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Saudi-Arabien – Auf dem Weg in die neue Normalität

Das Doppeldefizit in Staatsfinanzen und Leistungsbilanz verfestigt sich, während der Öl-Anteil in der saudischen Wirtschaft demnächst unter die 20%-Marke fällt: Der einstige Ölstaat wird immer mehr zu einem normalen Schwellenland.

Martin Klingsporn,
Saudi-Arabien auf einer Karte
Saudi-Arabien auf einer Karte © cc0

Saudi-Arabien hat sich als äußerst widerstandsfähig gegenüber Schocks erwiesen, die Nicht-Öl-Sektoren sorgen für stabiles Wachstum, die Inflation ist unter Kontrolle und die Arbeitslosigkeit hat einen Rekordtiefstand erreicht. Die Aussichten schätzt der IWF weiterhin als positiv ein, auch wenn die mittelfristige Projektion des IWF im neuen Artikel-IV-Report eine langsam von 3,9% (2026) auf 3,3% (2030) zurückgehende Wachstumsrate ausweist. In diesem Zeitraum soll die erkennbar in Gang gekommene Diversifizierung der Wirtschaft weiter vorankommen, die damit weitere Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks aufbauen wird.

2024 wuchs das reale BIP außerhalb des Ölsektors um 4,5%, angetrieben durch den Einzelhandel, das Gastgewerbe und das Baugewerbe, während sich die Ölförderung im Zuge der Produktionskürzungen der OPEC+ bei 9 Mio. bpd hielt, was zu einem Rückgang des Öl-BIP um 4,4% und einem schwächeren Gesamtwachstum von 2% führte. In der mittelfristigen Projektion wächst der non-Öl-Anteil am BIP von 75,5% (Ist-Wert 2024) auf geschätzte 81% (für 2030). Fiskus und Notenbank verfügen weiterhin über stattliche Reserven und Puffer, denen allerdings auch verfestigte Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite über den gesamten Zeithorizont bis 2030 gegenüberstehen. Das Staatsdefizit soll sich der IWF-Projektion zufolge von zuletzt 4% auf etwa 3,2% vom BIP zurückbilden, während das Defizit in der Leistungsbilanz parallel dazu von 0,5% (2024) auf ebenfalls 3,2% vom BIP (2030) ansteigt: Auch für Saudi-Arabien wird das aus vielen Schwellenländern bekannte Doppeldefizit zur neuen Normalität. Allerdings kann das Königreich noch eine ganze Weile von den hohen Reserven zehren, trotz der Nettokreditaufnahme im Ausland und einem gewissen Abbau des Auslandsvermögens stabilisierten sich die Nettoauslandsaktiva der saudischen Zentralbank bei 415 Mrd. Dollar und deckten damit 187% des vom IWF als sinnvoll erachteten Niveaus der Währungsreserven (Importwert für etwa 6 Monate) ab.

Bau und Dienstleistungen als Investmentziele

Der Bankensektor bleibt davon unberührt, die Kapitalausstattung ist hoch, die Quote der notleidenden Kredite auf einem Tiefststand, wie auch die Arbeitslosigkeit unter den saudischen Staatsangehörigen, was für eine kompetente Wirtschaftspolitik spricht. Die robuste Binnennachfrage ist ein gutes Indiz für einen bislang erfolgreichen Strukturwandel. Das Wachstum dieses Sektors sollte auch mittelfristig nicht unter 3,5% sinken angesichts der staatlich angestoßenen Programme und Projekte. Saudi-Arabien wird mit dem sich verfestigenden Doppeldefizit immer mehr zu einem „normalen“ Schwellenland, welches aber auch immer deutlicher die entsprechenden Chancen zeigt. Namentlich Bauwirtschaft und Dienstleistungssektor bieten sich als Investmentziele an.

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