Sentiment

Zwischen Angst und Gier: Anleger widersprechen sich selbst

Die Stimmung an den Märkten ist düster – doch das Geld bleibt investiert. Warum Sentiment und Positionierung ein widersprüchliches Bild zeichnen.

David Giesecke,
Steigender Aktienmarkt-Chart
Steigender Aktienmarkt-Chart © AdobeStock

Trotz schwacher Marktstimmung bleibt die Anlegerpositionierung erstaunlich hoch. Der Fear & Greed Index von CNN steht mit 28 Punkten bereits nahe der Schwelle zu „extremer Angst“. Gleichzeitig signalisieren verschiedene Positionierungsindikatoren ein überaus optimistisches Bild: Der NAAIM Exposure Index, der die Aktienquote US-amerikanischer Vermögensverwalter misst, liegt bei 90 von 100 Punkten – nahe dem oberen Extrembereich. Auch der jüngst veröffentlichte Bank of America Global Fund Manager Survey für den Monat Oktober weist mit einer Cashquote von nur 3,8% eine historisch niedrige Liquiditätsreserve aus. Dennoch halten laut derselben Umfrage 60% der Fondsmanager den Aktienmarkt für überbewertet – ein paradoxes Signal.

Privatanleger folgen demselben Muster

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Privatanlegern. Der AAII Sentiment Index weist aktuell nur 37% bullishe Anleger aus, was auf eine zurückhaltende Stimmung hindeutet. Gleichzeitig liegt die tatsächliche Aktienallokation der privaten Investoren laut AAII bei 68% – und damit nahe der oberen historischen Bandbreite. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Spekulationswelle 2021 lag der Anteil bei 71,5%, während er zur Zeit der Dotcom-Blase sogar 77% erreichte. Von den großen Indikatoren bewegt sich derzeit nur der Positionierungsindikator von Deutsche Bank Asset Allocation im neutralen Bereich – er liegt aktuell im 40. Perzentil seit dem Beginn des Datensatzes in 2010.

Risikobewusstsein ja – Handlungsbereitschaft nein

Auch die Put-Call-Ratio zeigt mit einem Wert von 0,7 am oberen Ende der jüngsten Bandbreite ein gestiegenes Absicherungsbedürfnis der Marktteilnehmer. Angesichts der kurzfristig erhöhten Volatilität in den US-Indizes ist das nachvollziehbar. Insgesamt lässt sich festhalten: Anleger sehen die Risiken hoher Bewertungen, haben aber offenbar einen Reflex entwickelt, ihre eigene Skepsis zu ignorieren – und bleiben dennoch investiert. Die Divergenz zwischen Stimmung und Verhalten ist damit so ausgeprägt wie selten zuvor. 

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