Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen

Die Entscheidung des Große Senat des Bundesfinanzhofs (GrS) vom 28. November 2016 stellt die Restrukturierungspraxis vor erhebliche Probleme. Der GrS hatte in diesem Beschluss die Anwendung des sog. Sanierungserlasses der Finanzverwaltung verworfen. Hiernach konnten unter bestimmten Voraussetzungen Steuern auf Sanierungsgewinne aus dem Forderungserlass gestundet und erlassen werden. Norbert Mückl und Christian Port von Baker McKenzie erläutern die geplante gesetzliche Normierung der Besteuerung von Sanierungsgewinnen, die der Bundestag nun als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung am 27. April 2017 beschlossen hat.

Durch den Erlass von Forderungen entsteht auf Ebene des Schuldners einer Verbindlichkeit ein Buchgewinn, ohne dass hiermit ein entsprechender Liquiditätszufluss einhergeht. Sofern die Maßnahme betrieblich veranlasst ist, unterliegt der Buchgewinn der Besteuerung mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Eine Besteuerung dieses Buchgewinns bei Unternehmen in Krisensituationen (sog. Sanierungsgewinn) erschwert Sanierungen indes erheblich. Bisher diente der sog. Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums als Grundlage, um entsprechende Steuern zunächst als Billigkeitsmaßnahme zu stunden und sie schließlich zu erlassen. 

Der Bundesfinanzhof entschied am 28. November 2016, dass der Sanierungserlass nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar sei. Maßgebliche Erwägung des Gerichts hierfür war, dass typisierende Regelungen ohne Einzelfallprüfung vom Gesetzgeber selbst und nicht von der Finanzverwaltung getroffen werden müssten. Der Bundestag hat nun eine Neureglung der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen durch Einführung eines neuen § 3a EStG und § 3a GewStG im Rahmen des „Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ beschlossen.

Gemäß dem neuen § 3a EStG sollen Sanierungserträge aus einem Schulderlass zum Zweck einer unternehmensbezogenen Sanierung steuerfrei sein. Eine solche liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schulderlasses und die Sanierungsabsicht nachweist. Zudem muss der Unternehmer im Sanierungsjahr und im Folgejahr bestehende steuerliche Wahlrechte (z. B. sog. Teilwertabschreibungen) steuermindernd ausüben. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass ein möglichst großes Verlustausgleichsvolumen zur Verfügung steht, mit dem der Sanierungsertrag zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung zu verrechnen ist.

Entscheidung der EU-Kommission steht noch aus
Die Steuerbefreiung steht nämlich nicht alleine. Zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung ist vorgesehen, dass bis zur Höhe des um bestimmte Sanierungskosten geminderten Sanierungsertrages bestehende Verlustverrechnungspotenziale (etwa laufende Verluste oder Verlustvorträge) aus den Vorjahren, dem Sanierungsjahr und dem Sanierungsjahr folgenden Jahr wegfallen. Außerdem dürfen Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsgewinn in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (etwa Sanierungskosten und Zahlungen auf Besserungsscheine), nicht abgezogen werden. Die gewerbesteuerliche Regelung ist entsprechend ausgestaltet. Die Neuregelung soll für alle Fälle anzuwenden sein, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017 erlassen wurden. Sie tritt jedoch erst dann in Kraft, wenn die Europäische Kommission nach einer entsprechenden Notifizierung beschließt, dass sie mit den Regelungen des EU-Beihilferechts vereinbar ist.

Einheitliche Regelung macht Sinn
Die Neuregelung ist im Grundsatz zu begrüßen. Sofern sie in Kraft tritt, wird, anders als bisher, einheitlich eine Befreiung der auf Sanierungsgewinne anfallenden Einkommen-/Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuer erreicht werden können. Im Gegensatz zu einem zunächst diskutierten Gesetzentwurf sieht die nun verabschiedete Regelung vor, dass bei Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nicht mehr pauschal sämtliche steuerlichen Verluste des Krisenunternehmens entfallen, sondern dass Verlustverrechnungspotenziale lediglich im Umfang des Sanierungsertrages nicht mehr nutzbar sind. Durch die umfassende Auflistung von Verlustverrechnungspotenzialen im Gesetz erfolgt die Abkehr von der pauschalen Regelung jedoch zu Lasten des Komplexitätsgrads der Vorschrift, der nun erheblich gestiegen ist. Zudem können nach der beschlossenen Gesetzesfassung unter bestimmten Bedingungen nun auch Verluste und vergleichbare Positionen von nahestehenden Personen untergehen.

Ebenfalls mit Datum vom 27. April 2017 hat das Bundesfinanzministerium zum Schicksal des Sanierungserlasses Stellung bezogen und gewährt danach für Altfälle weitgehend Vertrauensschutz. Wenn der Forderungsverzicht bis einschließlich 8. Februar 2017 endgültig vollzogen wurde, soll der Sanierungserlass danach weiterhin uneingeschränkt anwendbar sein. Auch wenn bis zu diesem Stichtag zur Anwendung des Sanierungserlasses eine verbindliche Auskunft oder Zusage erteilt wurde, soll diese aufrecht erhalten bleiben, wenn bis zur Entscheidung über eine Aufhebung oder Rücknahme der Forderungsverzicht im Wesentlichen vollzogen wurde oder anderweitige Vertrauensschutzgründe vorliegen.

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