Protektionismus, Gegenschläge und die Risiken für Schwellenländer

Inmitten eines immer heftiger werdenden Handelskonflikts zwischen den USA und Europa zeichnet sich weltweit ein besorgniserregendes Bild ab. Per Anfang März 2025 waren auf der ganzen Welt 4.650 Handelsbeschränkungen wirksam – ein Anstieg um 75% seit Donald Trumps erster Amtszeit 2016, zeigt eine Auswertung von Global Trade Alert, einer Schweizer gemeinnützigen Organisation, die die internationale Handelspolitik überwacht. Dabei betreffen diese Maßnahmen Zölle, Antidumpingabgaben, Quoten und andere Importbeschränkungen. Besonders auffällig: Zwar verzeichnet China mit einem Anstieg von 23% pro Jahr den stärksten Zuwachs, jedoch haben die USA seit 2008 – und damit schon vor Trumps erster Amtszeit – doppelt so viele Barrieren aufgebaut wie jedes andere Land und steigern diese kontinuierlich um rund 18% jährlich.
Doch nicht nur die USA drehen an der Zollschraube. Auch andere Wirtschaftsräume greifen zu protektionistischen Mitteln. Südkorea und Vietnam haben bereits im Februar harte Maßnahmen gegen chinesischen Stahl eingeführt, um lokale Produzenten vor Dumpingpreisen zu schützen. Mexiko hat eine Antidumping-Untersuchung gegen chinesische Chemikalien und Kunststoffplatten eingeleitet, während Indonesien neue Abgaben auf in der Verpackungsindustrie eingesetzten Nylon plant. Sogar das sanktionierte Russland versucht, den Zustrom chinesischer Autos zu begrenzen – trotz der politischen Nähe von Russlands Präsident Wladimir Putin zu Chinas Staatschef Xi Jinping.
Europa reagiert ebenfalls. Als Antwort auf Zölle auf Stahl und Aluminium plant die EU, voraussichtlich ab Anfang April Vergeltungszölle auf US-Motorräder, Rindfleisch und Whiskey zu erheben. Darüber hinaus könnten die Europäer auf Trumps Vorwurf reagieren, Europas Mehrwertsteuer sei eine Art illegaler Zoll. Mithilfe eines relativ jungen Instruments – den erst im Dezember geschaffenen „Maßnahmen gegen wirtschaftliche Nötigung“ – könnten US-Importe selektiv verboten oder US-amerikanische Firmen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Die „nukleare Option“ – die Aussetzung des geistigen Eigentumsschutzes, etwa bei Markenrechten – wird als letztes Druckmittel in Aussicht gestellt. Solche Schritte sollen den wirtschaftlichen Druck auf die USA erhöhen und signalisieren, dass man sich nicht in erzwungene politische Entscheidungen drängen lässt.
Das gegenseitige Hochschaukeln wird jedoch nicht ohne gravierende Folgen bleiben. Eskalierende Handelskonflikte könnten besonders Schwellenländer in ihrer Entwicklung bremsen. Diese Länder sind in der Regel weniger in der Lage, protektionistische Maßnahmen abzufedern und leiden unter Unsicherheiten der globalen Lieferketten. Sie tragen auch überproportional schwer an einer globalen wirtschaftlichen Abkühlung: Fitch Ratings hat gerade die globalen Wachstumsaussichten für 2025 auf 2,4% gesenkt (nach 2,9% im Vorjahr) und führt dies unter anderem auf „die wahrscheinlichen Auswirkungen eines eskalierenden Handelskriegs“ zurück.
Zentral bleibt die Frage: „Und wie geht es jetzt weiter?“ Es ist kaum vorstellbar, dass die Welt kurzfristig zu dem geordneten System offener Handelsströme zurückfindet, das nach dem Krieg durch die GATT-Vereinbarung („General Agreement on Tariffs and Trade“) und ab 1995 durch die Welthandelsorganisation WTO etabliert wurde. Vielmehr scheinen nationale Interessen und der Schutz kritischer Industrien – von Elektroautos über grüne Technologien bis hin zu Halbleitern – erneut die Oberhand zu gewinnen. Eine solche Entwicklung birgt das Risiko, den Freihandel nachhaltig zu beschädigen und den globalen Wohlstand zu gefährden.
Dennoch besteht Hoffnung. Kleine, koordinierte Schritte in Richtung multilateraler Lösungen könnten einen Beitrag leisten. Das Verständnis muss wachsen, dass Handelskriege und Zollabschottungen letztlich nur Verlierer auf allen Seiten schaffen – sei es in entwickelten Volkswirtschaften oder in Schwellenländern. Es gilt, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und den Spagat zwischen notwendigem Schutz und globaler Zusammenarbeit zu meistern. Nur so lässt sich der Freihandel langfristig bewahren und gleichzeitig eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in allen Regionen fördern.