Wen Trump mit der Pillen-Preisbremse wirklich im Visier hat
Trump kündigt eine radikale Preisbremse im Pharmasektor an und verspricht US-Patienten günstigere Medikamente. Doch sein "Most-Favored-Nation"-Modell zielt nicht auf die Pharmagiganten, sondern auf eine andere Gruppe im Gesundheitssystem.

Mit einer seiner zahlreichen Executive Orders hat Präsident Donald Trump am 12. Mai ein zentrales Thema seiner ersten Amtszeit wieder aufgegriffen: Bei US-Arzneimitteln sollen Lieferanten künftig ihre Preise an die niedrigsten Sätze in anderen Industriestaaten anpassen. Im Kern sieht der Erlass vor, Herstellern Direktverkäufe an Patienten zu den weltweiten Niedrigstpreisen zu ermöglichen und gleichzeitig Importe aus Ländern mit günstigen Listenpreisen zu erleichtern.
Der Hintergrund ist die enorme Bedeutung des US-Marktes: Mit etwa 600 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz ist er nicht nur der weltweit größte Pharmamarkt, sondern generiert fast 60% aller globalen Arzneiverkäufe, obwohl die USA nur 4% der Weltbevölkerung stellen.
Umsetzung ist alles andere als trivial
Eine Studie von One Advisor prognostiziert bei einer jährlichen Wachstumsrate von knapp 6% bis 2033 ein Volumen von über einer Billion Dollar. Was den Präsidenten dabei wurmt: Die Preise für verschreibungspflichtige Markenpräparate liegen im Schnitt fast dreimal so hoch wie in 33 Vergleichsländern – exakt 2,78-mal –, bei Originalmedikamenten sogar 4,22-mal. Was Trump aber nicht erwähnt: Nachahmerprodukte sind in den USA wegen des hohen Konkurrenzdrucks mit rund zwei Dritteln des internationalen Preises vergleichsweise günstig.
Die praktische Umsetzung des „Most-Favored-Nation-Modells“ für Arzneimittelpreise ist alles andere als trivial. Zunächst sind Verhandlungen mit den Herstellern geplant, um in den kommenden sechs Monaten Zielpreise auszuhandeln. Scheitern diese Verhandlungen, greift automatisch die Meistbegünstigten-Klausel. Durch diese zeitliche Staffelung wird eine sofortige Umsetzung hinausgezögert, was den Aktien der betroffenen Pharma-Firmen schon am Tag des Erlasses einen Schub verlieh. Das befürchtete „Worst-Case-Szenario“ wurde vorerst abgewendet.
Wer den Druck spüren wird
Analysten sehen weniger die großen Pharmakonzerne unter Druck, sondern vor allem die zahlreichen Intermediäre im US-Gesundheitswesen. Hintergrund ist, dass das „Most-Favored-Nation“-Modell Zwischenhändler (sog. „Pharmacy-Benefit-Manager“), die bislang Rabatte und Rückvergütungen mit den Herstellern aushandelten, ebenso wie Versicherer und Arzneimittel-Großhändler außen vor lässt. Betroffen sind große Versicherer wie Cigna, CVS Health und UnitedHealth Group, die über Tochtergesellschaften PBM-Dienste anbieten, sowie Arzneimittel-Großhändler wie McKesson, Cencora und Cardinal Health. Deren Margen dürften unter dem neuen Modell deutlich schrumpfen, während die Hersteller dank Direktvertrieb mit potenziell höheren Nettoerlösen rechnen können.
Hinzu kommt: Ist das der klassische „Trump-Deal-Maker-Move“? Mit maximalen Forderungen starten und am Ende minimale Verbesserungen als großen Erfolg verkaufen? Branchenkenner halten es durchaus für möglich, dass sich der US-Präsident in einigen Wochen mit Vertretern der Pharma-Branche auf einer Bühne zeigt und Preissenkungen von vielleicht 20% als persönlichen Erfolg verkauft – am Ende vielleicht aber vor allem bei Produkten, die ohnehin kurz vor dem Patentablauf stehen.
Auch Big Pharma wird leiden
Für „Big Pharma“ könnte es am Ende also milder ablaufen, auch wenn die Einschnitte spürbar bleiben werden. UBS-Analysten schätzen, dass eine globale Ausweitung des Niedrigstpreisprinzips die Nettoerträge der Branche bis 2028 um etwa 8% senken könnte. Zwar könnten höhere Absatzmengen die Verluste teilweise kompensieren, Volumenzuwächse würden die Preisnachlässe aber nicht vollständig aufwiegen. Entscheidend ist ihr US-Anteil am Gesamtgeschäft und die dort erzielten Margen. Auf welche zwei Faktoren bei Pharmakonzernen zu achten ist, klären wir in unserem Stück „Wenn der US-Markt zum Risiko wird“.