Divergierende Earnings-Trends
Die US-Konzerne haben zum Jahresauftakt die Gewinnerwartungen übertroffen. Angesichts der undurchsichtigen Zollsituation kappen Analysten allerdings ihre Prognosen für 2025. Gleichzeitig könnte Europa aufholen.

In den USA haben bereits 90% der S&P 500-Konzerne ihre Bücher geöffnet. Das Ergebnis laut Factset: 78% übertrafen die durchschnittlichen Gewinnerwartungen der Analysten. Im Schnitt wurden die Schätzungen um 8,5% übertroffen. Damit übersteigt die Entwicklung erstmals wieder das Auftaktquartal 2024, das mit +6,0% die höchste Entwicklung seit 2022 (+9,0%) markierte. Das Rekordjahr 2021 mit +22,1% wurde allerdings klar verfehlt. Besonders stark zeigten sich die Sektoren Kommunikation, Finanzen und Gesundheitswesen. Energie, Versorger sowie zyklische Konsumgüter schnitten schlechter ab.
Wenn langlaufende Staatsanleihen wieder 4,4% abwerfen, wie aktuell bei 10-jährigen US-Treasuries, wird es für Aktien schwieriger, ihre Attraktivität zu behaupten. Dabei straft der Markt schlechte Aktiennews aktuell weniger ab: Bei positiven Gewinnüberraschungen legten Aktien im Schnitt +1,9% zu (Höchstwert seit Q3 2022), während Verluste bei negativen Überraschungen mit –1,7% moderater ausfielen.
Viel Optimismus, aber auch erste Risse
Spannend bleibt, wie die Unternehmen auf die Zollsituation reagieren. 75 Unternehmen im S&P 500 haben bislang einen Ausblick für das Q2 abgegeben – knapp die Hälfte davon liegt über den Erwartungen. Das ist mehr als in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig haben die Analysten ihre EPS-Schätzungen seit Quartalsbeginn deutlich gesenkt – allein im April fiel die Q2-Erwartung um 2,4%, fürs Gesamtjahr um 3,1%.
In Europa wächst die Dynamik
Vergleicht man diese Entwicklung mit Europa zeichnet sich ein interessantes Bild: Laut Deutsche Bank sanken seit März die Gewinnerwartungen im Stoxx 600 um 5 bzw. 4%, was nach Einschätzung der Bank Überraschungspotenzial schafft. Denn das Gros der Konzerne berichtet von geringeren Zoll-Auswirkungen dank lokaler Produktion, diversifizierter Lieferketten und Preisanpassungen. Sequenziell legten die Gewinne im Q1 bereits um 11% zu, während in den USA ein leichter Rückgang zum Q4 stand. Damit könnte sich die Lücke beim Gewinnwachstum zwischen den Regionen noch 2025 schließen. Wie hierzu die Stimmungslage unter den Firmenlenkern in Deutschland ist, beleuchten wir nächste Woche.