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Vossloh-CFO Thomas Triska: „In Life Cycle Solutions geht richtig die Post ab“

Mit dem größten Zukauf der Firmengeschichte hat Vossloh im vergangenen Jahr die Zeichen auf Wachstum gesetzt. Im Interview verrät uns Finanzvorstand Thomas Triska, dass weitere Akquisitionen ganz oben auf der Agenda stehen.

Dominik Görg,
Vossloh-CFO Dr. Thomas Triska
Vossloh-CFO Dr. Thomas Triska © Vossloh

Herr Triska, sie sind jetzt schon seit 2009 bei Vossloh und haben damit quasi die „goldenen Jahre“ des Konzerns hautnah miterlebt. Im November 2020 wurden Sie dann Finanzvorstand. Wie bewerten Sie die Entwicklung von Vossloh in der jüngsten Vergangenheit?

„Wenn man sich die Zahlen von Vossloh anschaut, dann hatten wir 2009 und 2010 Rekordjahre, wo auch die EBIT-Marge getrieben durch die Bahninfrastruktur zweistellig war. Und dann hatten wir einige schwierige Jahre – vor allem aufgrund unseres ehemaligen Geschäftsbereichs Transportation – und wir haben uns gefragt: Wie können wir den Konzern so aufstellen, dass wir wieder in die Größenordnung zweistelliger EBIT-Margen kommen?“

Welche Strategie hat zu dem Erfolg beigetragen?

„Damals haben wir für uns zwei wichtige Dinge identifiziert: Zum einen, dass wir in den Bereichen und Regionen tätig sein wollen, in denen wir idealerweise global marktführende Stellungen einnehmen; und zum anderen, dass wir auch ein gewisses Risikoprofil, wie es im Bereich Transportation der Fall war, in unserem Geschäft nicht mehr tragen wollen.“

Welche konkreten Maßnahmen haben hierzu beigetragen?

„Entscheidend war sicherlich die Fokussierung auf die Bahninfrastruktur und der damit zusammenhängende Verkauf des Geschäftsbereichs Transportation.

Es kommen aber noch zwei weitere Punkte hinzu: Zum einen haben wir 2019 ein Restrukturierungsprogramm aufgesetzt und wir haben 2020 unsere Strategie neu ausgerichtet, weil wir bereits damals gesehen haben, dass unsere Branche einem erheblichen Wandel unterliegt. Und das hängt mit dem zweiten Aspekt zusammen: Der politische Wille, den Verkehrsträger Bahn nachhaltig zu stärken, hat sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Bahn war in der Vergangenheit „Oldest Economy“, Bahn war out, und Bahnstrecken wurden stillgelegt. Wir kommen aus mindestens zwei Jahrzehnten, wo chronisch zu wenig investiert wurde. Doch in den letzten Jahren hat sich die Situation erheblich verändert.“

Welche Länder sind aktuell für Vossloh als Investment besonders attraktiv?

„Für 2025 sehen wir insgesamt in den USA und in Afrika sehr starke Wachstumsimpulse.

Für das Wachstum in den USA sind aktuell 3 Faktoren entscheidend: In den USA kommen wir aus einem tiefen Tal der Tränen. Denn in den USA ist unsere Kundenstruktur etwas anders. Schätzungsweise 85% unserer Kunden sind im Konzern öffentlich finanziert. Damit hat man einfach eine geringere Volatilität und eine höhere Konjunkturunabhängigkeit. In den USA sind jedoch unsere wesentlichen Kunden die Class I‘s, also die Güterverkehrsbetreiber, die nahezu ausschließlich privat finanziert sind. Und die haben in den letzten Jahren vergleichsweise wenig in ihre Schienennetze investiert, sodass wir gerade am Beginn eines Nachholeffektes stehen. Bei Kunden wie BNSF oder auch Union Pacific oder CN zieht momentan spürbar die Nachfrage an. Das ist ein Grund für das Wachstum, was wir erwarten.“

Ein zweiter auch wesentliche Aspekt ist, dass Amtrak, ein Betreiber für Personenverkehr im Nordosten der USA, aus dem Bipartisan Infrastructure Law 2021 eine gigantische Summe von 66 Milliarden US-Dollar bekommen hat, um Strecken auszubauen, zu modernisieren und punktuell zu erneuern.

Nachdem wir jetzt mit Amtrak einen neuen Rahmenvertrag unterschrieben haben, wissen wir bereits, dass die avisierten Mindestabnahmemengen deutlich über dem liegen, was wir in der Vergangenheit gesehen haben. Dabei sind wir der einzige Lieferant für Betonschwellen bei Amtrak. Das stimmt uns sehr zuversichtlich, dass wir auch in diesem Bereich – also nicht nur Frachtverkehr, sondern auch im Personenverkehr – deutlichen Zuwachs sehen.

