrer Berechnung müssen Sie folgendes beachten: In der Vergangenheit waren wir noch in einer regionalen Organisation und haben lokale Produkte für lokale Märkte entwickelt. Wir sind heute wesentlich effizienter, was unsere Forschung und Entwicklung angeht. Wir entwickeln globale Produkte auf globalen Plattformen. Dass die Prozentzahl heute etwas geringer als in der Vergangenheit ist, hat im Wesentlichen damit zu tun, dass wir viel effizienter im Einsatz unserer Mittel sind.

Wie soll die Kapitalstruktur optimiert werden?

Wir erwarten klar eine Steigerung unseres Gewinns. Gleichzeitig wollen wir auch unser Working Capital effizienter nutzen. Die Steigerung der Kapitaleffizienz in unserer eigenen Operation ist für uns wichtig: Da geht es um Bestände, um die Optimierung der Abläufe in der Lieferkette, um die Reduzierung von Bestandsniveaus. Da geht es aber auch um das Thema Investitionen und um eine effizientere Forschung und Entwicklung.

Wenn es jetzt um die Bilanz geht und um die Fremdfinanzierung: Uns war wichtig, dem Kapitalmarkt zu signalisieren, dass wir an einem klaren Bekenntnis zu einem Investment Grade festhalten. In den letzten sechs Quartalen haben sie erlebt, dass wir Schulden abgebaut haben. Wir haben in jedem Quartal unseren Verschuldungsgrad zurückgeführt, bis wir im Q1 bei 2,8x EBITDA waren.

Jetzt sind wir innerhalb des neu definierten Korridors und jetzt geht es eher darum, dass wir nicht notwendigerweise weiter eine Schuldenrückführung machen, sondern dass wir uns innerhalb dieses Korridors bewegen. Wir sehen nur limitierten Mehrgewinn von einem höheren Rating und einem niedrigeren Verschuldungsgrad.

Heißt das im Umkehrschluss, Zukäufe über eine höhere Verschuldung wären denkbar?

Wir haben eindeutig kommuniziert, dass größere M&A-Themen für uns aktuell keine Priorität haben. Wir wollen überschüssiges Kapital zurückgeben an die Aktionäre. Gleichzeit sehen wir mögliche kleinere Klinikakquisitionen bei Care Delivery und in internationalen Märkten durchaus weiterhin als Teil des normalen Geschäftsverlaufs an.

Kommen wir zur dritten Priorität ihrer optimierten Kapitalstruktur: Wie sieht Ihre Ausschüttungspolitik aus?

Wir wollten ein klares Signal senden, dass wir zwischen 30 und 40% unseres bereinigten Nettogewinns ausschütten werden. Gleichzeitig wollen wir unsere Gewinne steigern. Wir wollen eine verlässliche, eine attraktive und auch eine stabile Dividende für unsere Aktionäre. Wir wollen berechenbar sein. Wir haben keine klare Guidance in der absoluten Höhe gegeben. Aber ich glaube, wir sind mit dem Korridor und all den anderen Faktoren durchaus klar, was unsere Dividendenpolitik angeht.

Teil der Ausschüttungspolitik ist auch ein Aktienrückkaufprogramm.  

Es ist nicht der erste Aktienrückkauf in der Geschichte der Fresenius Medical Care Gesellschaft. Aber es ist das erste Programm dieser Art, das Bestandteil unserer Kapitalallokationsstrategie und damit Teil unserer neuen Ausschüttungspolitik ist. Beginnend im Jahr 2025 wollen wir für 1 Milliarde Euro im Zeitraum von zwei Jahren Aktien zurückkaufen.

Gibt es eine Zielgröße für den Total Shareholder Return?

Wir kommen aus einer Transformationsphase und gehen jetzt in eine Wachstumsstrategie bis 2030. Diese Wachstumsstrategie haben wir ergänzt um ein Rahmenwerk, wie wir die Mittel verwenden wollen. Darin enthalten sind wesentliche Bausteine, wie wir Wert generieren und Wachstum nach vorne treiben wollen.

Was wir nicht gemacht haben: Wir haben keine Quantifizierung der Wertgenerierung gegeben. Wir werden die Strategie umsetzen und wir werden das tun, was wir in den letzten sechs Quartalen gemacht haben: zuverlässig liefern. Für uns ist es wichtig, eine konsistente Unternehmensentwicklung zu zeigen. Und wir sind der Überzeugung, dass sich das dann entsprechend in der Bewertung der Kapitalmärkte niederschlagen wird. Das ist das, was wir tun können: Wir können konsistent unsere Ziele erfüllen und verlässlich sein in dem, was wir tun und was wir sagen.

Herr Fischer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Unsere Analyse zu Fresenius Medical Care und diesem Interview finden Sie hier.

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