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Ungarn – Orbán auf dem Weg ins wirtschaftliche Abseits

Die Regierung Viktor Orbáns hat erneut massiven Druck auf den Finanzsektor ausgeübt, nachdem zuvor der Einzelhandel im Fokus stand. Damit schaden sich die Rechtspopulisten aber offenbar selbst.

Martin Klingsporn,
Die ungarische Flagge
Die ungarische Flagge © belizar | AdobeStock

Offiziell handelt es sich um eine Vereinbarung, mit der sich die ungarische Notenbank MNB mit dem nationalen Bankenverband auf einen Nulltarif für die Führung von „Basiskonten“ einigte und der Kundschaft weitere kostenträchtige Vorteile einräumt. Freiwillig stimmten die Bankenvertreter dem allerdings nicht zu, denn Regierungschef Viktor Orbán hatte zuvor im Propagandasender „Radio Kossuth“ klargestellt, dass sein Regime die Preise für Dienstleistungen, namentlich der Telekomunternehmen und Banken, per Verordnung regulieren würde, falls diese nicht „freiwillig“ zustimmen. Dass die Regierung bereit ist, unter offenem Bruch aller Vereinbarungen und Verträge diese populistischen Maßnahmen gegen die Unternehmen durchzusetzen, hatte sie zuvor bei den Einzelhandelsketten demonstriert.

Nachdem Verhandlungen über Preissenkungen für Lebensmittel „erfolglos“ blieben, wurden den größeren Einzelhandelsketten per Verordnung die Preise für 30 Grundnahrungsmittel dergestalt vorgegeben, dass die Handelsmarge 10% des Großhandelspreises nicht übersteigen darf. Ansonsten werden saftige Bußgelder fällig. Die Obergrenze betrifft Lebensmittelhändler mit einem Jahresumsatz von über 1 Mrd. Forint (rund 2,5 Mio. Euro), zielt also hauptsächlich auf die größeren Ketten, die (noch) in ausländischer Hand sind, aber erklärtermaßen von Orbán-Freunden übernommen werden sollen.

Ein Sündenbock muss her

Die innenpolitisch durch Korruption unter Druck geratene Regierung versucht ihr Image durch eine populistische Finanzpolitik mit Transfers und Steuergeschenken aufzupolieren, heizt damit aber auch die Inflation kräftig an. Daher braucht das Orbán-Regime einen Sündenbock für die eigenen Fehler und bedient sich dazu einer Art Verschwörungstheorie, der zufolge die zumeist ausländischen Investoren z.B. im Einzelhandel zusammenarbeiten, um die ungarischen Familien mit „ungerechtfertigten und übermäßigen Preiserhöhungen“ auszuplündern, so Orbán.

Da Budapest auf diesem Weg immer neue Konflikte sowohl mit den EU-Partnern als auch der Brüsseler EU-Kommission schafft, sind weitere Einbußen an eigentlich Ungarn zustehenden EU-Mitteln absehbar. Der EuGH hat diese auch von den Wirtschaftsverbänden kritisierten Eingriffe bereits als Bruch der EU-Verträge eingestuft. Vor diesem Hintergrund hat die Agentur Standard & Poor’s das Länder-Rating für Ungarn von BBB-, der untersten Stufe der „Investmentqualität“, jüngst zwar bestätigt, allerdings den Ausblick auf „negativ“ herabgesetzt: Die Einstufung als „junk“ droht, weil ein Verlust der EU-Mittel die Staatsfinanzen bedrohen würde. Orbáns Mafia-Regime ist auf dem Weg auch ins wirtschaftliche Abseits.

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