Und in den USA kommt noch ein dritter Faktor hinzu. Es wird die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke mit Geschwindigkeiten von bis 320 km/h gebaut werden zwischen Los Angeles und Las Vegas. Zwar ist es keine sonderlich lange Strecke, aber eine für uns sehr wichtige. Der Grund: Hochgeschwindigkeitsstrecken werden mit Betonschwellen ausgestattet, was in den USA nicht selbstverständlich ist.“

Ist der Auftrag zu der Hochgeschwindigkeitsstrecke bereits an Vossloh erteilt?

„Nein, wir erwarten die Vergabe im ersten Halbjahr. Wir sind da aber sehr zuversichtlich, da wir aktuell die dafür notwendigen Kapazitäten bereits vorrätig haben. Und wenn sich die Lieferpläne nicht verzögern, ist es auch nicht möglich, dass ein Wettbewerber ein Werk in der gegebenen Zeit aufbaut.“

Von welcher Größenordnung sprechen wir circa bei dem Auftrag?

„Es kommt darauf an, ob wir die Betonschwellen liefern oder ob wir auch die Schienenbefestigung mitliefern. Dann ist das schon ein sehr hoher zweistelliger Millionenbetrag, über den wir in Summe reden. Das wird ein Projekt sein, was über zwei, wahrscheinlich drei Jahre läuft, und bietet ein sehr schönes, nachhaltiges Wachstumspotenzial für den US-amerikanischen Markt.“

Apropos US-Markt: Wie betrachten Sie den Wechsel von Biden zu Trump in den USA hinsichtlich der Wachstumspotenziale?

„Biden ist ein bekennender Bahnfahrer. Da wird man sehen, ob die Trump-Administration jetzt im Bereich Hochgeschwindigkeit andere Prioritäten setzt. Grundsätzlich sehen wir kurzfristig keine negativen Auswirkungen auf unser Geschäft, weil sowohl die Frachtbetreiber investieren müssen und auch Amtrak investieren wird. Was das aber perspektivisch für weitere Hochgeschwindigkeitsprojekte bedeutet, das wird man sehen. Auf die genannte Strecke zwischen Los Angeles und Las Vegas sollte der Wechsel keine Auswirkung haben.“

Wenn man sich das Geschäft von Vossloh anschaut. Wo sind die größten Wachstumspotenziale?

„Der Bereich Core Components enthält unsere Betonschwellen und Schienenbefestigungen und der Bereich Customized Models unsere Weichen. Da findet kontinuierliches Wachstum in Abhängigkeit der Instandhaltungstätigkeit der Staatsbahn statt.

Wo aber in Anführungsstrichen „richtig die Post abgeht“, das ist unser Servicegeschäft: Da haben wir in den letzten fünf Jahren die Umsätze verdoppelt. Hier waren wir vor 5 Jahren bei knapp 100 Mio. Euro Umsatz, 2024 werden wir wahrscheinlich die 200-Mio.-Euro- Marke geknackt haben. Zum einen erbringen wir hier Dienstleistungen für Schienenlieferanten, indem wir Schienen zu Langschienen zusammenschweißen und dann an die Baustellen transportieren. Zum anderen bieten wir in dem Bereich Services wie das Hochgeschwindigkeitsschleifen oder Schienenfräsen an.

Insgesamt erwarten wir für den Konzern in den nächsten Jahren ein durchschnittliches jährliches Wachstum von mindestens 5%.“

Welche Rolle spielt die Übernahme von Sateba 2024 für Ihre Wahrnehmung als Lösungsanbieter?

„Die Übernahme von Sateba spielt hier eine ganz wichtige Rolle. Sateba ist ein französisches Unternehmen für Betonschwellen und gehört auch zu den führenden Lieferanten in Europa. Hier sind wir zwar mit Schienenbefestigungen und Weichen sehr gut vertreten und auch im Servicegeschäft sehr gut positioniert. Aber hinsichtlich der Betonschwelle war für uns Europa ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Wir erweitern mit der geplanten Übernahme von Sateba unser Portfolio in Europa, wodurch unsere Kunden von einer vertieften Systemkompetenz des Fahrwegs Schiene profitieren werden. Das bringt uns jetzt noch mal in eine bessere Ausgangsposition, um dann auch in der Wahrnehmung unserer Kunden verstärkt als Partner und als Lösungsanbieter gesehen zu werden.“

Sie hatten für die Sateba-Übernahme ja eine Kapitalerhöhung über 71 Mio. Euro durchgeführt. Wieso war die notwendig?

„Sateba ist für uns die mit Abstand größte Akquisition, die Vossloh als Konzern jemals gemacht hat. Der Enterprise Value beträgt 450 Mio. Euro. Und auch wenn wir kein externes Rating haben, streben wir eine Bilanz- und Finanzierungsstruktur an, die für Außenstehende keinen Zweifel daran lässt, dass wir den Kriterien eines Unternehmens mit Investment Grade Rating entsprechen.

