Liquidität ohne Fed – Der Treiber hinter der US-Rally
Zinsen hoch, Kurse höher. Wer wissen will, warum die Wall Street trotzdem feiert, sollte nicht zur Fed schauen – sondern nach Washington.

Die Rally der vergangenen Monate an den US-Börsen war geradezu spektakulär: In gut drei Monaten ist der S&P 500 um über 32% gestiegen. Trotz Leitzinsen von 4,5% können spekulative Aktien und Kryptowährungen derzeit deutlich zulegen – und das ganz ohne Zinssenkungen. Ökonomisch spricht man von der sogenannten fiskalischen Dominanz: Die massiven Defizite des US-Staats spiegeln sich als Überschüsse in der Privatwirtschaft wider – denn genau dort landet das Geld.
Kreditvergabe erhöht die Liquidität
Hinzu kommt die zyklische Belebung der Kreditvergabe. In unserem heutigen Geldsystem schaffen Banken durch Kreditvergabe neues Geld – sie erhöhen die Geldmenge und damit auch die Liquidität im System. Auch der Arbeitsmarkt präsentiert sich robust: Nach Angaben des U.S. Bureau of Labor ist die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft seit Dezember 2024 um rund 800.000 auf 159,7 Millionen Menschen gestiegen. Das stärkt den Konsum, verleiht der Konjunktur zusätzlichen Schub – und fördert wiederum die Kreditvergabe. Ein weiterer Impuls kommt vom US-Dollar, der seit Jahresbeginn deutlich gefallen ist und die internationalen Umsätze der Unternehmen automatisch erhöht.
Machtverlust der Notenbank
In diesem Umfeld verliert die Geldpolitik zunehmend an Einfluss. Die Notenbank gerät durch die fiskalische Dominanz ins Hintertreffen. Erhöht sie die Zinsen, weitet sie über höhere Zinszahlungen das Defizit des US-Haushaltes mit der Privatwirtschaft weiter aus, was in Teilen die abkühlende Wirkung der Zinserhöhung auf die privatwirtschaftliche Kreditvergabe konterkariert. Dieser faktische Machtverlust der Federal Reserve könnte sich als Problem erweisen – insbesondere dann, wenn die Inflation erneut stark anzieht. Denn der politische Apparat in Washington gilt als schwerfällig und dürfte im Ernstfall kaum in der Lage sein, schnell fiskalisch gegenzusteuern. Zumal mit dem sogenannten „Big Beautiful Bill“ – dem von Donald Trump initiierten Ausgabenpaket – bereits zusätzliche Defizite in Höhe von drei Billionen Dollar in den kommenden Jahren beschlossen wurden.