US-Strafverfolger erhöhen Anreize für Selbstanzeigen

Am 29.11.17 hat das US-Justizministerium als oberste Korruptionsbekämpfungsbehörde der USA eine neue Richtlinie zur Strafverfolgung von Unternehmen veröffentlicht. Damit werden erstmals verbindlich die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Unternehmen mit einem Verzicht auf Strafverfolgung oder einem Strafnachlass rechnen können, wie Heiner Hugger und David Pasewaldt von Clifford Chance erläutern.

Die neue Richtlinie zur Strafverfolgung von Unternehmen (Corporate Enforcement Policy) beruht auf einem bereits seit April 2016 bestehenden Pilotprogramm. Schon mit ihm wurden Anreize für Unternehmen geschaffen, Verstöße gegen das US-amerikanische Bundesgesetz zur Bekämpfung von Korruption (US Foreign Corrupt Practices Act, kurz: FCPA) freiwillig offenzulegen und die Behörden bei der Aufklärung zu unterstützen. Diese Regelungen wurden nun nochmals konkretisiert und dauerhaft in die einschlägigen Leitlinien für US-Staatsanwälte (US-Attorneys‘ Manual) übernommen.

Relevant auch für deutsche Unternehmen

Die neuen Regelungen sind auch für deutsche Unternehmen relevant, denn die Korruptionsstraftatbestände des FCPA gelten unter bestimmten Voraussetzungen für Unternehmen weltweit. Dafür kann es ausreichen, wenn ausländische Unternehmen Geschäfte in den USA betreiben, sie Zahlungen in US-Dollar abwickeln oder sie an einer US-Börse gelistet sind. In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Korruptionsverfahren des Department of Justice (DOJ) gegen deutsche Unternehmen, die zum Teil mit Strafzahlungen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe endeten.

Verzicht auf Strafverfolgung oder Strafnachlass

Nach der neuen Richtlinie sind für einen Verzicht auf Strafverfolgung oder Strafmilderungen insbesondere drei Voraussetzungen maßgeblich: Zum einen muss das Unternehmen den Korruptionsverstoß zeitnah nach seiner Aufdeckung freiwillig selbst anzeigen („voluntary self-disclosure““), insbesondere nicht erst dann, wenn eine Entdeckung durch Behörden droht. Zudem muss das Unternehmen mit den Behörden vollständig kooperieren („full cooperation““), das heißt vor allem Unterlagen zur Verfügung stellen und Mitarbeiter als Zeugen benennen, die für die Ermittlungen relevant sein können. Schließlich muss das Unternehmen zeitnah erforderliche Maßnahmen ergreifen, um erneute Verstöße künftig zu verhindern („remediation““), einschließlich der Einrichtung eines effizienten Compliance-Management-Systems.

Erfüllt ein Unternehmen diese Voraussetzungen, kann es grundsätzlich mit einem Verzicht auf Strafverfolgung rechnen. Liegen ausnahmsweise erschwerende Umstände vor, die einen solchen Verzicht unangemessen erscheinen lassen, etwa weil das Top-Management in die strafbaren Vorgänge involviert oder Korruption im Unternehmen weit verbreitet war, können Unternehmen noch immer mit einem Strafnachlass von 50% rechnen. Zudem wird das DOJ auch in solchen Fällen nach der neuen Richtlinie regelmäßig darauf verzichten, dem Unternehmen den Einsatz eines unabhängigen Unternehmenskontrolleurs, eines so genannten Compliance Monitors, aufzuerlegen.

Hat ein Unternehmen den Verstoß nicht freiwillig selbst angezeigt, aber vollständig kooperiert und erforderliche Maßnahmen zur Vermeidung wiederholter Verstöße ergriffen, soll der Strafnachlass noch immer 25% betragen. Allerdings gelten diese Milderungen nicht für die tatsächlich festzusetzenden Geldstrafen. Vielmehr wird, soweit die Strafzumessungsregeln für bestimmte Verstöße Mindest- und Höchstbeträge für Geldstrafen vorsehen, der Abzug nur vom jeweiligen Mindestbetrag vorgenommen.  Gegenüber dem Pilotprogramm stellen diese Milderungen jedoch eine Verbesserung dar, weil sie bisher in das Ermessen der Strafverfolgungsbehörde gestellt waren, während sie nach der neuen Richtlinie für US-Staatsanwälte verbindlich sind.

Bisher keine vergleichbare deutsche Regelung

In Deutschland existieren bisher keine vergleichbar formalisierten allgemeinen Regelungen zu möglichen Milderungen von Unternehmenssanktionen. In der Praxis honorieren deutsche Behörden und Gerichte Selbstanzeigen, eine Kooperation mit Ermittlungsbehörden und bestehende Compliance-Management-Systeme aber insbesondere im Rahmen ihres Ermessens bei der Entscheidung über mögliche Unternehmenssanktionen, vor allem bei Unternehmensgeldbußen (§ 30 OWiG). Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 9.5.17 erstmals klargestellt, dass insoweit auch Compliance-Maßnahmen mildernd zu berücksichtigen sind, die eingerichtet wurden, nachdem Verstöße bekannt geworden sind und Ermittlungen durch Behörden bereits eingeleitet wurden.

CDU/CSU und SPD haben sich in ihrem am 7.2.18 vorgelegten Koalitionsvertrag auf eine Schaffung entsprechender gesetzlicher Regelungen geeinigt. Das Bundesjustizministerium hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode an einem entsprechenden Gesetzentwurf gearbeitet, der unter einer erneuten großen Koalition in das Gesetzgebungsverfahren gelangen soll. Auch vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen bei Verdachtsfällen interne Untersuchungen, Compliance-Maßnahmen und ein freiwilliges Offenlegen gegenüber Behörden stets sorgfältig erwägen, um drohende Unternehmenssanktionen zu vermeiden oder zu mildern.

 

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