Kartellbehörden ziehen die Zügel an

Wie Korruption, Geldwäsche oder Finanzmarktmanipulation werden auch Kartellverstöße weltweit zunehmend aggressiver verfolgt. Dank der hocheffizienten Kronzeugenprogramme werden den Behörden weltweit immer mehr Kartelle freiwillig angezeigt. Im Bereich so genannter Hardcore-Kartellverstöße drohen neben extremen Bußgeldern, Vergabesperren und Schadensersatzprozessen auch Gefängnisstrafen. Immer mehr betroffene Personen aus dem Ausland einigen sich etwa mit dem US-Department of Justice auf eine Individualstrafe und gehen dort auf Grund immensen Drucks ins Gefängnis. Einen Überblick und Handlungsempfehlungen gibt Sebastian Jungermann, Partner bei Kaye Scholer.

Das deutsche und europäische Kartellverbot bezieht sich auf alle Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die Absprachen über Preise, Quoten, Kunden oder Gebiete betreffen. Das Verbot solcher Hardcore-Vereinbarungen gilt absolut und im Prinzip weltweit. In den meisten Compliance-Bemühungen global aktiver Unternehmen kommt aber der deutliche Hinweis auf internationale Sachverhalte und die damit verbundenen Gefahren meist zu kurz. Häufig sind weltweite Produktmärkte betroffen, so dass Mitarbeiter aus Staaten, in denen Hardcore-Verstöße in der Regel nicht mit Strafe bedroht sind, auch mit einer aggressiven Strafverfolgung durch andere Länder zu rechnen haben.

In Deutschland haben aufgedeckte Hardcore-Verstöße meist ein Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen und die betroffenen Mitarbeiter zur Folge. Die einschlägigen Straftatbestände des Betrugs (§ 263 StGB) und das Spezialdelikt der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) führten bislang eher ein Schattendasein. Anders als beim Betrug, der einen schwer zu beweisenden Vermögensschaden voraussetzt, genügt für § 298 die Absprache als solche. § 298 greift bei allen Ausschreibungen, sowohl bei solchen durch die öffentliche Hand, als auch durch Private. Auch in Deutschland nimmt die strafrechtliche Verfolgung deutlich zu. Mittlerweile arbeiten Bundeskartellamt und Staatsanwaltschaft eng zusammen, Beschuldigte werden mitunter gleich von beiden Institutionen gemeinsam vernommen.

Weltweite Koordination der Kartellbehörden

Bei internationalen Sachverhalten stimmen sich die Kartellbehörden weltweit immer öfter ab. Durchsuchungen im Morgengrauen (dawn raids) werden heute oft zur selben Zeit auf verschiedenen Kontinenten durchgeführt, vor allem in Europa, Amerika und Asien. Insbesondere die USA dehnen ihre Zuständigkeit weit aus. Sobald Absprachen irgendwo auf der Welt die US-Wirtschaft beeinflusst haben, langen die Amerikaner gerne zu. Selbst dann, wenn nur ein geringwertiges Zulieferprodukt betroffen ist. Das US-Department of Justice geht gegen Inländer und Ausländer gleichsam mit äußerster Härte vor.

Harte Sanktionen

Viele Länder, vor allem die USA, sanktionieren Hardcore-Kartellverstöße auch mit Haftstrafen. Nach dem „Sherman Antitrust Act“ drohen natürlichen Personen neben Strafzahlungen bis zu einer Million US-Dollar auch bis zu zehn Jahre Haft. Im so genannten LCD-Kartell wollte sich das Unternehmen AU Optronics nicht mit dem US-Justizministerium einigen und setzte sich zur Wehr. Im September forderte das Ministerium gegen AU Optronics ein Bußgeld von einer Milliarde Dollar; gegen zwei ausländische Manager zehn Jahre Haft und eine Million Dollar Bußgeld. Das kalifornische Gericht erkannte auf 500 Mio. Dollar gegen das Unternehmen sowie jeweils drei Jahre Gefängnis und 200 000 Dollar gegen die Manager. Allein in diesem Kartell haben sich bereits 22 Personen mit dem US-Justizministerium im Rahmen eines so genannten plea bargains oder plea agreements auf Haftstrafen verständigt, im Komplex der Automobilzulieferkartelle bereits elf Personen und im Luftfrachtkartell 19. Sofern eine Person von den USA gesucht wird, kann eine Red Notice bei INTERPOL schnell zur Auslieferung führen. Neben den extremen Bußgeldern, insbesondere aus Brüssel und Washington, drohen den Unternehmen mangels Zuverlässigkeit Vergabesperren sowie teure Schadensersatzprozesse. In Europa kommen Schadensersatzklagen im Anschluss an einen die Gerichte hinsichtlich des Kartellverstoßes bindenden Bußgeldbescheid immer häufiger vor. Extrem teuer aber sind US-Klagen. Neben der gefürchteten pre-trial discovery und den class actions kommt ein dreifacher Schadensersatz hinzu (treble damages).

Internationale Beratung und Koordination

Bei der Beratung und Aufarbeitung internationaler Kartelle zählt Geschwindigkeit und Gründlichkeit. Kronzeugenstatus erhält nur das erste Unternehmen, zudem muss umfassend ausgepackt werden. Hierzu ist es häufig notwendig, die betroffenen Mitarbeiter fair zu behandeln. Neben Kündigungsschutz ist oft auch die Stellung eines eigenen Anwalts nötig. Andernfalls können die meist sehr gut getarnten und selten dokumentierten Absprachen nicht aufgeklärt werden. Eine interne Untersuchung kann weitere Kartelle in anderen Produktbereichen aufdecken, so dass ein Unternehmen selbst nach einer Durchsuchung für andere Bereiche noch gute Chancen auf Kronzeugenstatus hat. Sodann sind alle in Betracht kommenden Jurisdiktionen zu berücksichtigen; Kronzeugenanträge sind weltweit abzustimmen, wobei es bei diesem Windhundrennen der Wettbewerber mitunter um Minuten geht.

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