Neuer Banken-Stresstest – EBA legt nach

Am 31.1.18 wurde der neue Banken-Stresstest von der European Banking Authority (EBA) losgetreten. Ziel ist es, nicht nur den Aufsehern, sondern auch den Banken selbst und den Marktteilnehmern die Widerstandsfähigkeit des Instituts im Krisenfall vor Augen zu führen. Auch fließt das Ergebnis in den Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) ein. Hier erhalten Banken von den Aufsichtsbehörden institutsspezifische Aufschläge auf die gesetzlichen Mindestkapitalquoten, wenn sie besonderen Risiken ausgesetzt sind. Welche Neuerungen zudem auf die Banken zukommen, hat sich Manuel Lorenz von Baker McKenzie angeschaut.

Schon immer zeichnete sich der Prozess durch einen hohen Aufwand bei den betroffenen Banken aus, bei unklaren Vorgaben und zweifelhaften Ergebnissen. So kam es zur Pleite der spanischen Banco Popular, obwohl sie sich beim Stresstest eher im Mittelfeld der spanischen Banken befand. Ein Stresstest soll in erster Linie den Effekt von negativen Marktentwicklungen simulieren und nicht die Solidität von Banken im Übrigen. Aber gänzlich trennen kann man die Themen nicht: Scheinbar befanden sich in der Bankbilanz nicht offengelegte Risiken in Gestalt von 37 Mrd. Euro an faulen Immobilienkrediten – eine Spätfolge der spanischen Immobilienblase.

Sind aber die Ausgangsbilanzen für den Stresstest falsch, ist auch das Resultat wenig aussagekräftig. Das Kreditrisiko hätte im Falle von Banco Popular im Rahmen der „Asset Quality Review““ durch die EZB aufgedeckt werden müssen. Dort wurde jedoch nur ein Abschlag von 57 Basispunkten auf die Kernkapitalquote ermittelt – keineswegs der schlechteste Wert im Vergleich zu anderen spanischen Banken. In der New York Times hieß es nach der Pleite: „Erste Lektion: Vertraue keinen Resultaten von Banken-Stresstests.““ Das Eigenkapital der Bank löste sich praktisch über Nacht in Nichts auf. Einleger versuchten ihr Geld abzuziehen, was die Bank in eine Liquiditätskrise stürzte. All das bildet ein Stresstest nicht ab.

Handelt es sich bei den Stresstests also um eine nutzlose Trockenschwimmübung? Sicher nicht. So waren etwa die Probleme der italienischen Bank Monte de Paschi im letzten Stresstest kaum zu übersehen, auch wenn es dazu keines Stresstests bedurft hätte.

Lektion gelernt?

Die größte Veränderung, die ins Haus steht, hat mit den Stresstests gar nichts zu tun, sondern mit den zugrunde liegenden Bilanzregeln. Erstmals greift IFRS 9, ein Rechnungslegungsstandard, der die prognostizierten statt die tatsächlichen Verluste in die Berechnung der Wertminderung von Krediten und Wertpapieren einfließen lässt. Die EBA hatte bereits in zwei Studien anhand einer Stichprobe bei 53 Banken die Auswirkungen analysiert. Der negative Effekt von IFRS 9 auf die Kernkapitalquote beträgt für 86% aller befragten Institute durchschnittlich 75 Basispunkte, wobei kleinere Banken stärker betroffen sind als größere. Insgesamt liest sich das harmlos. Dennoch wird es interessant sein zu sehen, ob IFRS 9 in einem Stress-Szenario krisenverstärkend wirkt.

Wie unterscheidet sich nun das Krisenszenario des aktuellen Stresstests von dem seines Vorgängers? Es wird von einer schlimmeren Krise als in den vorherigen Tests ausgegangen. Dabei wird ein Rückgang des Bruttosozialprodukts in der EU um 8,3% in 2020 statt zuvor 7,1%, sowie eine Erhöhung der Arbeitslosenquote um 3,3% (zuvor 2,8%), ein Preisrückgang von 7,1% (zuvor 6%) und ein Einbruch der Immobilienpreise um 27,7% statt vorher 10,7% angenommen.

Der Fokus liegt auf einem abrupten und erheblichen Anstieg der Risikoprämien und daraus resultierender Verschärfungen der Finanzlage. Auch eine Negativspirale aus sinkenden Gewinnen der Banken und deren Effekt auf die Wirtschaft, der wiederum die Banken trifft, ist abgebildet. Das Szenario soll auch Brexit-Risiken enthalten, ebenso wie eine Erhöhung der Risikoprämien und Zweifel an der Schuldentragfähigkeit von Unternehmen und Staaten angesichts steigender „politischer Fragmentierung““.

Die Ergebnisse des Stresstests werden voraussichtlich im November 2018 publiziert und von den Aufsehern bei Bemessung der individuellen Aufschläge auf die Kapitalquote im Rahmen des SREP berücksichtigt. Banken werden gefragt werden, wie sie mit individuellen Schwächen umgehen und welche Maßnahmen sie zur Verbesserung treffen. Spannend wird sein, wie sich IFRS 9 in einer Krise auswirkt.

Stress mit den Stresstests

Stresstests für Banken bedeuten in erster Linie Stress bei der Erstellung. Dieser Stress kommt zu einer Zeit, in der Banken mit einer Vielzahl weiterer Änderungen und Verschärfungen im Aufsichtsrecht konfrontiert sind, die alle auf ein Krisenszenario fokussiert sind; etwa die Einführung interner Verfahren der Banken zur Beurteilung der Angemessenheit des Kapitals und der Liquidität, bei denen interne Stresstests durchgeführt und dokumentiert werden müssen.

Die Stresstests dürfen aber nicht als alleiniges Beurteilungskriterium dafür dienen, wie solide eine Bank ist: Massive Geldwäschevorwürfe durch die US-Behörden und darauf erfolgende Abflüsse von Einlagen brachten Ende Februar 2018 die drittgrößte lettische Bank ABLV zu Fall. Anders als im Fall Banca Popular fand sich niemand, der die Bank retten wollte. Außenstehende haben da natürlich wenig Einblick, aber es empfiehlt sich, neben den Stresstests auch mögliche Compliance-Verstöße einer Bank im Blick zu behalten.

 

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