Vossloh-CFO Triska: „Wir erwarten ein starkes zweites Halbjahr“
Infrastrukturprojekte weltweit, politische Unsicherheiten und ein starker Heimatmarkt – Vossloh-CFO Thomas Triska im PLATOW-Interview über globale Wachstumschancen, Effekte der Sateba-Übernahme und die Positionierung im Wettbewerb.

Hallo Herr Triska, in unserem letzten Gespräch hatten Sie die USA als Wachstumstreiber identifiziert. Wie hat sich die Lage dort seitdem entwickelt – insbesondere mit Blick auf die neue politische Situation in den USA?
Grundsätzlich hat sich die Gesamtsituation in den USA nicht wesentlich verändert. Auch als wir das letzte Mal sprachen, war absehbar, dass Donald Trump ins Weiße Haus einziehen würde. Wir erwarten unverändert in den USA höhere Umsätze im laufenden Geschäftsjahr im Vergleich zu 2024: Wir sehen eine verstärkte Nachfrage, etwa von BNSF und Union Pacific, wo wir aktuell wieder in größerem Umfang liefern. Bei der Hochgeschwindigkeitsstrecke, über die wir gesprochen haben – Brightline West – sind wir unverändert zuversichtlich, noch in diesem Jahr Vertragsunterzeichnungen und gegebenenfalls erste Auslieferungen gegen Jahresende vorzunehmen.
Spielt die Zollpolitik unter Trump also keine Rolle für Ihre Geschäfte?
Teilweise. Wir beziehen Stahl für die Bewehrung von Betonschwellen aus Mexiko. Durch die Zölle wird das Material teurer. Zwar prüfen wir US-Lieferanten als Alternative, doch auch hier zeichnet sich ab, dass die Preise steigen. Über unsere Preisgleitklauseln lässt sich das meist gut kompensieren – allerdings mit zeitlichem Versatz. Daher rechnen wir in diesem Jahr mit leichtem Druck auf die Profitabilität in unserem Geschäftsfeld Tie Technologies, auch wenn Stahl nicht der größte Kostenblock bei Betonschwellen ist. Das Thema bereitet uns aus Konzernsicht Stand heute insgesamt aber keine allzu großen Sorgen.
Bei einigen Projekten kam es jüngst zu Verzögerungen. Wie ist das zu bewerten?
Verschiebungen gehören bei Neubauprojekten oder umfangreichen Streckensanierungen dazu. Die Planungsphase umfasst in der Regel viele Jahre, so dass Verschiebungen um einige Quartale durchaus im Rahmen liegen. Ähnliches haben wir bereits 2024 erlebt. Die Auslieferungen für einige Projekte in China haben sich beispielsweise von 2024 nach 2025 verschoben, wovon wir dieses Jahr profitieren. Selbst wenn also ein bis zwei Projekte ins Jahr 2026 rutschen, sehen wir insgesamt weiterhin eine sehr positive Entwicklung, übrigens auch in den USA.
In Ihren Q1-Zahlen war von rückläufigen Orders die Rede. Woran lag das?
Das Bild ist differenzierter: Unsere Book-to-Bill-Ratio war sogar besser als im Vorjahr (1,35 gegenüber 1,3). Wir haben zum Ende des ersten Quartals einen Rekordwert beim Auftragsbestand. Die geringfügigen Schwankungen beim Auftragseingang hängen unter anderem auch davon ab, wann Kunden aus Rahmenverträgen abrufen. In China etwa war zudem der Auftragseingang zu Jahresbeginn spürbar geringer, aber wir haben kürzlich einen größeren Auftrag gemeldet, der im Q2 erfasst wird.
In Europa lief es bei den Aufträgen zuletzt gut – speziell in Deutschland und Großbritannien. Gibt es hier Verschiebungen der regionalen Dynamik?
Deutschland entwickelt sich sehr positiv, mittel- bis langfristig möglicherweise stärker als ursprünglich geplant. Der Bundeshaushalt 2025 ist zwar noch nicht verabschiedet, aber dennoch liegt der Auftragseingang zu Jahresbeginn über dem bereits hohen Vorjahreswert. In UK betrifft der Anstieg beim Auftragseingang vor allem das Hochgeschwindigkeitsprojekt London–Birmingham. Insgesamt ist der europäische Instandhaltungsmarkt intakt und wächst weiter.
Deutschland bleibt also ein Schlüsselmarkt. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein – insbesondere vor dem Hintergrund der angekündigten Infrastrukturpakete?
Der deutsche Markt hat bereits stark angezogen. Unser Umsatz in Deutschland lag 2022 bei rund 100 Mio. Euro, 2024 schon bei 170 Mio. Euro. Das liegt nicht nur am Marktwachstum, sondern auch an unserem erweiterten Angebot. Wir haben neue Produkte und Services eingeführt und sind z. B. auch mit einem vierjährigen Rahmenvertrag für Weichenlieferungen erstmals in Deutschland vertreten. Die Deutsche Bahn selbst hat Investitionsbedarf von rund 290 Mrd. Euro bis 2034 kommuniziert, davon ist bislang weniger als die Hälfte durch bestehende Finanzierungszusagen gedeckt. Wir gehen davon aus, dass ein wesentlicher Teil des offenen Bedarfs durch das neu geschaffene Sondervermögen finanziert werden wird.
