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GFT-CFO Jochen Ruetz: „Investoren wollen sehen, dass wir die Ziele wirklich erreichen“

GFT Technologies will bis 2029 ein KI-zentriertes Unternehmen sein. Umsatz und Gewinnmarge sollen deutlich zulegen. Im PLATOW-Interview spricht CFO Jochen Ruetz über Potenziale, nervige Zielanpassungen und Übernahmegerüchte.

Thomas Koch,
CFO Jochen Ruetz
CFO Jochen Ruetz © GFT Technologies

Herr Ruetz, auf der jüngsten Investorenkonferenz in München wurden vor allem Kostensparmaßnahmen thematisiert. Können Sie das etwas näher ausführen?

Sehr gerne, wobei ich es inhaltlich etwas anders zusammenfassen würde. Ein großer Teil der GFT läuft planmäßig und gut, nämlich die Märkte von Nord- bis Südamerika und die Asien-Pazifik-Region. Hier geht es um das Wachstum der nächsten Jahre. In Kontinental-Europa sehen wir ein etwas schwächeres Jahr. Hier gilt es tatsächlich Kosten zu managen, ohne zukünftiges Wachstum abzuwürgen. Mit GFT UK und GFT Software Solutions haben wir zwei große Baustellen, wo derzeit ein ganzer Schwung an Veränderungsmaßnahmen in Umsetzung ist. Beide Segmente sollten ab 2026 deutlich besser dastehen, vor allem die Einheit in UK.

Wo liegen dort die Probleme?

Während COVID haben wir die lokale Mannschaft in UK auf Bitten der Kunden deutlich auf 200 Mitarbeiter ausgebaut. Das lief in den Jahren 2021 und 2022 sehr gut. 2023 stagnierte die Entwicklung. 2024 funktionierten dann die internationalen Wertschöpfungsketten wieder und viele Kunden setzten wieder stärker auf international Ressourcenverfügbarkeit und Kosteneffizienz. Wir haben die lokale Mannschaft dann wieder von 200 auf jetzt 40 produktive Kräfte reduziert. Das spüren wir aktuell in den Restrukturierungskosten.

War das ein Einzelfall?

In anderen Ländern gab es diese Kundenwünsche ebenfalls, dort sind wir ihnen aber nicht gefolgt. In UK war es eine Entscheidung des dortigen Managements, die sich anfangs sehr gut gerechnet hat, uns jetzt aber auf die Füße gefallen ist. Ab dem Jahr 2026 wird UK so dastehen wie von uns vorgesehen. Das Ziel ist dort ein Abbild unserer US-Einheit zu schaffen, die momentan sehr gut funktioniert. Dort haben wir auch nur 40 Mitarbeiter vor Ort und 97% der gesamten Aktivitäten werden offshore zugeliefert. Das heißt, viele Leistungen erfolgen nicht vor Ort, sondern zum Beispiel in latein­amerikanischen oder asiatischen Ländern. Dadurch lassen sich Kosten- und Skalenvorteile realisieren. Unsere US-Einheit hat die höchsten Margen im gesamten Konzern.

Wie sieht es bei der zweiten großen Baustelle aus?

Im Bereich Software-Solutions mussten wir einen kontinuierlichen Rückgang der Rentabilität beobachten. Wir haben daraufhin diverse Maßnahmen getroffen. Wir konzentrieren uns hier unter anderem auf operative Effizienz und wie wir Wachstum und die stetige Modernisierung und Weiterentwicklung unserer Produkte beschleunigen können. Aktuell investieren wir gezielt in die Weiterentwicklung unseres Produktportfolios mit einem klaren Fokus auf Cloud-Technologien. Wir gehen davon aus, dass 2025 und 2026 Übergangsjahre sein werden und sehen ab Mitte 2027 dann auch hier wieder die Chance auf Umsatzwachstum und Gewinnsteigerungen.

Sie wollen in Zukunft weltweit eine Führungsrolle in den Bereichen KI, digitale Transformation und Hyperscale-Plattformen einnehmen. Wie groß ist das Interesse und vor allem auch die Bereitschaft der Kunden, im aktuellen Umfeld in KI-Lösungen zu investieren?

