Märkte

Chinas Tech-Aktien – Was jetzt für ein Investment spricht

Big-Tech aus China ist im Aufwind. KI-Modelle wie DeepSeek beflügeln. China will Computing-Marktführer werden. Doch Risiken bleiben: Geopolitik, Regulatorik. Lohnt sich jetzt der Einstieg?

Jürgen Büttner,
Amerikanische und chinesische Flagge
Amerikanische und chinesische Flagge © LogO | AdobeStock

Im Tech-Sektor liefern sich die USA und China ein spannendes Kräftemessen. Beide Supermächte streben nach der Führungsrolle in diesem strategisch wichtigen Feld. Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat sich der Ton gegenüber China zwar verschärft, doch zugleich mehren sich die Zeichen für einen pragmatischeren Kurs in der Handelspolitik.

An den Börsen hat sich das Umfeld dadurch für Big-Tech-Aktien in beiden Ländern deutlich aufgehellt. Diese gleichzeitige Aufwärtsbewegung könnte sich fortsetzen, selbst wenn die US-Regierung weiter versucht, Chinas Zugang zu Spitzentechnologie einzuschränken. Bemerkenswert: In der aktuellen China-Rally ist Big Tech – also Kommunikationsdienste, IT und technahe Konsumgüter – mit Abstand der stärkste Sektor.

Vom Rückschlag zur Rally

Zur Erinnerung: In den ersten Monaten der neuen US-Regierung schwächelte der US-Big-Tech-Sektor – nicht wegen Zöllen, sondern weil China zunehmend als ernsthafte Konkurrenz im Bereich Künstliche Intelligenz wahrgenommen wurde. Zeitgleich mit Trumps Amtsantritt machte DeepSeek Schlagzeilen. Während US-Tech schwächelte, legte China Big Tech stark zu.

Mitte März ebbte die Rally ab, als neue Zollsorgen aufkamen. Doch seit Trumps versöhnlicheren Tönen zur Handelspolitik hat sich der Sektor beiderseits des Pazifiks erneut erholt. Während die US-Werte ihre Verluste noch nicht ganz wettgemacht haben, notieren chinesische Big-Tech-Aktien inzwischen klar höher als zu Jahresbeginn. Positiv wirkten hier auch starke Quartalszahlen von Tencent und JD.com.

Ob China Big Tech das Tempo halten oder gar US-Werte übertreffen kann, bleibt offen. Die US-Konzerne investieren massiv in neue Technologien – ein klarer Vorteil. Doch auch für Chinas Tech-Riesen sind die Perspektiven trotz wirtschaftlicher Gegenwinde derzeit vielversprechend.

KI beflügelt – Schub bei Computing

Neue KI-Modelle wie DeepSeek-R1 und DeepSeek V3 finden international Anerkennung als günstige Alternativen zu US-Anbietern. Laut Goldman Sachs hat das die Sicht auf chinesische Technologie verändert und Investoren zu einer Neubewertung veranlasst. Der Hang Seng TECH Index liegt seit Jahresbeginn mit +21% deutlich im Plus – trotz einer schwachen chinesischen Konjunktur.

Der nächste Schub könnte aus dem Bereich der Rechenzentren und Cloud-Dienste kommen. Laut Stocklytics soll Chinas Computing-Markt bis 2029 um 42% auf knapp 30 Mrd. US-Dollar wachsen – und damit deutlich schneller als der US-Markt, für den nur 22,5 Mrd. Dollar erwartet werden. Bereits 2025 soll China die USA in Sachen Umsatz erstmals überholen, 2026 wird ein Vorsprung von 3,2 Mrd. Dollar prognostiziert.

Diese Dynamik befeuern massive staatliche Investitionen, ein großer technologieaffiner Verbrauchermarkt und die rasche Verbreitung von KI, 5G und Cloud-Diensten. Auch drängen chinesische Unternehmen wie Huawei, Alibaba und Baidu mit eigenen Entwicklungen in Bereichen wie KI, Chipdesign und Cloud Computing immer stärker auf den Markt.

Der frühere Google-Chef Eric Schmidt sieht China in manchen Technologiefeldern sogar schon vorn – nicht trotz, sondern wegen der US-Beschränkungen. Denn die US-Bemühungen, Chinas Fortschritt durch Exportkontrollen zu bremsen, haben laut Schmidt paradoxerweise Chinas Entschlossenheit gestärkt, Talente zu fördern, robuste Lieferketten aufzubauen und die eigene Innovationskraft zu beschleunigen.

Bewertung noch günstig – wenn Wachstum gelingt

Trotz der jüngsten Kursgewinne ist Chinas Techsektor noch moderat bewertet: Der MSCI China Tech 100 Index kommt auf Sicht von zwölf Monaten auf ein geschätztes KGV von 15,3 – deutlich unter dem US-Niveau. Sollte China den KI-Ausbau wie geplant vorantreiben und regulatorische Risiken im Zaum halten, könnte das eine nachhaltige Outperformance gegenüber dem heimischen Gesamtmarkt ermöglichen.

Auch UBS sieht Potenzial: Der Anteil chinesischer Unternehmen an den weltweiten KI-Ausgaben dürfte sich 2025 auf 40% verdoppeln – ein gewaltiger Markt für lokale Anbieter.

Risiken bleiben – aber Markt zeigt sich robust

Natürlich bleiben Unsicherheiten. Im April flammten Delisting-Ängste rund um chinesische ADRs in den USA wieder auf. Doch laut Société Générale schnitten jene Unternehmen, die nach einem US-Delisting in Hongkong zweitnotiert sind, in früheren Fällen sogar besser ab als der Markt. Aber aktuell überwiegt ohnehin wieder die Hoffnung auf Entspannung im Verhältnis zwischen den USA und China.

Latente Gefahren drohen ansonsten von innen: Sollte die chinesische Regierung wie 2022 erneut mit harter Hand eingreifen – damals wurden Tech-Konzerne im Namen des „Gemeinsamen Wohlstands“ massiv reguliert –, könnte das neue Vertrauen rasch wieder zerstört werden. Doch zuletzt gab sich die Parteiführung betont unternehmensfreundlich, was viele Anleger als positives Signal werten.

Fazit: Langfristchancen mit China-spezifischen Risiken

Chinesische Tech-Werte haben 2025 nicht nur aufgeholt, sondern US-Konkurrenten teils überholt. Der Sektor profitiert vom riesigen Binnenmarkt, technologischer Aufholjagd und wachsendem Selbstbewusstsein. Wer mit den politischen Risiken leben kann, findet hier langfristig interessante Perspektiven – zumal die Bewertung noch Luft nach oben lässt – zumindest sofern sich das konstruktive Basisszenario bestätigt.

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