Afghanistan – Neustart im Schnittpunkt regionaler Konflikte

Die Taliban stehen aufgrund der westlichen Sanktionen unter starkem wirtschaftlichen Druck. Er wurde für sie umso gefährlicher, als das Netzwerk der al-Qaida zum inneren Gegner geworden ist. Die beiden islamistischen Hardliner unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt: Die Taliban beschränken ihre Herrschaftsansprüche auf Afghanistan, die al-Qaida Gruppen zielen mittlerweile auf China als Hauptfeind aufgrund der Repression gegen die überwiegend muslimischen Ethnien Zentralasiens. Peking geht unterschiedslos gegen Uighuren, Kasachen, Usbeken oder Tadschiken vor, auch ohne Rücksicht auf die fremden Staatsbürgerschaften im Rahmen des Grenzverkehrs mit den fünf zentralasiatischen Republiken. Deren Führungen schweigen bislang dazu, um wirtschaftlicher Vorteile willen, was den dortigen Islamisten Zulauf verschafft. Das Crocus-Attentat in Moskau im März vergangenen Jahres zeigte die Reichweite und Schlagkraft der Miliz.
Infrastruktur als Stolperstein
Mittlerweile setzen die Taliban auf wirtschaftliche Entwicklung und Kooperation mit den Nachbarn als Gegenstrategie. Eine zentrale Rolle spielen dabei die immensen Bodenschätze Afghanistans: Im Oktober schloss das Ministerium ein Erdgasförderprojekt im Wert von 1 Milliarde US-Dollar mit der usbekischen Ariel-Gruppe ab. Auch bei der Eisenmine Ghorian gibt es Bewegung: Offenbar ist ein Investor für das abgelegene und unerschlossene Vorkommen gefunden. Im November wurden weitere Projekte an internationale Bergbau-Konsortien vergeben sowie hunderte kleine Vorkommen an lokale Investoren, die jetzt schon durch wöchentliche Versteigerungen der Produkte Arbeitsplätze und lokale Einnahmen schaffen. Dabei erhält Kabul zehn Prozent der Erlöse. So arbeiten allein in der Provinz Panjshir 10.000 Bergleute in 550 Smaragdminen.
Die Regierung bereitet derzeit Genehmigungen für Rubinminen vor. Die Taliban kooperieren auch mit der chinesischen Xinjiang Central Asia Petroleum and Gas Company bei der Öl-Förderung im Amu-Darya-Feld. Zudem wird die Kohleförderung weiter ausgebaut, für den Export nach Pakistan. Und weitere Projekte stehen an wie die Erdgaspipeline Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien (TAPI) und die Kupfermine Mes Aynak sowie ein kürzlich ausgeschriebenes, großes Blei- und Zinkprojekt in der Provinz Bamyan.
All diese Projekte kranken allerdings noch daran, dass sowohl die Energieversorgung als auch die Verkehrswege ausgebaut werden müssen. So etwa bei der Kupfermine Mes Aynak, die seit mehr als 16 Jahren stillsteht. Der Erzabbau ist ohne Bahnanschluss oder Verhüttung am Ort nicht rentabel. Das in der ursprünglichen Planung vorgesehene Kraftwerk samt Hütte fehlt aber noch immer. Trotz der politischen Risiken könnte mit Unterstützung der Nachbarn eine überraschend starke Entwicklung in Gang kommen. Interessierte Investoren bleiben vorerst auf Titel beteiligter Unternehmen aus den Nachbarländern angewiesen.