Gastbeitrag

Post-Brexit – Das ändert sich bei den Markenrechten

Anna-Kristine Wipper
Anna-Kristine Wipper © KPMG Law

_ Am 31.12.20 war „IP Completion Day“: Mit den sperrig benannten „Intellectual Property (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2020“ setzte das Vereinigte Königreich die Bestimmungen des Austrittsabkommens mit der EU um, soweit sie gewerbliche Schutzrechte betreffen: z. B. Unionsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmuster und EU-Domains. Was das für die Praxis bedeutet, erläutert Anna-Kristine Wipper, Partnerin der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Leiterin der Praxisgruppe IP-Recht.

Unionsmarken und international registrierte (IR-)Marken mit Schutz in der EU haben im Vereinigten Königreich zwar ihre Geltung verloren, gelten aber als nationale britische Marken weiter. Die Umwandlung in nationale Marken erfolgte Ende 2020 ohne Zutun oder Kosten für die Inhaber. Die neu entstandenen nationalen Marken behalten zunächst ihre ursprünglichen Anmelde-, Prioritäts- und Senioritätsdaten. Auch die Schutzdauer bleibt zunächst unverändert. Sogar die rechtserhaltende Nutzung der Unionsmarke außerhalb des Vereinig-ten Königreichs gilt ebenso für die aus der Unionsmarke neu entstandene nationale britische Marke, und zwar selbst dann, wenn die Unionsmarke im Vereinigten Königreich vor dem IP Completion Day noch nicht rechtserhaltend genutzt wurde.

Anders stellt sich die Rechtslage für angemeldete Unionsmarken dar, die noch nicht eingetragen sind. Hier greift kein Automatismus – der Inhaber muss selbst tätig werden. Innerhalb von neun Monaten nach dem IP Completion Day kann er beim britischen Markenamt beantragen, dass die angemeldete Unionsmarke in eine nationale britische Marke umgewandelt wird. Hierfür fallen die üblichen Gebühren an. Das Gleiche gilt für internationale Registrierungen, deren Schutzgewährung in der EU noch aussteht.

Regelungen für Geschmacksmuster und Domains

Auch aus eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern sind automatisch neue nationale britische Geschmacksmuster entstanden. Sie behalten ihre Verlängerungs-, Anmelde- und Prioritätsdaten aus den Gemeinschaftsgeschmacksmustern, aus denen sie hervorgegangen sind. Und auch hier gelten Besonderheiten für angemeldete, aber noch nicht eingetragene Geschmacksmuster: Innerhalb von neun Monaten ab 31.12.20 können Anmelder von Gemeinschaftsgeschmacksmustern die Eintragung eines britischen Geschmacksmusters beantragen.

Im Vereinigten Königreich kann durch Offenbarung ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster entstehen. Dieses Geschmacksmuster besitzt im Unterschied zum nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster eine längere Schutzdauer von zehn Jahren ab dem ersten Verkauf oder von 15 Jahren ab dem Zeitpunkt seiner Schöpfung (es gilt der jeweils kürzere Zeitraum). Nicht eingetragene Gemeinschafts-geschmacksmuster, die vor dem IP Completion Day in der EU entstanden sind, gelten als „ergänzendes nicht eingetragenes Geschmacksmuster“ bis zum Ende ihrer nach EU-Recht geltenden Schutzdauer im Vereinigten Königreich weiter.

EU-Domains werden von der European Registry of Internet Domain Names (EURid) verwaltet. .eu-Domains können nur von natürlichen Personen, die Bürger eines EU-Mitgliedstaates sind oder ihren Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat haben, und von Unternehmen und Organisationen mit Sitz in der EU registriert werden. Seit April 2021 werden EU-Domains eingezogen, deren Inhaber diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Ab dem 1.1.22 werden deshalb sämtliche Domains, die zuvor an einen britischen Registranten vergeben wurden, automatisch wieder verfügbar und können erneut registriert werden. Ferner können britische Markenrechte .eu-Domains nicht mehr entgegengehalten werden. Britische Domains können von jedem Antragsteller überall auf der Welt ohne territoriale Einschränkung registriert werden.

Nächste Schritte für Rechteinhaber

Unionsmarkeninhaber und -anmelder müssen nun erstmals gesondert über den Schutz ihrer Marken in UK entscheiden, ggf. nationale Marken anmelden und die Schutzdauern ihrer britischen Marken gesondert überwachen und verlängern. Sie sollten ferner ihre Lizenz- und sonstigen Vereinbarungen mit UK-Vertragspartnern, die Marken oder Geschmacksmuster zum Gegenstand haben, auf Anpassungsbedarf prüfen. Vorsicht ist auch in marken- und geschmacksmusterrechtlichen Rechtsstreitigkeiten geboten, denn die britischen Gesetze werden sich von nun an unabhängig vom Unionsrecht entwickeln und Entscheidungen des EuGH sind nicht länger bindend.

Unternehmen sollten sorgfältig prüfen, wie, wann und wo ein Geschmacksmuster erstmals offenbart wird. Für die Entstehung eines nicht eingetragenen britischen Geschmacksmus-ters ist es erforderlich, dass die Offenbarung im Vereinigten Königreich (und nicht etwa in der EU!) erfolgt. Umgekehrt führt die dortige Offenbarung nicht zur Entstehung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

EU-Bürger mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich, die Inhaber einer .eu-Domain sind, müssen ihre Registrierungsdaten aktualisieren und ihre EU-Staatsbürgerschaft nachweisen. In UK ansässige Unternehmen, die einen .eu-Domainnamen registrieren lassen möchten, müssen einen Weg finden, um die Voraussetzungen zu erfüllen. In Frage kommt, die Domain durch ein in der EU ansässiges verbundenes Unternehmen registrieren zu lassen, einen europäischen Vertreter als administrativen Ansprechpartner zu benennen oder den Webverkehr auf eine alternative Top-Level-Domain wie .com umzuleiten.

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