Wundenlecken in Hamburg – Sündenbock Scholz

Es ist Wahlkampf. Das bekommt die derzeit wohl traurigste Figur des von schlimmsten Krawallen heimgesuchten Hamburger G20-Gipfels zu spüren.

Angriffe aus Unionskreisen überraschen nicht. Aber sogar die eigene Partei und der grüne Koalitionspartner im Hamburger Rathaus fallen Olaf Scholz in den Rücken. Schon vor dem Gipfel hatte der einstige Hoffnungsträger seiner Partei einen schweren Stand. Während Scholz Hamburg mit seiner Weltoffenheit und für Großereignisse optimalen Infrastruktur einen natürlichen Austragungsort für G20 nannte, sprach sich Parteikollege Sigmar Gabriel bereits für New York aus. Die Grünen, die den Gipfel ähnlich wie die Olympia-Bewerbung Hamburgs vor zwei Jahren stets mit gemischten Gefühlen begleitet hatten, ließen den Ersten Bürgermeister nach den Ausschreitungen gänzlich im Regen stehen. Mit dem Großereignis lässt sich für SPD und Grüne in keiner Beziehung mehr politisch punkten, weder unter dem Aspekt innere Sicherheit noch im Hinblick auf das Schlußkommuniqué, dessen Inhalte SPD und Grünen per se suspekt sind. Unterstützung für Scholz kommt allein aus dem Kanzleramt, wenn auch wohl nur aus schlechtem Gewissen, saßen Bund und Hamburg als gemeinsame Planer des Gipfels doch in einem Boot. Wie kam es dazu, dass eine Gruppe extrem gewaltbereiter „Männer unter 30“, deren Potenzial allein in Deutschland von Kripo-Vormann Sebastian Fiedler auf 8 500 Personen geschätzt wird, ihre zerstörerischen Exzesse so unbehelligt ausleben konnte? Fiedler beklagt die jahrelange Vernachlässigung der Polizei durch die Politik und die Blauäugigkeit im Umgang mit linksextremen Milieus, nicht nur im toleranten Hamburg mit seiner „Roten Flora“ oder Berlin (Rigaer Straße), auch hinsichtlich des europaweiten Netzwerks. In Hamburg wie zuvor schon bei den EZB-Protesten in Hessen 2015 war eine internationale Bande äußerst skrupellos agierender Gewalttäter am Werk. Der Ruf nach einer europaweiten Extremistendatei, wie er jetzt erschallt, kommt reichlich spät. Der Polizei sind zudem die Hände gebunden, seit 1986 bei den Demonstrationen gegen das KKW Brokorf der „Hamburger Kessel“ traurige Berühmtheit erlangte. Den heute überaus aggressiv auftretenden „Schwarzen Blöcken“ ist anders aber schwer beizukommen. Scholz muss für die Versäumnisse der Vergangenheit als Sündenbock herhalten.

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