Das Interesse der Kunden an KI-Lösungen ist natürlich riesig. Wir unterscheiden hier zwei Themen: Zum einen das, was die Kunden selbst an generativen AI-Lösungen in ihrer eigenen IT-Landschaft implementieren können, um ihre Prozesse zu verbessern. Die meisten unserer Kunden haben hochkomplexe, verschachtelte, teils individuell entwickelte Systemlandschaften. Daher sind die Investitionsentscheidungen gerade bei den großen Kunden recht langsam. Wir sehen etwa bei unseren Großbanken keine riesigen Aufträge rund um KI. Die brauchen Zeit.

Über welche Zeiträume sprechen wir hier?

Wir gehen davon aus, dass eine vollständige Cloud-Transformation etwa zehn Jahre dauern wird. Die meisten Europäer haben 2021/22 angefangen. Wir sind also mittendrin in diesem Zyklus und mittendrin macht niemandem Spaß. Den Firmen entstehen Kosten für den Umstieg auf die Cloud und die noch vorhandenen physischen Datencenter kosten ebenfalls Geld. Manche Kunden verzweifeln ein bisschen an den Kosten, die sich einfach so schnell nicht verbessern. Andere ziehen den Prozess wie geplant durch.

Wie sieht es außerhalb der Bankenlandschaft aus?

Unsere Industriekunden reagieren deutlich schneller. Gemeinsam mit einem globalen Pionier der kognitiven Robotik haben wir eine Softwareplattform entwickelt, die die nächste Generation physischer KI ermöglicht. Dieser Millionenvertrag ist unser bislang größtes Projekt im Bereich KI und Softwareplattformen. Als strategischer Partner helfen wir unserem Kunden, die Lücke zwischen KI-Erkenntnissen und physischer Umsetzung zu schließen.

Sie sprachen von zwei KI-Themen.

Richtig. Als zweites Themenfeld definieren wir einen KI-zentrierten Softwareentwicklungsansatz. Wir nutzen KI, um die Effizienz in der Softwareentwicklung zu steigern – mit dem Ziel, Software schneller, hochwertiger und kosteneffizienter bereitzustellen. Das liegt uns total nah und das bieten wir unseren Kunden auch an. Und es stößt auf großes Interesse. Wir haben dafür ein eigenes Produkt namens Wynxx, wo wir die Zahl der Kunden im zweiten Quartal von 23 auf 42 erhöhen konnten. Unsere Lösungen machen den gesamten Softwareproduktionsprozess der Kunden effizienter. Bradesco Seguros, der größte Versicherungskonzern in Brasilien und Lateinamerika, hat durch den Einsatz von Wynxx die Produktivität in der Softwareentwicklung gerade um 40% steigern können.

Wird die KI nicht irgendwann den Großteil der Programmierer ersetzen und IT-Dienstleister damit nahezu überflüssig machen?

Wir stellen die Gegenthese auf: Der einzelne Programmierer wird zukünftig mehr Codes entwickeln und damit deutlich effektiver arbeiten. Der Grenzpreis für Coding sinkt logischerweise parallel dazu. Programmierumsetzungen, die in der Vergangenheit einen schlechten Business-Case hatten, haben dadurch plötzlich einen guten Business-Case. Weil man das Ganze in der Hälfte der Zeit entwickeln kann. Wenn man dieselbe Menge an Codes produzieren möchte, braucht man also deutlich weniger Programmierer. Die Nachfrage nach Softwarelösungen wird gleichzeitig aber immer größer. Unsere Kunden etwa brauchen professionelle und individuell auf ihr Geschäft zugeschnittene B2B-Tools. Da hilft keine Standardlösung. Wir gehen, wie die gesamte Branche, aktuell davon aus, dass der Bedarf an Software schneller wächst, als die KI die Arbeit reduziert. Das sollte in Summe wieder zu Umsatz- und Mitarbeiterwachstum bei IT-Service-Unternehmen führen.

Was sagen die institutionellen Anleger zu diesen Gedankenspielen?

