Indien reformiert Recht für Öffentliche Übernahmen

Für 2011 wird in Indien mit einem Wirtschaftswachstum von über 9% gerechnet. Experten schätzen, dass Indien beim Wirtschaftswachstum China bereits 2012 überholen wird. Insbesondere deutsche Unternehmen haben Indien als Absatzmarkt der Zukunft erkannt. Dabei dürfte der „schnelle Weg nach Indien“ durch den Erwerb eines indischen Unternehmens in naher Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Benjamin Parameswaran, Partner bei DLA Piper und Co-Head der India Group für Kontinentaleuropa, gibt einen Überblick zur Reform des indischen Rechts für Öffentliche Übernahmen, die am 23.10.11 als „Takeover Regulations 2011“ in Kraft treten wird.

Nach der Neuregelung ist ein Investor, der mindestens 25% (zuvor 15%) der Stimmrechte einer indischen börsennotierten Gesellschaft erwirbt, künftig zur Abgabe eines öffentlichen Angebots an die Aktionäre der Zielgesellschaft verpflichtet. Anders als nach deutschem WpÜG können Aktionäre, die zwischen 25 und 75% der stimmberechtigten Aktien an einer indischen Gesellschaft halten, nur durch schleichende Erwerbe (creeping acquisitions) von bis zu 5% jährlich ihre Beteiligung aufstocken, ohne ein weiteres Pflichtangebot abgeben zu müssen. Zudem sieht das neue Recht für Investoren eine Obergrenze von 75% der Stimmrechte einer Gesellschaft vor. Ein Investor muss unabhängig von Stimmrechten auch dann ein Pflichtangebot abgeben, wenn er anderweitig Kontrolle über das börsennotierte Unternehmen erlangt. Dabei ist der Kontrollbegriff der Takeover Regulations sehr weit gefasst: Grundsätzlich schließt er jegliches Sonderrecht mit ein, durch das ein Aktionär gegenüber anderen Aktionären bevorzugt behandelt wird. Ob hier schon negative Kontrolle genügt, wird derzeit vor dem indischen Supreme Court verhandelt.

Nach den Takeover Regulations 2011 können zudem nur bestehende Aktionäre der Zielgesellschaft freiwillige Angebote unterbreiten, die bereits zwischen 25 und 75% der Stimmrechte der Gesellschaft halten. Erstmals gelten für solche Angebote auch Sonderregelungen, die allerdings nicht immer nachvollziehbar oder sinnvoll erscheinen: So dürfen nur solche Aktionäre ein Übernahmeangebot abgeben, die in den vergangenen 52 Wochen keine Aktien durch creeping acquisitions erworben haben. Ferner unterliegt der Investor einem harten Nacherwerbsverbot für sechs Monate nach Abschluss des Übernahmeangebots. Der Mindestumfang für freiwillige Übernahmeangebote beträgt 10%, wobei die Schwelle von 75% der Stimmrechte auch hier nicht überschritten werden darf. Konkurrierende Angebote schließlich können nur innerhalb von 15 Werktagen nach Abgabe des ersten öffentlichen Angebots abgegeben werden. Der Umfang eines konkurrierenden Angebots muss den des ersten Angebots überschreiten. Eine Mindestannahmeschwelle ist nur zulässig, wenn auch das erste Angebot unter einer solchen Bedingung steht.

Umfang des Angebots und Höhe der Gegenleistung

Bei Übernahme- und Pflichtangeboten nach dem deutschen WpÜG ist sämtlichen Aktionären der Zielgesellschaft ein Exit zu ermöglichen. Anders künftig in Indien: Dort hat der Investor bei Pflichtangeboten ein Angebot für mindestens weitere 26% der Aktien der Zielgesellschaft abzugeben (zuvor: 20%). Bei freiwilligen Übernahmeangeboten gilt der Mindestumfang von 10%. Von wirtschaftlich zentraler Bedeutung ist die Frage nach der Höhe der Gegenleistung. Nach den neuen Regelungen gilt als Mindestpreis der höchste der folgenden Werte:

• der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft der letzten 60 Handelstage;
• der Preis, zu dem die Aktien erworben wurden, die das Angebot auslösen;
• der gewichtete Durchschnittspreis, den der Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen in den letzten 52 Wochen für Aktien der Zielgesellschaft gezahlt haben;
• der höchste Preis, den der Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen in den letzten 26 Wochen für Aktien der Zielgesellschaft gezahlt haben.

Auch die Möglichkeit, bestimmten Aktionären eine Prämie in Form einer Non-compete Fee zu zahlen, entfällt. Das alte Recht sah die Möglichkeit eines Preisaufschlags von bis zu 25% vor.

Verhaltens- und Offenlegungspflichten

Die Takeover Regulations 2011 sehen eine aktive, wenngleich neutrale Rolle der Zielgesellschaft während des Angebotsprozesses vor. Ein Komitee unabhängiger Directors der Zielgesellschaft hat neuerdings (ähnlich wie im deutschen Recht) eine begründete Stellungnahme an die Aktionäre abzugeben und sich darin zu dem Angebot des Investors zu äußern.
Ähnlich wie das deutsche WpHG kennt das indische Recht auch Offenlegungspflichten beim Erwerb von Aktien börsennotierter Gesellschaften, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. In Indien ist die Eingangsschwelle bei 5%, danach in 2%-Schritten anzuzeigen. Auch der Erwerb von Wandelinstrumenten ist anzeigepflichtig.

Fazit

Die Reform des indischen Übernahmerechts geht zum Teil nicht so weit, wie dies aus Praktikersicht wünschenswert gewesen wäre. Insbesondere, dass ein Delisting verbunden mit einem Squeeze-Out von Minderheitsaktionären im Anschluss an ein öffentliches Angebot nicht umgesetzt wurde, ist für ausländische Investoren enttäuschend. Dies mag die Attraktivität von Transaktionen im Einzelfall schmälern, nicht aber die Notwendigkeit eines Engagements im indischen Markt.

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