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Ungarn – Streit mit Brüssel kostet jetzt bares Geld

Gemessen am Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International erweist sich Ungarn zum dritten Mal in Folge als das korrupteste Land der EU. Das hat Folgen.

Martin Klingsporn,
Sitz des Ungarischen Parlaments in Budapest
Sitz des Ungarischen Parlaments in Budapest © CC0

Transparency International listet Ungarn im Corruption Perceptions Index ganz oben. Noch beunruhigender: Während sich die ebenfalls problematischen Nachbarn Rumänien und Bulgarien von einem vergleichbaren Niveau her langsam verbessern, fällt Ungarn immer weiter zurück. Und das hat Folgen: Ungarn ist das erste EU-Land, das wegen systemischer Korruption und rechtsstaatlicher Defizite 1,04 Mrd. Euro an EU-Fördergeldern unwiederbringlich verloren hat – das sind rund 5% der für 2021 bis 2027 vorgesehenen Mittel.

„Gold-Plating“ zur Umgehung von EU-Recht

Im kommenden Jahr droht der endgültige Verlust von weiteren 10,4 Mrd. Euro aus dem RRF-Fonds („Resilience Facility“), wenn 27 vereinbarte Reformen nicht umgesetzt werden. Zudem steuert die EU-Kommission offenbar auf einen weiteren Konflikt mit Budapest zu: Sie will gegen das sogenannte „Gold-Plating“ vorgehen, bei dem einzelne EU-Staaten gemeinsam beschlossenes EU-Recht durch nationale Regeln ergänzen. Diese nationalen Maßnahmen segmentieren den EU-Binnenmarkt. Es entstehen (zum Schutz nationaler Interessengruppen) Nischen für ineffiziente Unternehmen und Praktiken mit künstlich reduzierter Wettbewerbsintensität. Unternehmensverbände kritisieren diese Praxis seit langem auch als Ursache für Belastungen durch zusätzliche Berichts-, Zahlungs- und Zertifizierungspflichten.

Zwar weisen Rechtsexperten darauf hin, dass die Kommission nur dann tätig werden kann, wenn die jeweiligen nationalen Regelungen selbst gegen EU-Recht verstoßen – etwa wenn eine einheitliche Regelung ausdrücklich gefordert wird. Die Praxis der Orbán-Regierung, ausländische Eigentümer von Unternehmen in sogenannten strategisch wichtigen Branchen durch gezielte Diskriminierung zum Verkauf an regimetreue Unterstützer zu zwingen, dürfte aber genau auf solchen klaren Verstößen gegen EU-Recht beruhen. Sie ist insbesondere im Einzelhandel und in der Baustoffindustrie zu beobachten und dürfte der Hauptgrund für die zunehmende Kritik von Wirtschaftsverbänden wie dem Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft sein. Dennoch bleibt die Kritik verhalten, da wichtige Branchen wie die Automobil- und Zulieferindustrie weiterhin mit besten Bedingungen umworben werden. Allerdings könnte sich auch für diese Unternehmen der Wind sehr schnell drehen, wenn es politisch opportun erscheint, etwa bei einer Eskalation des Streits Ungarns mit der EU. Aus den drohenden Risiken werden langsam reale Verluste für die ungarischen Unternehmen, weil die Mittel für Investitionen und damit die Gewinnaussichten der Auftragnehmer sinken.

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