EU-Gesellschafter können mit Erstattungen rechnen

"Am 20.12.17 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein für viele EU-Gesellschafter deutscher Kapitalgesellschaften interessantes Urteil gefällt. Auf Grund der im nationalen deutschen Recht verankerten so genannten „anti treaty shopping provision"" war bis dato in vielen Fällen keine Entlastung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer auf Dividenden an EU-Gesellschafter möglich, so z. B. bei vielen Zweckgesellschaften für deutsche Investments wie Lux S.à.r.l.‘s oder Dutch B.V.‘s. Doch durch die nun vorliegende Entscheidung des EuGH haben EU-Gesellschafter gute Chancen auf Erstattung, wie Alexander Lehnen, Partner bei Arnecke Sibeth, erläutert."

Von der Finanzverwaltung wurde betreffend der EU-Gesellschafter unterstellt, dass die von diesen erzielten Bruttoerträge nicht aus (wesentlicher) eigener Wirtschaftstätigkeit stammten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft fehlten oder die Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hat.

In diesen Fällen musste die deutsche Gesellschaft für ihre EU-Gesellschafter Kapitalertragsteuer in Höhe von 26,375%  inklusive Solidaritätszuschlag abführen, eine Entlastung durch die EU-Mutter-Tochter-Richtlinie auf 0% oder eine Reduzierung durch ein Doppelbesteuerungsabkommen auf 5% für Schachteldividenden war nicht möglich.

Vorgang muss „als Ganzes““ geprüft werden

Der EuGHargumentiert in den verbundenen Rechtssachen Deister Holding AG (C-504/16) und Juhler Holding A/S (C-613/16), dass sich die zuständigen nationalen Behörden bei der Prüfung, ob ein Vorgang Steuerhinterziehung und Missbrauch als Beweggrund hat, nicht darauf beschränken dürfen, vorgegebene allgemeine Kriterien anzuwenden. Sie müssen den Vorgang als Ganzes individuell prüfen. Eine generelle Steuervorschrift, mit der bestimmte Gruppen automatisch vom Steuervorteil ausgenommen werden, ohne dass die Steuerbehörde auch nur einen Anfangsbeweis oder ein Indiz für die Steuerhinterziehung oder den Missbrauch vorlegen müsse, ginge über das zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen Erforderliche hinaus.

Hierzu sei erstens festzustellen, dass diese Vorschrift, indem sie die Gewährung der Befreiung an ein solches Erfordernis knüpft, ohne dass die Steuerbehörde einen Anfangsbeweis für das Fehlen wirtschaftlicher Gründe oder ein Indiz für die Steuerhinterziehung oder den Missbrauch vorzuweisen hätte, eine allgemeine Missbrauchs- oder Hinterziehungsvermutung begründet. Dadurch werde das Ziel der Mutter-Tochter-Richtlinie zunichte gemacht, ausgeschüttete Gewinne im Quellenstaat freizustellen, um die Zusammenarbeit von Gesellschaften auf Unionsebene zu erleichtern. Zweitens begründe diese Vorschrift eine unwiderlegbare Missbrauchs- oder Hinterziehungsvermutung, da sie in dem Fall, in dem eine der in ihr vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt ist, der gebietsfremden Muttergesellschaft nicht die Möglichkeit lässt, das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe zu beweisen. Drittens begründeten diese Voraussetzungen keinen Missbrauch oder keine Hinterziehung. Die Mutter-Tochter-Richtlinie schreibe nämlich nicht vor, welche wirtschaftliche Tätigkeit die von ihr erfassten Gesellschaften ausüben müssen oder wie hoch die Einkünfte aus ihrer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit zu sein haben.

Zeitliche Anwendung

Das Urteil betrifft alle Fälle bis 2011; für diese ist die Vorschrift EU-rechtswidrig. Da jedoch schon ein Folgeverfahren für den Zeitraum ab 2012 beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist und die Vorschrift zwar 2012 angepasst, jedoch nicht fundamental geändert wurde, bestehen große Chancen, dass auch diese Nachfolgevorschrift EU-rechtswidrig ist. Hierzu fällt die Entscheidung voraussichtlich noch in diesem Jahr.

Praktische Folgen

Für ab 1.1.14 zulasten von EU-Gesellschaftern deutscher Kapitalgesellschaften einbehaltene Kapitalertragsteuer besteht die Chance auf Erstattung. Für das Jahr 2014 muss der Antrag hierfür bis spätestens Ende 2018 beim Bundeszentralamt für Steuern eingereicht werden. Es ist daher empfehlenswert, den Antrag für 2014 noch bis Herbst 2018 zurückzustellen, da bis dorthin hoffentlich das für die Jahre ab 2012 anwendbare EuGH-Verfahren abgeschlossen sein wird. Dann besteht eine direkte Anspruchsgrundlage. Für die Jahre bis einschließlich 2013 ist die Antragsfrist leider am 31.12.17 abgelaufen.

Auswirkungen auf Investitionsstrukturen

Bisher wurden bei Investments, bei denen Unsicherheit betreffend der Erstattung bzw. Reduzierung des Kapitalertragsteuerabzugs bestand, häufig alternative Strukturen genutzt, um ein „Tax Leakage““ zu vermeiden. Meistens wurden deutsche Investitionsobjekte mittels Strukturen einer GmbH & Co. KG oder über europäische Gesellschaftsformen ohne deutschen Geschäftsleitungssitz erworben, bei Immobilieninvestments beispielsweise geschieht dies über luxemburgische (Société à responsabilité limitée, kurz S.à.r.l.) oder niederländische (Besloten Vennootschap, kurz B.V.) Kapitalgesellschaften. Dies sollte in vielen Fällen in Zukunft nicht mehr notwendig sein, da Deutschland künftig keine Kapitalertragsteuer mehr einbehalten darf. GmbHs werden für EU-Gesellschafter damit wieder eine attraktivere Rechtsform.

 

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