Handelspolitik

Schwellenländer unter Druck – Droht altbekanntes US-Rezessionsmuster?

Die Angst vor einer US-Rezession sorgt auch an den Börsen der Schwellenländer für wachsende Nervosität. Historisch betrachtet trafen US-Krisen diese Börsen in der Regel hart – auch dieses Mal?

Jürgen Büttner,
Schwellenländer gekennzeichnet auf einer Weltkarte
Schwellenländer gekennzeichnet auf einer Weltkarte © AdobeStock

Die Kombination aus US-Zollpolitik und Rezessionssorgen versetzt auch Schwellenländerbörsen in Unruhe. Der MSCI Emerging Markets (EM) Index verlor seit der von US-Präsident Donald Trump Anfang April gestarteten Zollerhöhungsoffensive in der Spitze 10,6%. Doch trotz dieses bereits spürbaren Rückschlags zeigt ein Blick in die Vergangenheit: In früheren US-Bärenmärkten stand den Schwellenländern oft noch Schlimmeres bevor.

Erfahrungsgemäß verteilt sich der Kursdruck bei einer schrumpfenden US-Konjunktur ungleich auf die globalen Aktienmärkte. Schwellenländeraktien zeigten dabei in früheren US-Rezessionen unterschiedliche Anfälligkeit: Seit 1990 büßte der MSCI EM in US-Rezessionen im Median 26 % ein – beim S&P 500 lagen die Verluste bei 30 %. Zyklischere Regionen wie Nordasien und Osteuropa verzeichneten sogar Verluste von 30% bzw. 36%, während China und der ASEAN-Raum mit Rückgängen von 15% bis 20% stabiler waren, aber ebenfalls eine Abwärtstendenz aufwiesen.

Vergleicht man dies mit der aktuellen Marktsituation, so fällt auf: Die bisherigen Verluste seit dem 2. April betrugen weniger als die Hälfte dessen, was in klassischen US-Bärenmärkten typisch war. Auch bei den Gewinnschätzungen sieht es bislang harmlos aus. Während in früheren Rezessionsphasen die Gewinnschätzungen (EPS) für den MSCI EM im Median um 21% sanken, gab es in diesem Jahr bisher nur minimale Anpassungen von 0,4%. Dies deutet an, dass die Risiken noch nicht vollständig eingepreist sein könnten.

Noch keine echten Krisenbewertungen

Gleiches gilt im Negativszenario für die Bewertungen: Mit einem KGV von 11,2 auf Sicht der nächsten zwölf Monate liegt der MSCI EM Index im langjährigen Mittel. Früher wurden in Rezessionen aber teils deutlich tiefere Bewertungsniveaus erreicht – die geschätzte KGV-Spanne lag zwischen 6,9 und 11,1. Anleger, die jetzt einsteigen, setzen also auf die Hoffnung, dass es diesmal nicht so schlimm kommt oder eine US-Rezession ausbleibt.

Hoffnung ist mit Blick auf die Ausgangslage in den Schwellenländern selbst nicht ganz unbegründet. Goldman Sachs weist jedenfalls auf einige Unterschiede zu früheren Krisen hin: Das Engagement institutioneller Investoren in Schwellenländern ist gering, was Spielraum für Mittelzuflüsse lässt. Auch der im Gegensatz zu früheren Krisen diesmal schwächere US-Dollar helfe Schwellenmärkten, und auf lokale Märkte vor Ort ausgerichtete Unternehmen mit stabilen Bilanzen gelten als weniger anfällig.

Fakt ist aber auch, dass sich all dies noch nicht in den Kursen niedergeschlagen hat. Der MSCI EM notiert derzeit auf einem erstmals bereits 2007 erreichten Niveau. Von einem Aufbruch in eine neue Phase robuster EM-Performance ist also noch wenig zu sehen. Es erscheint daher ratsam, aggressive Wetten auf Schwellenländeraktien zurückzustellen, bis sich die Rezessionsgefahr in den USA wieder gelegt hat. Gezielte Engagements in EM-Aktien mit überzeugender Langfrist-Story und vernünftiger Bewertung schließt dies aber nicht aus.

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