Sentiment

Wie schwach ist Europa wirklich?

Ray Dalio ist bekannt für klare Ansagen – und sein jüngstes Interview mit dem „Handelsblatt“ reiht sich nahtlos in diese Tradition ein. Seine Diagnose: Ein schwaches, gespaltenes Europa läuft Gefahr, im globalen Machtspiel unterzugehen. Diese Analyse ist nicht völlig von der Hand zu weisen.

Klaus Brune,
Europaflagge
Europaflagge © Lizenzfrei

Wir haben uns zuletzt optimistisch zum „alten Kontinent“ geäußert. Aber ohne Frage zeigen sich in Europa nicht erst seit heute Schwächen. Die mangelnde Geschlossenheit in zentralen Fragen – sei es bei der Verteidigungsstrategie, der Wirtschaftspolitik oder der Energieversorgung – sorgt für ein uneiniges Auftreten. Deutschland und Frankreich, einst die Motoren für Einheit und Fortschritt in Europa, sind derzeit mehr mit innenpolitischen Herausforderungen beschäftigt. Ob sich in Deutschland jetzt etwas ändert?

Auch Dalios Kritik an der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Europas („es macht zu wenig aus seinem Binnenmarkt“) trifft einen wunden Punkt. Bürokratie, langsame Entscheidungsprozesse und fehlender Innovationsgeist bremsen das Wachstum. Besonders Deutschland, einst bewundert für seinen Erfindungsreichtum, muss wieder Lösungen für sein anämisches Wachstum finden – sicher ist das aber nicht.

Doch es gibt auch positive Zeichen. In den USA sinken die Gewinnerwartungen der Unternehmen, während in Europa der wirtschaftliche Pessimismus seinen Tiefpunkt erreicht haben könnte. Laut FactSet haben mehr Unternehmen des S&P 500 eine negative EPS-Guidance für Q1 herausgegeben als im Fünfjahresschnitt – ein Zeichen wachsender Unsicherheit.

Und dann ist da noch das globale Schuldenproblem. Dalio sieht die USA auf einen finanziellen Infarkt zusteuern, eventuell schon „in zwei, drei Jahren“. Die Schuldenexplosion der letzten Jahre ist ein Risiko, das auch Europa nicht ignorieren kann.

Europa steht also vor gewaltigen Herausforderungen. Vieles wird davon abhängen, ob Europa die Kraft findet, mit einer stärkeren, einheitlicheren Stimme zu sprechen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wohin die Reise geht – und wir werden das Thema für Sie weiter aufmerksam begleiten.

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