Hierfür peilen wir als Zielgröße einen Verschuldungsgrad im Verhältnis von Nettofinanzschuld zu EBITDA von deutlich unter 2,75x an. Vor dem Hintergrund der Sateba-Transaktion haben wir uns dann natürlich genau angeschaut: Was macht das mit unseren Bilanzrelationen?

Und wir wären ohne Kapitalerhöhung wahrscheinlich eher bei 3,0x gewesen statt bei 2,5x.“

Das heißt der Net Leverage liegt jetzt aktuell circa bei 2,5x?

„Also der Net Leverage wird jetzt, wenn wir den Jahresabschluss veröffentlichen, wahrscheinlich unter 1,0x liegen. Das liegt aber daran, dass wir jetzt die Kapitalerhöhung durchgeführt haben und den Kaufpreis noch nicht bezahlt haben.“

Wenn der Kaufpreis bezahlt ist, wird danach der Net Leverage wieder von 1,0x auf 2,5x ansteigen?

„Ja, Ende 2025 werden wir dann wahrscheinlich so um die 2,5x sein. Und damit fühlen wir uns wohl.“

Wann rechnen Sie genau mit dem Abschluss der Sateba-Transaktion?

„Wir erwarten unverändert, dass wir alle Voraussetzungen im Frühjahr 2025 erfüllt haben, um die Transaktion abschließen zu können. Wir sehen, dass wir mit den Freigaben, die wir in den einzelnen Ländern brauchen, sehr gut vorankommen. Intern haben wir den Mai angepeilt.“

Wie beeinflusst Sie die aktuelle Zinspolitik der EZB konkret? Sie haben verschiedene kapitalintensivere Segmente wie Core Components. Wenn jetzt die Zinsen länger als erwartet hoch bleiben, wie würde das dann Vossloh beeinträchtigen?

„Unser jährliches Zinsergebnis, das lag bislang in der Größenordnung von rund -15 Mio. Euro. Das wird sich jetzt mit Sateba ändern, weil wir auch einen Großteil über Fremdkapital finanzieren.
Aktuell sehen wir, dass wir uns wahrscheinlich mit 3,5 bis 4% refinanzieren können. Das ist, was momentan gut darstellbar ist.“

Sind momentan auch noch andere Projekte akquisitionstechnisch geplant? In welchen Märkten wollen Sie noch zulegen?

„Das ist weiterhin ganz oben auf unserer Agenda. Allerdings sollten Sie nicht erwarten, dass wir hier kurzfristig noch mal in einer ähnlichen Größenordnung tätig werden.

In den letzten 4 bis 5 Jahren haben wir in der Regel Transaktionen gehabt, die einen Kaufpreis zwischen 5 Mio. bis zu 20 Mio. Euro hatten. Das sind dann Themen, um Whitespots auf der Landkarte zu schließen, unser Produktportfolio gezielt zu erweitern oder unsere Digitalkompetenz weiter zu stärken. Und ich schließe nicht aus, dass wir da in den nächsten zwei Quartalen noch die ein oder andere kleinere Transaktion sehen werden.“

Wie steht es um Ihre Ziele für 2024 und bis 2030?

„In den letzten Jahren haben wir uns besser entwickelt als der Markt. Schaut man sich Vossloh mal genau an, dann lagen wir vor 4 Jahren bei 870 Mio. Euro Umsatz. In diesem Jahr – also im Gj. 2024 – haben wir aktuell eine Guidance draußen von 1,16 bis 1,26 Milliarden Euro. Aktuell erwarten wir, dass wir wahrscheinlich auf Vorjahresniveau oder knapp darunter, also bei rund 1,2 Mrd. Euro, herauskommen.

2020 waren wir noch operativ bei 58 Mio. Euro EBIT. Dieses Jahr haben wir als Guidance 100 bis 115 Mio. Euro avisiert; und das werden wir auch erreichen, sodass wir das erste Mal seit über einem Jahrzehnt wieder die 100-Mio.-EBIT-Marke überschreiten werden. Verglichen mit vor vier Jahren ist das eine ganz spürbare Verbesserung.

Nach vorne gehend haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass wir im Durchschnitt organisch mindestens um 5% pro Jahr über die nächsten Jahre wachsen. Dann sollte 2030 der Umsatz über 2 Mrd. Euro erreichen.
Bezüglich der Margen haben wir bis 2030 das Ziel, zweistellige EBIT-Margen im Konzern zu erwirtschaften. Rechnerisch ergibt sich daraus ein EBIT von über 200 Mio. Euro.“

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch haben wir am Donnerstag (16.1.25) geführt.

 

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