„Kanzleien werden sich klarer positionieren müssen“

Die vergangenen zehn Jahre waren nicht nur für Unternehmen und die Finanzwirtschaft eine turbulente Zeit, sondern haben auch die großen Wirtschaftskanzleien vor neue Herausforderungen gestellt. PLATOW Recht hat mit Georg Seyfarth und Dirk H. Bliesener, Managing Partner bei Hengeler Mueller, über die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Rechtsberatung und für ein erfolgreiches Kanzleimanagement gesprochen.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Mandatsarbeit in den vergangenen zehn Jahren verändert?

Georg Seyfarth: Vor zehn Jahren befanden wir uns mitten in einer globalen Finanzkrise, die sich auf das gesamte internationale Wirtschaftsleben ausgewirkt hat. In vielen Industrien hat sich die Regulierung verschärft, was generell zu einem erhöhten rechtlichen Beratungsbedarf geführt hat. Während vor der Krise ein Boom an strukturierten Finanzierungen und Verbriefungen zu verzeichnen war, sehen wir heute einen Schwerpunkt bei großen Compliance-Untersuchungen.

Dirk H. Bliesener: Während sich der Markt für Rechtsdienstleistungen insgesamt vergrößert hat, hat sich parallel dazu auch der Wettbewerb weiter verschärft. Eine neue Entwicklung ist, dass sich die Rechtsabteilungen heute bisweilen bei der Mandatierung von ihren Einkaufsabteilungen unterstützen lassen. In großen Unternehmen sehen wir in diesem Zusammenhang auch den Trend zu „Panels““, die kostensenkend wirken sollen. Zugleich hat die Segmentierung des rechtlichen Beratungsmarkts zugenommen zwischen der Beratung in komplexen Transaktionen oder großen Gerichtsverfahren einerseits und der alltäglichen Unterstützung von Rechtsabteilungen in Standardsituationen andererseits.

Was heißt das für ein erfolgreiches Kanzleimanagement?

Seyfarth: Hengeler Mueller reagiert auf die veränderten und gestiegenen Anforderungen der Mandanten durch Innovation und die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Innovation bedeutet, dass wir (nicht selten auch IT-gestützt) auf veränderte Bedürfnisse der Mandanten eingehen, etwa bei der Durchsicht großer Datenmengen im Rahmen von komplexer Litigation oder Internal Investigations. Konzentration auf Kernkompetenzen heißt, dass wir in den für unsere Mandanten strategisch wichtigen Feldern die juristische Expertise, Kreativität und Integrität der Rechtsberatung sicherstellen, die Mandanten von uns erwarten. Das ist eine stetige Aufgabe, bei Hengeler Muller traditionell getragen durch praxis- und standortübergreifende Zusammenarbeit der Anwälte sowie unternehmerischen Geist und ein hohes Maß an Eigeninitiative.

Die Digitalisierung hält auch Einzug in den Anwaltsberuf. Wie wirkt sich das auf das Berufsbild aus?

Bliesener: Dank dem zunehmenden Einsatz moderner Technologien sind wir heute in der Lage, große Datenmengen schneller zu erfassen und effizienter zu bearbeiten. Dadurch entstehen in vielen Bereichen, wie beispielsweise der IT-Forensik, neue Berufsfelder für Juristen. Die Digitalisierung beschleunigt insbesondere repetitive Arbeitsprozesse, steigert die Effizienz und hilft bei deren Optimierung. Doch die Kernaufgabe eines Juristen, das Recht in immer neuen Zusammenhängen anzuwenden, ist nicht an Rechner delegierbar

Neben den sich verändernden Rahmenbedingungen stehen Kanzleien auch im harten Wettbewerb um den juristischen Nachwuchs. Welche Strategien verfolgen Sie hierbei?

Seyfarth: Wir sind uns bewusst, dass sich die Erwartungen der jungen Kolleginnen und Kollegen verändert haben. Wir haben daher zahlreiche Programme und Initiativen entwickelt, um den juristischen Nachwuchs für uns zu begeistern, die eigenen Nachwuchskräfte auf einem Topniveau auszubilden und „Young Talents““ nachhaltig zu binden. Beispiele hierfür sind unser Fortbildungsprogramm in Kooperation mit der Universität St. Gallen, Sabbaticals, flexible Arbeitszeiten, Home Office und die Unterstützung bei der Familienbetreuung. Wir verbinden das mit dem klassischen Versprechen von Hengeler Mueller, sich in der Arbeit an herausragenden, oft internationalen Mandaten in einem offenen und vielfältigen Arbeitsumfeld zu einer Anwaltspersönlichkeit zu entwickeln.

Wagen wir einen Ausblick ins Jahr 2028: Wo sehen Sie den deutschen Kanzleimarkt in zehn Jahren?

Bliesener: Aus Unternehmenssicht bleibt Deutschland ein guter Standort mit hoher Rechtssicherheit und international ausgerichteter Rechtsberatung. Auf Grund der starken gesamtwirtschaftlichen Stellung des Landes sollte sich auch der Rechtsberatungssektor positiv entwickeln, zumal durch zunehmende Regulierung und erhöhte Bedeutung von Compliance die Herausforderungen steigen. Bei zunehmender Komplexität werden Mandanten einerseits Bedarf an sehr technik-orientierten Rechtsdienstleistungen haben, den zunehmend große, global aufgestellte Kanzleien mit einem Fokus auf automatisierte, effiziente Recherche und Dokumentation befriedigen können. Andererseits werden Unternehmen weiter maßgeschneiderte Lösungen nachfragen, mit denen sie ihre sich wandelnde strategische Ausrichtung mit regulatorischen Anforderungen in Einklang bringen können. Zugleich wird der hohe Wettbewerbsdruck bestehen bleiben. Kanzleien werden sich in diesem Marktumfeld stärker in klaren Segmenten positionieren müssen, um erfolgreich zu bleiben.

 

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