UK Stewardship Code als Vorbild für ganz Europa?
Seit der Finanzmarktkrise mehren sich die Rufe, dass institutionelle Anleger sich stärker als verantwortliche Eigentümer gegenüber Gesellschaften, an denen sie beteiligt sind, engagieren und einen aktiveren Part im Rahmen der Corporate Governance übernehmen sollen. In Großbritannien wurden im Juli 2010 mit dem UK Stewardship Code Wohlverhaltensregeln für institutionelle Anleger verabschiedet. Die Europäische Kommission erwägt unter Berufung hierauf eine Selbstverpflichtung institutioneller Anleger. Uwe H. Schneider und Stefanie Burkhardt von Schmitz & Partner Rechtsanwälte in Frankfurt setzen sich mit der Frage der Praktikabilität und der Vorbildeignung des Stewardship Code auseinander.
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Aktionäre haben zwar Rechte, in der Regel aber keine Pflichten, und zwar weder gegenüber der Gesellschaft noch gegenüber Dritten. Das gilt auch für institutionelle Anleger, also Investmentfonds, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds. Sie sind heute in erster Linie die Aktionäre der großen Unternehmen. Wir sind auf dem Weg in den Pensionskassenkorporatismus. Überwiegend verhalten sich diese institutionellen Anleger aber heute noch passiv. Häufig werden lediglich kurzfristige Gewinninteressen verfolgt.
Im Zuge der Finanzmarktkrise ist freilich das Bewusstsein gewachsen, dass institutionelle Anleger nicht nur gegenüber ihren eigenen Anlegern als Treuhänder die Pflicht haben, ihr Vermögen angemessen zu verwalten, sondern auch, dass sie Verantwortung gegenüber den Unternehmen tragen, bei denen sie investiert sind. Die gesellschaftspolitischen Rufe, einen Verhaltenskodex für institutionelle Anleger zu schaffen, haben daher deutlich zugenommen. Großbritannien hat hierauf mit seinem im Juli 2010 verabschiedeten UK Stewardship Code reagiert und nimmt damit eine Vorreiterrolle ein.
Sieben Wohlverhaltensregeln des Stewardship Code
Der Stewardship Code beinhaltet einen Katalog von sieben Wohlverhaltensregeln. Institutionelle Investoren sollen offenlegen, in welchem Ausmaß und auf welche Weise sie Aktionärsverantwortung übernehmen. Ferner sollen die institutionellen Anleger Bewältigungsstrategien für kundenbezogene Interessenkonflikte bereithalten und offenlegen. Institutionelle Anleger sollen Gesellschaften, an denen sie sich beteiligen, aktiv überwachen. Zudem sollen sie klare Richtlinien entwickeln, unter welchen Umständen sie sich verstärkt in Unternehmensangelegenheiten einmischen. In angemessenen Fällen sollen sie bereit sein, mit anderen Investoren gemeinsam zu handeln. Außerdem sollen die institutionellen Anleger über eine klare Stimmrechtsausübungspolitik verfügen und ihr Stimmverhalten kundtun. Schließlich sollen sie regelmäßig gegenüber ihren Kunden über Verantwortungsübernahme und Stimmverhalten berichten.
Der Kodex stellt nur eine unverbindliche Anwendungsempfehlung dar. Die Forderung lautet aber, dass im Sinne eines „comply or explain“ dargelegt werden soll, ob und inwieweit den Kodexempfehlungen gefolgt wird. Die in England zugelassenen Vermögensverwaltungsgesellschaften müssen schon heute nach den Bestimmungen der britischen Finanzaufsicht erklären, inwieweit sie den Regeln folgen oder von ihnen abweichen. Seit Einführung des Stewardship Codes im vergangenen Jahr liegen 177 positive Entsprechenserklärungen vor.
Der Stewardship Code hat bei der Europäischen Kommission Zustimmung gefunden. Schon im „Grünbuch zur Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“ vom 2.6.10 stellt die Kommission Überlegungen zu einer „Selbstverpflichtung der institutionellen Kapitalanleger auf Verhaltenskodizes („Stewardship Codes“)“ an, um diese zu einer stärkeren Verantwortung für und Kontrolle der Geschäftsleitung zu bewegen. Auch im „Grünbuch zum europäischen Corporate Governance Rahmen“ vom 5.4.11 finden sich Überlegungen dazu, auf welche Weise institutionelle Anleger dazu gebracht werden können, sich stärker an der Aufsicht über das Management und damit der Gesellschaften, in denen sie investiert sind, zu beteiligen und ihr Abstimmungsverhalten an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung auszurichten.
Nicht revolutionär, aber der richtige Weg
Die sieben Wohlverhaltensregeln sind gewiss nicht revolutionär, aber sie sind ein Weg in die richtige Richtung. Zum einen wird deutlich, dass sich gute Corporate Governance nicht auf den Vorstand und den Aufsichtsrat beschränkt. Aktionäre tragen ihrerseits Verantwortung, was nicht gleich in Pflichten verdichtet werden muss. Zum Zweiten lassen die Regeln den institutionellen Anlegern Raum, wie sie ihre eigenen Richtlinien ausformulieren. Nicht unproblematisch wäre auch formelhaftes Abstimmungsverhalten, wie dies bei professionellen Stimmrechtsvertretern zu beobachten ist. Schließlich ist aber auch daran zu erinnern, dass das deutsche Aktienrecht eine klare Aufgabentrennung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung enthält. Dazu gehört, dass die Hauptversammlung keine Zuständigkeit hat, sich in die Unternehmensleitung einzuschalten. Allen Versuchen, an dieser Aufgabenteilung zu rütteln, ist zu widersprechen – auch institutionellen Anlegern, die sich gerne das eine oder andere Mal in die Unternehmenspolitik einmischen möchten. Die Selbstverpflichtungen der institutionellen Kapitalanleger können nur im Rahmen des geltenden Aktienrechts ausformuliert werden.
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