KI-Revolution – Auf welche Sektoren Anleger setzen sollen

Nachzügler Healthcare – Warum Gesundheit 2024 Chancen bietet

Sinkende Zinsen – das ist doch DER Zeitpunkt, um in Tech-Aktien zu investieren, oder etwa nicht (siehe nächstes Kapitel)? Auch, aber nicht nur. In Zeiten fallender Zinsen entwickeln sich laut Studien sogenannte „defensive Titel“ etwa aus dem Bereich Gesundheit sogar noch besser. Denn sie bieten Produkte und Dienstleistungen an, auf die Verbraucher auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nicht verzichten können. Wir erklären, warum das so ist, und nennen unsere Favoriten für 2024.

Sinkende Zinsen hat der Markt für das Jahr 2024 schon eingepreist. Die Frage ist derzeit nur noch, wann die US-Notenbank Fed an der Zinsschraube zu drehen beginnt: schon im Juni oder erst im Herbst? Doch welche Sektoren an der Börse profitieren eigentlich, wenn die Leitzinsen fallen? Da kommen Anlegern sofort Aktien aus dem Technologiesektor in den Sinn. Denn die Bewertung dieser Wachstumsaktien beruht zum großen Teil auf in der Zukunft erzielbaren Gewinnen. Wenn aber die Zinsen fallen, steigt der heutige Wert der erwartbaren Gewinne.

Schaut man sich jedoch die Entwicklung in vergleichbaren Zinssenkungsperioden der Vergangenheit an, so ergibt sich ein überraschend anderes Bild. Die Kapitalmarktanalysten von HQ Trust haben das Abschneiden von 20 Sektoren in insgesamt 13 Phasen fallender Zinsen seit 1984 untersucht und sind dabei auf überraschend andere Zusammenhänge gestoßen. Defensive Branchen wie Nahrungsmittel, Getränke sowie Körperpflege schlugen in allen 13 beobachteten Fällen den breiten Markt. Die beste Performance seit 1984 aber gelang dem Gesundheitssektor, der immerhin in zwölf der 13 Fälle besser abschnitt als der breite Markt. Tech-Werte blieben dagegen in acht von 13 Fällen hinter dem Markt zurück.

Doch warum ist das so? Nun, die Zeiten sinkender Zinsen sind zugleich auch Perioden wirtschaftlicher Unsicherheit. Sie folgen meist auf eine wirtschaftliche Expansionsphase, die zu einer steigenden Inflation führt, auf die die Zentralbank mit höheren Leitzinsen reagiert. Irgendwann „kippt“ dann die Nachfrage, weil es für die Wirtschaft zu teuer wird, Wachstumsinitiativen „auf Pump“ zu finanzieren und weil die Verbraucher aufgrund der gestiegenen Preise weniger konsumieren und dank der höheren Zinsen mehr sparen. Zu diesem Zeitpunkt erklären die Notenbanken dann den Kampf gegen die Inflation für gewonnen und beginnen, die Zinsen wieder zu senken.

Klingt bekannt? Ja, genau an diesem Punkt im wirtschaftlichen Kreislauf von Expansion und Rezession befinden wir uns global gerade. Bis der Zinssenkungsprozess (der aktuell noch gar nicht begonnen hat) aber bei den Verbrauchern ankommt, vergehen einige Monate – Ökonomen sprechen bei diesem Phänomen gerne vom zeitverzögerten Transmissionsprozess geldpolitischer Entscheidungen.

Profiteure der Demografie

In Phasen großer Unsicherheit schneiden jene Unternehmen besonders gut ab, deren Produkte und Dienstleistungen Verbraucher unabhängig von der wirtschaftlichen Situation benötigen. „Gegessen und getrunken“ wird an der Börse ja immer, aber um die Gesundheit muss sich – mit gewissen Abstrichen – eben auch stets gekümmert werden, egal wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestalten.