Wann erwarten Sie die Effekte aus diesen Mitteln?
Aktuell gibt es noch Unsicherheiten, vor allem wegen des immer noch fehlenden Haushalts und der angekündigten personellen Veränderungen bei der Bahn. Die Nachfrage ist daher derzeit etwas verhaltener, als wir dies vor einigen Monaten noch angenommen hatten. Sobald Klarheit herrscht, erwarten wir Nachholeffekte und eine weitere spürbar positive Entwicklung.
Wie steht es um den Abschluss der Sateba-Übernahme? Ursprünglich hatten Sie ja für Mai geplant.
Wir gehen fest davon aus, dass wir die ausstehende Freigabe in den kommenden Monaten erhalten und dann zeitnah den Vollzug abschließen werden. Acht von neun Wettbewerbsbehörden haben bereits freigegeben, ein Land befindet sich noch in Prüfung. Sobald wir die finale Genehmigung haben – dies könnte im Juni oder Juli der Fall sein – peilen wir einen Abschluss zum Folgemonatsbeginn an.
Sie haben für 2025 einmal mit und einmal ohne Sateba geguided. Welche Effekte erwarten Sie durch die Übernahme für Umsatz und EBIT konkret? Wird durch den zeitlichen Verzug der Übernahme das Margenziel noch erreichbar sein?
Ja, wir sind unverändert sehr zuversichtlich, unsere Guidance für das Jahr 2025 zu erreichen. In der aktuellen Konzernstruktur erwarten wir für 2025 einen Umsatz zwischen 1,25 Mrd. und 1,325 Mrd. Euro sowie ein EBIT zwischen 110 Mio. und 120 Mio. Euro. Die EBIT-Marge erwarten wir zwischen 8,5 und 9,5%. Wenn wir Sateba closen, rechnen wir pro Monat mit rund 30 Mio. Euro zusätzlichem Umsatz und ca. 4 Mio. Euro EBIT vor Effekten aus der Verteilung des Kaufpreises (Purchase Price Allocation). Diese werden in den ersten 18 Monaten voraussichtlich aufgrund der Marge des übernommenen Auftragsbestands signifikant sein. Aber nach dieser Phase rechnen wir mit zweistelligen EBIT-Margen für Sateba auch inklusive verbleibender PPA-Effekte. Unser mittelfristiges Ziel von 10% EBIT-Marge bis 2030 im Vossloh-Konzern wird somit durch die Transaktion unterstützt.
Gibt es neben Sateba noch weitere Übernahmeprojekte, die Sie konkret im Blick haben?
Wir schauen uns laufend eine Vielzahl von Unternehmen an – manche konkreter, andere weniger. Der Schwerpunkt liegt naturgemäß in Europa, da dort auch unser Umsatzfokus liegt. Vor allem im Servicegeschäft könnten hier weitere Akquisitionen folgen. Aber auch in Nord- und Südamerika schließen wir keineswegs Zukäufe aus. In unserer Branche ist es allerdings so, dass viele interessante Unternehmen in privater Hand sind. Wir können den Prozess nur begrenzt steuern. Es muss Verkaufsbereitschaft vorhanden sein – dann stehen wir als Partner bereit.
Gibt es derzeit Gespräche?
Ja, Gespräche führen wir viele, aber es gibt aktuell kein ganz konkretes Projekt. Bei den letzten beiden Übernahmen in Skandinavien und in Frankreich – Scandinavian Track Group (STG) und France Aiguillages Services (FAS) – lagen die Kaufpreise jeweils unter 10 Mio. Euro. Deals in dieser Größenordnung sind in relativ kurzer Zeit verhandelbar. Wir werden dann natürlich zeitnah informieren, können aber verständlicherweise zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkreter darauf eingehen. Die Akquisition von Sateba hat allerdings Aufmerksamkeit erzeugt, und wir spüren, dass sich andere Marktteilnehmer nun mit ihrer eigenen Zukunft auseinandersetzen – etwa mit der Frage, an wen man das Unternehmen langfristig übergibt. Das öffnet Türen für Gespräche.
Sie haben Anfang Mai einen neuen Auftrag in China vermeldet. Wie ist der Markt dort aktuell für Vossloh einzuschätzen?
Wir sind seit Beginn des Baus von Hochgeschwindigkeitsstrecken vor knapp 20 Jahren ein etablierter Lieferant von Schienenbefestigungssystemen im dortigen Hochgeschwindigkeitsmarkt. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass China bereits 49.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut hat – mehr als der Rest der Welt zusammen – und bis 2035 auf 70.000 Kilometer kommen will. Wir haben dort in diesem Segment einen stabilen Marktanteil von rund 20 % und sind regelmäßig bei Ausschreibungen erfolgreich, zuletzt bei der Strecke Yulin–Cenxi.
