Astrazeneca – Was passiert in China?
Die starken Zahlen zum dritten Quartal und der angehobene Ausblick hätten Astrazeneca normalerweise Schwung verliehen. Doch derzeit stellt eine Entwicklung im wichtigen Markt China die Erfolgsstory von Konzernchef Pascal Soriot in den Schatten.

Der Umsatz wurde laut den Zahlen von Mitte November (12.11.) um 21% auf 13,6 Mrd. US-Dollar gesteigert. Dank weniger stark gestiegener Kosten kletterte das bereinigte EBIT im Q3 sogar um 27% auf 4,3 Mrd. Dollar, die Marge um 100 Basispunkte auf 31,8%. Bei Umsatz und Gewinn will Soriot jetzt 2024 hoch einstellig statt nur im mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen.
Das alles passt zu der Erfolgsstory des 2012 angetretenen CEOs, der Astrazeneca stärker fokussiert auf innovative Medikamente aus ausgewählten Bereichen und dafür viel Geld in die Hand nimmt: Der Anteil der Ausgaben von Forschung & Entwicklung am Umsatz ist von 14% im Jahr 2012 auf 22% im Schnitt der vergangenen fünf Jahre angestiegen. Zum Vergleich: Bei Novartis sind es 18%, bei Pfizer 16% und bei der deutschen Merck sogar nur 12%.
Viel Geld, monieren einige Analysten. Die Pipeline ist daher gut gefüllt: Über 120 Wirkstoffe haben die Briten derzeit in der Phase II oder III, wobei Dato-DXd für Lungenkrebs, Enhertu für verschiedene Krebsarten sowie Truquap für Prostatakrebs innovative Therapien mit großem Potenzial in der Onkologie darstellen. Die Investitionen könnten sich also lohnen.
Überlagert werden die Ergebnisse und Erfolge aber durch Untersuchungen in China. Dort wird gegen verschiedene Mitarbeiter ermittelt, denen vorgeworfen wird, illegal Medikamente nach China eingeführt zu haben. Zuletzt wurde sogar der China-Chef verhaftet. Die auch auf Xetra gut handelbare Aktie (128,15 Euro; GB0009895292) verlor nach Bekanntwerden der Ermittlungen im September/Oktober rund 17%. Große Neuigkeiten konnte Soriot jetzt nicht bieten – man nehme die Entwicklung ernst.
Vor einem Jahrzehnt hatte GlaxoSmithKline im Reich der Mitte eine ähnlich schwierige Phase durchgemacht, damals mit dem Vorwurf der Korruption. Astrazeneca ist der größte westliche Pharmakonzern in China, wo die Briten etwa 7 Mrd. Dollar oder etwa 15% ihrer Erlöse generieren. Wichtiger ist der US-Markt (40% der Erlöse), in den Soriot mächtig investiert und der eine zentrale Rolle bei dem Bestreben spielt, bis 2030 den 2023er-Umsatz von 46 Mrd. auf 80 Mrd. Dollar zu steigern.
Die Aktie von AstraZeneca steht damit in einem schwierigen Spannungsfeld. Einerseits drücken die Unsicherheiten in China, andererseits überzeugen die Kennzahlen und die Bewertung: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt für 2025 bei rund 10, niedriger als bei der Konkurrenz (Pfizer: 11; Novartis: 14). Für langfristig orientierte Anleger ist das aktuelle Bewertungsniveau eine Chance, vorausgesetzt, man akzeptiert kurzfristige Risiken.
Wir steigen bei Astrazeneca auf Xetra ein. Stopp: 94,30 Euro.