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Was Indiens Börse trotz hoher Bewertung attraktiv macht

Indiens Wachstumspotenzial bleibt überzeugend. Doch nach vielen Jahren der Hausse sind die Aktienbewertungen anspruchsvoll. Langfristanleger finden dennoch gute Argumente.

Jürgen Büttner,
Die Flagge Indiens
Die Flagge Indiens © Naveed Ahmed

Indien gehört seit Langem zu den wachstumsstärksten Volkswirtschaften der Welt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Bruttoinlandsprodukt verdoppelt. Das honoriert auch die Börse: Seit Ende 1994 erzielte der MSCI India Index im Schnitt 11,85% Rendite pro Jahr – eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

Auch heute stehen die Zeichen weiter auf Expansion: eine junge Bevölkerung, technologischer Fortschritt und eine zunehmend diversifizierte Industrie bieten langfristiges Potenzial. Doch das ist nur eine Arbeitsthese – garantiert ist ihr Eintritt nicht. Der wieder aufgeflammte Konflikt mit Pakistan, den der blutige Anschlag im umkämpften Kaschmir befeuert hat, sowie Unsicherheiten im globalen Handel verdeutlichen, dass es fast immer Risiken gibt, die selbst solide Basisannahmen gefährden können.

Allgemein spricht aber viel dafür, dass Indien im internationalen Vergleich gut aufgestellt ist. Vermögensverwalter Amundi taxiert die erwartete Jahresperformance indischer Aktien für die kommenden zehn Jahre auf durchschnittlich 8,2%. Das ist der höchste Prognosewert unter allen großen Märkten.

Robuste Position im heiklen Zollumfeld

Speziell im aktuellen geopolitischen Umfeld punktet Indien: So machen die Warenexporte und der Handelsüberschuss mit den USA nur 2,3% bzw. 1,2% des BIP aus. Das sind niedrige Werte im Vergleich zu den meisten aufstrebenden Ländern. Die Ausfuhren Koreas und Taiwans in die USA belaufen sich beispielsweise auf 7% bzw. 15% des BIP, die Handelsüberschüsse auf 4% bzw. 10%. Ein Vorteil für Indien in Zeiten neuer Zölle. Die wachsende Bedeutung der Handelsbeziehungen mit Europa und Ostasien stärkt das langfristige Bild zusätzlich.

Der sinkende Ölpreis kommt Indien ebenfalls entgegen. Als großer Nettoimporteur profitiert das Land spürbar: Ein Rückgang der Ölpreise um 10 Dollar/Barrel reduziert das Leistungsbilanzdefizit um 0,3%–0,4% des BIP, so schreibt der Analyst von Jefferies. Bei 60 US-Dollar/Barrel (gegenüber 80 Dollar/Barrel im Durchschnitt 2025) gleicht der niedrigere Ölpreis den potenziellen Rückgang des US-Handelsüberschusses mehr als aus.

Breites Wachstumsfundament

Ein weiterer Pluspunkt ist die Stärke im Technologiesektor: Indien ist Asiens führender Anbieter von IT-Service-Dienstleistungen, steht für rund 10,8% der entsprechenden Exporte und liegt klar vor China (8,8%).

Indien entwickelt sich außerdem zunehmend zum Innovationsstandort für Unternehmen, die ihre Lieferketten diversifizieren wollen. Der eskalierende Technologiewettbewerb zwischen China und den USA spielt dem Land dabei in die Karten. Besonders das dynamische Start-up-Ökosystem wächst rasant.

Das Land profitiert nicht nur von einem Konsum-Boom, sondern stärkt auch gezielt seine Industrie. Programme wie das Production Linked Incentive sollen die Leistungsfähigkeit des Landes in strategischen Sektoren stärken, die Importabhängigkeit verringern und die Exportfähigkeit verbessern. Fortschritte bei Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und gezielte Infrastrukturinvestitionen stützen die Dynamik.

Hinzu kommt eine pragmatische Geldpolitik: Die Reserve Bank of India (RBI) senkte jüngst den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 6,0% und signalisierte weiteren Spielraum für Zinssenkungen. Mit Maßnahmen im Umfang von rund 8,5 Billionen Rupien (2,6% des BIP; rund 88,4 Mrd. Euro) wurde die Liquidität deutlich ausgeweitet.

Solide Gewinnperspektiven rechtfertigen hohe Bewertung

Die insgesamt robuste Ausgangslage hat an der Börse aber ihren Preis. Der MSCI India wird mit einem KGV von 23 gehandelt – rund 70 Basispunkte über dem Fünfjahresdurchschnitt. Immerhin sind die Bewertungen zuletzt leicht zurückgekommen. Auffällig ist, dass vor allem Nebenwerte ambitioniert bewertet sind, während viele Großunternehmen moderater erscheinen. Beim Nifty 50 bewegt sich das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf Basis der Schätzungen für die nächsten zwölf Monate beim rund Dreifachen – ebenfalls ein hoher Multiplikator.

Der Analystenkonsens rechnet für 2025 mit einem Gewinnwachstum von 13%, für 2026 mit 15% – solide Aussichten in einem schwierigen globalen Umfeld. Das BIP-Wachstum schätzt Goldman Sachs für 2025 und 2026 auf 6,1% bzw. 6,6% – weiterhin solide, aber nicht spektakulär.

Indien bleibt langfristig einer der spannendsten Wachstumsmärkte. Wer breit auf den Gesamtmarkt setzt, sollte auf Sicht gute Ergebnisse erzielen. Für gezielte Einzelinvestments setzen wir unter anderem auf Bankaktien wie HDFC oder ICICI.

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