Wie unterscheidet sich das chinesische Geschäft von dem in Europa?
In China ist das Geschäft projektbezogen und somit hinsichtlich der Umsatzlegung volatil, während wir in Europa überwiegend besser planbar aus Rahmenverträgen liefern und somit kontinuierliche Umsatzbeiträge realisieren. 2024 war beispielsweise das Q1 in China extrem stark, 2025 haben wir hingegen im Vergleichszeitraum so gut wie keine Auslieferungen gesehen – aber das wird sich im Jahresverlauf umkehren. Wir erwarten in diesem Jahr ein spürbares Umsatzwachstum in China gegenüber 2024. Mittel- bis langfristig erwarten wir aufgrund der geschilderten Rahmenbedingungen kein wesentliches Wachstum im Hochgeschwindigkeitssegment, da Instandhaltung noch keine große Rolle spielt – die Strecken sind schlicht noch zu neu.
Ab wann würde hier in der Regel der Instandhaltungszyklus beginnen?
Die Lebensdauer hängt stark von der Beanspruchung der jeweiligen Strecke ab. Als Faustregel ist aber eine durchschnittliche Lebensdauer von rund 25 Jahren eine gute Näherungsgröße. Wenn man bedenkt, dass somit jährlich etwa 4 % der Infrastruktur ausgetauscht werden müssten und dies in den letzten Jahren bei weitem global gesehen nicht der Fall war, wird klar: Es besteht weltweit Nachholbedarf.
Zurück zu den regionalen Märkten: Wie entwickelt sich das Geschäft in Afrika?
Sehr dynamisch. 2025 wird ein umsatzstarkes Jahr. Wir haben kürzlich mehrere Aufträge in Algerien erhalten – für Weichen und Schienenbefestigungen. Algerien plant, sein Streckennetz zu verdreifachen. In Marokko beliefern wir schwerpunktmäßig ab 2026 eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke von Casablanca nach Marrakesch – ein Projekt mit einem Volumen von rund 75 Mio. Euro. Auch Ägypten baut derzeit aus, und in Tansania gibt es interessante Projekte ab 2026. Afrika wird für uns zunehmend relevant.
Seit Jahresbeginn hat die Vossloh-Aktie um über 60% zugelegt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Die Kursentwicklung spiegelt in gewisser Weise die Normalisierung unserer Bewertung wider. In einem Umfeld, in dem kleinere Werte es schwer hatten, konnten wir uns lange nicht vollständig entziehen, obwohl wir die wesentlichen Finanzkennzahlen deutlich gesteigert haben. Jetzt zeigen sich die Fortschritte: Mit der Sateba-Akquisition peilen wir bis 2030 über 2 Mrd. Euro Umsatz und mehr als 200 Mio. Euro EBIT an – verglichen mit 105 Mio. Euro EBIT in 2024. Das unterstreicht: Es gibt weiteres Potenzial.
Welche Trends unterstützen diese Zielsetzung?
Unsere Positionierung ist stark – auch und insbesondere in Deutschland mit marktführenden Schienenbefestigungen, dem erfolgreichen Einstieg ins Weichengeschäft bei der Deutschen Bahn und zunehmend digitalbasierten Services. Wir bieten umfassende Lösungen zur Erhöhung der Verfügbarkeit bestehender Infrastruktur, etwa Hochgeschwindigkeitsschleifzüge oder unseren Schienenwechselzug, der z. B. auf der Strecke Köln–Frankfurt im Einsatz war. Durch Digitalisierung wollen wir Kunden ermöglichen, von einer fristenbasierten zu einer zustandsorientierten oder gar prädiktiven Instandhaltung zu wechseln. Wir haben bereits über 120 Mitarbeitende im digitalen Bereich – Tendenz steigend.
Was erwarten Sie für den weiteren Jahresverlauf?
Wir gehen von einem sehr starken zweiten Halbjahr 2025 aus. Das erste Halbjahr wird solide sein – verglichen mit dem mehrjährigen Durchschnitt sogar gut –, aber im zweiten Halbjahr erwarten wir eine deutlich spürbare positive Entwicklung.
Wie langfristig ist Ihre Projektpipeline?
Unsere zahlreichen Rahmenverträge sowie Projekte wie in Marokko und Ägypten oder die US-Hochgeschwindigkeitsstrecke laufen über viele Jahre. Unsere Visibilität reicht somit weit über 2025 hinaus. Man sollte bei uns grundsätzlich keine kurzfristigen Kurssprünge erwarten – aber wer kontinuierliches, stabiles Wachstum sucht, ist bei Vossloh gut aufgehoben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview mit Thomas Triska haben wir am 14. Mai geführt.
Die Analyse zu Vossloh basierend auf dem Interview finden Sie hier.