Geplantes Fachkräfteeinwanderungs-gesetz geht an der Realität vorbei

Mit ihren kürzlich vorgestellten Eckpunkten für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz will die Bundesregierung ausländischen Arbeitskräften aus Drittstaaten besseren Zugang nach Deutschland verschaffen und ein Signal an Talente aus der ganzen Welt richten. Dabei verzichtet die Regierung auf ein Punktesystem. „Dies ist angesichts der Rahmenbedingung zu begrüßen“, meint Marius Tollenaere, Senior Manager und Rechtsanwalt bei Fragomen Global LLP.

„Denn nach wie vor wird für die Erteilung eines Arbeitsvisums ein konkretes Stellenangebot gefordert. Solange dies der Fall ist, ist unser derzeitiges System ausreichend besser.“ Hier kommt es in der Regel nämlich nur auf zwei Voraussetzungen an: ein Stellenangebot mit bestimmtem Mindestgehalt und einen der Rolle angemessenen Abschluss. Ein Punktesystem würde hier aus Sicht des Einwanderungsrechtsexperten nur für bürokratischen Mehraufwand und größere Rechtsunsicherheit sorgen.

Viel bedeutender als ein unnötiges Überstülpen der bestehenden Regeln mit einem Punktesystem sei die Erweiterung der Einwanderungsmöglichkeiten ohne konkretes Stellenangebot, so Tollenaere weiter. Hier wurde während der Verhandlungen um die Eckpunkte beabsichtigt, bei dem schon bestehenden Arbeitssuchevisum die Erwerbstätigkeit während der Suchphase zuzulassen und zwar auch unter dem eigentlichen Qualifikationslevel. Diese Idee schaffte es allerdings nicht in das finale Eckpunktepapier, obwohl mit einer Arbeitsmarktöffnung für einfachere Stellen einer der Realitäten von Migration Rechnung hätte getragen werden können. Denn das Einwandern in ein fremdes Arbeitssystem geschieht in der Regel mit Reibungsverlusten hinsichtlich Wissen, Sprache und Anerkennungen. Im Einzelfall bedeutet das oft den anfänglichen Arbeitsmarkteinstieg unter der eigentlichen Qualifikation.

Im Mittelstand sollen sich die Anstellungsmöglichkeiten von Ausländern für die Ausbildung und für nicht-akademische Fachkräfte erweitern. Geduldeten abgelehnten Asylbewerbern, die in Ausbildung sind, sollen konkretere Bleibeperspektiven eröffnet und so die Rechtssicherheit erhöht werden. Langfris-tig wird sich eventuell auch der weltweite Interessentenpool vergrößern, da man sich noch stärker um die Förderung der deutschen Sprache im In- und Ausland bemüht.

Auch Abschlussanerkennungsverfahren sollen effizienter werden. „Leider wurde hier die Gelegenheit verpasst, vom Zwang zur Anerkennung in nicht-reglementierten Berufen abzusehen“, bemängelt Tollenaere die Pläne. Vielmehr soll in Zukunft jeglicher Abschluss geprüft werden. Dies werde aus Sicht Tollenaeres aber dazu führen, dass keine nennenswert größeren Zahlen an Fachkräften nach Deutschland kommen werden. „Das deutsche Anerkennungssystem ist auf die duale Ausbildung ausgelegt. Da diese international wenig verbreitet ist und andere Systeme stärker auf Lernen durch Erfahrung setzen, werden die Visumerteilungszahlen nicht im gewünschten Maße in die Höhe schnellen.“ Ob das geplante Gesetz nennenswerte Signalwirkung entfalten wird, bleibe daher abzuwarten. „Sein Inhalt ist jedenfalls nicht geeignet, große Änderungen herbeizuführen“, so Tollenaeres Fazit.

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