Diese „Resilienz“ kommt defensiven Sektoren gerade in Zeiten einer Wirtschaft mit Fragezeichen zugute. Und genau die haben wir aktuell: In den USA wird sich das wirtschaftliche Umfeld abkühlen, in Deutschland und Europa wird nur ein Mini-Wachstum erwartet, China schwächelt und in Japan schrumpft die Wirtschaft wieder einmal. Genau jetzt sind also Branchen gefragt, die einen eingebauten Wachstumsmotor haben, also „strukturellen Rückenwind“ verspüren, durch eine stetig steigende Nachfrage.

Zu den Profiteuren der demografischen Entwicklung (Stichwort: alternde Gesellschaft) und der steigenden Nachfrage durch bessere medizinische Versorgung für einen größeren Anteil der Weltbevölkerung gehört der Healthcare-Sektor. Von Augen- über Herz-/Kreislauf- bis hin zu Volkskrankheiten wie Neurodermitis und Diabetes gibt es eine immer breiter werdende medizinische Versorgung. Sie reicht von der Diagnostik mithilfe moderner medizinischer Geräte und Testmaterialien über die akute Behandlung durch Operationen und Bestrahlungen bis hin zur Nachversorgung über ständig einzunehmende Medikamente oder die Anspruchnahme medizinischer Leistungen.

Hinzu kommt eine gewisse „Under-Performance“ in den vergangenen Monaten, die aus unserer Sicht Potenzial für die kommenden Monate eröffnet. Denn während der breite Markt im Jahr 2023 je nach Index um über 20% zulegen konnte, waren es beim STOXX Europe 600 Healthcare im vergangenen Jahr gerade einmal 8% Zugewinn. Anders als bei den vom Technologiesektor getriebenen Gesamtindizes erscheint uns die Bewertung im Gesundheitsbereich noch moderat. Das eröffnet durchaus noch Potenzial für kräftige Kursgewinne in den kommenden Monaten, ein Umstand, den sich Investoren in der aktuellen Lage zunutze machen können.

Unsere Auswahlkriterien

Vor diesem Hintergrund haben wir den globalen Healthcare-Sektor nach mehreren Kriterien durchleuchtet: Gesucht wurden Unternehmen, die über Jahre hinweg einen profitablen Wachstumskurs beschritten haben. Ein stetiges, möglichst zweistelliges Umsatzwachstum gehörte ebenso dazu wie hohe Brutto- bzw. EBITDA-Margen und ein beständiges Gewinnwachstum. Und auch wenn die Zinsen sinken: Ein geringer Verschuldungsgrad eröffnet aus unserer Sicht die Möglichkeit, Wachstumsinitiativen aus eigener Kraft zu finanzieren oder M&A-Aktivitäten mit einem angemessenen Anteil an Fremdkapital zu realisieren. Als Faustregel gilt dabei ein Verschuldungsgrad, der nicht höher ist als das Dreifache des erwarteten operativen Gewinns. Übersetzt bedeutet das, dass die Unternehmen theoretisch in der Lage wären, binnen dreier Jahre ihre gesamte Verschuldung zurückzufahren.

Hinzu kam als abschließendes Kriterium eine angemessene Bewertung. Auch in Zeiten fallender Zinsen und geringerer Abschläge auf die künftigen Gewinne darf die Erwartung an die künftigen Gewinne nicht zur Belastung werden. Daher sollten die ausgewählten Aktien im Vergleich zum jeweiligen Branchen-Universum nicht zu teuer bewertet sein.

Unseren Screen am besten bestanden hat eine Gruppe von neun Unternehmen: Neben den hier vorgestellten vier Werten sind das: Demant, Coloplast, Boston Scientific, Straumann und Sartorius. Die hier nicht besprochenen Werte wiesen für uns (bis auf Demant) eine aktuell zu hohe Bewertung auf und fielen deswegen durch das Raster. Wie die Gruppe bei zentralen Kennziffern abgeschnitten hat, zeigt die untenstehende Tabelle. kdb

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