Invers, aber nicht hoffnungslos
Die Zinsstrukturkurve in den USA ist so invers wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Die Differenz zwischen den Renditen 10-jähriger und 2-jähriger US-Treasuries lag jüngst mit -0,514% auf dem tiefsten Stand seit August 2000 (-0,511%). Eine inverse Zinskurve gilt dabei als fast sicherer Indikator einer bevorstehenden Rezession (vgl. PB v. 6.4.). Kommt es jetzt also knüppeldick für die Wirtschaft, die Unternehmen und die Aktienmärkte?
Tatsächlich gibt es eine starke Korrelation zwischen Zinsstruktur und Konjunktur. Das ist einfach erklärt: Banken leihen sich kurzfristig Geld, um es in Form von langfristigen Krediten weiterzugeben. Liegen die kurzen Marktzinsen (deutlich) unter dem langfristigen Kreditzins, ist das ein einträchtiges Geschäft, von dem sie immer mehr haben wollen – die Konjunktur brummt, weil Unternehmen günstiges Geld für ihre Wachstumsinitiativen bekommen. Dreht sich die Kurve, so sinkt die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe und die wirtschaftliche Aktivität verlangsamt sich.
Entsprechend signalisierten inverse Zinskurven 1989, 2000 und 2008 verlässlich mehr oder weniger starke Rezessionen. Das entsprechende Signal vom September 2019 wurde von der anschließenden Corona-Krise überlagert. Was die inversen Kurven aber nicht vorhersagten, waren Zeitpunkt, Stärke und Länge der folgenden Rezession. Es ist daher noch keineswegs ausgemacht, dass auf die zum Halbjahr deklarierte „technische Rezession“ in den USA (zwei Quartale mit negativem Wachstum) tatsächlich auch eine vom National Bureau of Economic Research zur Rezession erklärte längere und stärkere Wirtschaftsabschwächung folgt. Die Finanzmärkte folgen dabei im Übrigen einem ganz eigenen Muster: Typisch für die erste Phase nach dem Eintreten einer inversen Zinsstruktur ist eine kurze Marktrally, wie sie sich aktuell an den Börsen andeutet.