Social Media – Aufsichtsratssitzung per WhatsApp?

Moderne Kommunikationsmittel bieten heutzutage die Möglichkeit, Gedanken weltweit in Echtzeit auszutauschen. Um gleichzeitig zu kommunizieren, ist die gegenseitige Anwesenheit der Gesprächspartner in einem Raum nicht mehr erforderlich. Auch die physische Präsenz aller Aufsichtsratsmitglieder könnte daher für das Abhalten einer Aufsichtsratssitzung entbehrlich sein – oder nicht? Thomas Hey, Partner der Kanzlei Bird & Bird, wirft einen Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen von Social Media im Unternehmen.

Das ursprüngliche Verständnis einer Sitzung als Zusammentreffen von verschiedenen Personen an einem Konferenztisch ist überholt. Das Bedürfnis nach Spontanität und Flexibilität betrifft auch Aufsichtsratsmitglieder. Für die Frage, ob z. B. eine WhatsApp-Chatgruppe eine Alternative zur klassischen Präsenzsitzung darstellen kann, ist entscheidend, welchen Zweck die Aufsichtsratssitzung erfüllen soll. Aufsichtsratssitzungen dienen der ordnungsgemäßen Erfüllung der Überwachungspflichten, die der Aufsichtsrat gegenüber Geschäftsführung bzw. Vorstand ausübt. Die Entscheidungsfindung erfolgt durch Beschlüsse. Eine Beschlussfassung ist gemäß § 108 Abs. 4 AktG schriftlich, fernmündlich oder in anderen vergleichbaren Formen möglich. Setzte eine Aufsichtsratssitzung nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers noch die physische Anwesenheit aller Aufsichtsratsmitglieder voraus, ist heute auch die Durchführung einer Telefon- oder Videokonferenz ausreichend (§ 110 Abs. 3 AktG). Davon unabhängig gilt jedoch der Grundsatz, dass es sich bei einer Aufsichtsratsmitgliedschaft um ein höchstpersönliches Mandat handelt, d. h. die Aufgaben der Mitglieder dürfen nicht durch andere Personen ausgeübt werden. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass Aufsichtsratssitzungen nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr zwingend gemeinsam an einem Ort abgehalten werden müssen. Die Verwendung moderner Kommunikationsmittel ist zur Erfüllung der Aufgaben des Aufsichtsrats grundsätzlich zulässig.

Beschlussfassung per Chat stößt schnell an Grenzen

Um Beschlüsse fassen zu können, müssen sich die Aufsichtsratsmitglieder zunächst über die Sachlage austauschen. Mittels Chatnachrichten in einer WhatsApp-Gruppe könnte man sich das so vorstellen, dass die Aufsichtsratsmitglieder zu einem zuvor vereinbarten Zeitpunkt Nachrichten in der speziell eingerichteten Gruppe „Aufsichtsrat des Unternehmens A“ versenden. Ein Meinungsaustausch wäre so möglich.

Vergleicht man den Austausch von Chatnachrichten jedoch mit einem Gespräch unter Anwesenden, zeigen sich deutliche Nachteile. Denn Kommunikation beschränkt sich nicht nur auf die geäußerten Worte, auch die Intonation ist entscheidend: Lautstärke, Betonung und Körpersprache geben der eigentlichen Aussage oft eine andere Bedeutung. Um Emotionen auszudrücken, könnten in Chatnachrichten so genannte Emojis verwendet werden. Häufig können Emojis eine Aussage auch verschärfen oder abmildern. Es besteht aber die Gefahr, dass der Chatpartner die Chatnachricht und die Emojis ganz anders interpretiert, als vom Erklärenden gewollt. Weiterer Nachteil des Gruppenchats: Wenn parallel mehrere Personen Nachrichten in eine Gruppe schreiben, wird der Chatverlauf oft unübersichtlich, weil nicht erkennbar ist, auf welche Nachricht sich eine Antwort bezieht.

Relevant ist auch, wie versiert man im Umgang mit dem Mobiltelefon ist. Wer die Tastatur gut bedienen kann, hat die Möglichkeit, seine Meinung schneller und fehlerfrei zu übermitteln. Wer erst mühsam jedes Zeichen eingeben muss, wird durch den ständigen Eingang von neuen Textnachrichten häufig abgelenkt. So kann derjenige das Chatgespräch dominieren, der am besten mit seinem Smartphone umgehen kann. Im Unternehmensalltag kann die Nutzung einer WhatsApp-Gruppe demnach keine Sitzung ersetzen. Unabhängig vom praktischen Nutzen stellen Messengerdienste wie WhatsApp zudem auch die Frage nach der Gewährleistung des Datenschutzes. Es entsteht das Risiko, dass Daten abgesaugt werden und damit in falsche Hände geraten. Daher ist sehr gründlich zu prüfen, ob alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen und Anforderungen erfüllt sind, bevor derartige Dienste eingesetzt werden.

Social Media kein Ersatz für persönliches Gespräch

Moderne Kommunikationsmittel bieten unbestreitbare Vorteile. Aufsichtsratssitzungen könnten so flexibel abgehalten werden. Die Aufsichtsratsmitglieder müssten keine langen Anfahrtszeiten auf sich nehmen, wodurch nicht nur Zeit eingespart wird, sondern auch Reisekosten vermieden werden. Die Fortschritte der Kommunikationstechnik sollten daher erkannt und genutzt werden. Dennoch sind die Grenzen eng gesteckt. Angesichts des in aller Regel brisanten, hochvertraulichen und teilweise personenbezogenen Datenaustauschs und der Höchstpersönlichkeit der Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist mit modernen Kommunikationsmitteln Vorsicht geboten. Im Ergebnis gilt daher: Nur Telefon- und Videokonferenzen sind gesetzlich zugelassen, wobei auch bei Telefonkonferenzen sehr sorgfältig auf die Höchstpersönlichkeit und die Vertraulichkeit der Sitzung zu achten ist. Alle anderen Wege, eine Aufsichtsratssitzung – außer natürlich in der Präsenzsitzung – aufzusetzen, sind (noch) unzulässig.

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