Die möglichen Auswirkungen der KI-Story hängen natürlich über der ganzen Branche und beeinflussen auch die Bewertungen der Unternehmen. Alle Player sind aktuell relativ tief im Aktienkurs. Jeder Anleger will wissen, wie viele Programmierer zukünftig noch benötigt werden. Die Investoren mögen unsere Story, wollen aber zumindest einen Ansatz eines Beweises sehen in Form stärkerer Wachstumsraten. Es geht weniger um unsere Baustellen. Da herrscht großes Vertrauen, dass wir das in den Griff kriegen. Aber die Investoren wollen sehen, dass unsere These aufgeht und wir unsere Ziele wirklich erreichen können.

Apropos Ziele: Sie wollen bis 2029 den Umsatz auf rund 1,5 Mrd. Euro und die bereinigte EBIT-Marge auf 9,5% steigern. 2025 sollen es nur 885 Mio. Euro und 7,3% sein. Wo soll das Wachstum herkommen und warum können die Margen in Zukunft so hoch wie nie in den vergangenen Jahren sein?

Ich mache mal eine etwas theoretische Rechnung auf, nur um die Potenziale aufzuzeigen: Wenn wir 2025 die beiden genannten Baustellen und die Wechselkurseffekte außen vor lassen, dann wächst der Rest der GFT mit 11% und erzielt eine bereinigte EBIT-Marge von 9,0%. Viel Konjunktiv, aber das Potenzial wird so klarer. Wir bringen es aktuell nur noch nicht auf die Straße. Unsere Aufgabe ist jetzt, im neuen Jahr unsere zwei Problemfälle in den Griff zu bekommen und keine weiteren zu schaffen. Der Weg zu den avisierten 9,5% Gewinnmarge muss sich dann über Skaleneffekte und Größe ergeben.

Sollen die Wachstumsraten und Margensteigerungen bis 2029 relativ gleichmäßig verlaufen oder rechnen Sie irgendwann mit größeren Sprüngen?

In weiten Teilen sind wir nahe an den 9% bei der Marge. Es sollte kontinuierlich in Richtung 9,5% gehen, nicht sprunghaft. In UK werden wir 2026 keinen Verlust mehr schreiben, weil wir keine Unterauslastung mehr haben und das Team die richtige Größe hat. Wir müssen aber die Kundenansprache in Großbritannien neu denken. Unsere Pipeline wird in UK deshalb erst 2027 in Wachstum münden, 2026 dürften die Umsätze eher stagnieren.

Haben Sie die Mittelfristziele mit Ihren großen Kunden besprochen?

Ja, wir haben uns natürlich mit den Kunden abgestimmt und trauen uns die Zahlen auch zu. Wir haben mit jedem Kunden eine Vision. Intern gehen wir davon aus, dass die Ziele sogar ausschließlich mit unseren Top-50-Kunden erreichbar sind, also ohne irgendeinen Neukunden. Ein Stückweit brauchen wir aber natürlich auch den Markt.

Der Konsens rechnet schon für 2026 und 2027 mit recht deutlichen Steigerungen bei Umsatz und Gewinn. Sind die Schätzungen mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen Ihrer Meinung nach realistisch oder drohen Enttäuschungen bei Vorlage der nächsten Ziele?

Wir sind gerade mitten in unserem Planungsprozess und können daher noch keine konkreten Angaben machen. Die Ziele für 2026 werden normalerweise Anfang März verkündet. Die ersten Ausblicke unserer Wettbewerber fielen mit Blick auf das Wachstum des Marktes allerdings eher verhalten aus. Wir können uns vielleicht ein bisschen abkoppeln, weil wir geographisch etwas anders aufgestellt sind (v.a. starker Anteil in Südamerika). Zudem wirkt sich unser jüngster Zukauf Megawork umsatzmäßig vor allem 2026 aus. Nach unserer Prognoseanpassung für 2025 haben einige Banken auch ihre Schätzungen für 2026 und 2027 reduziert. Der Konsens enthält aber noch ältere Prognosen, die schon länger nicht aktualisiert wurden. Im Research-Bereich passiert aktuell ja auch einiges. Dadurch vermittelt der Konsens vielleicht noch einen etwas falschen Eindruck. Wir gehen davon aus, dass die Analysten nach den Q3-Zahlen Mitte November ihre Schätzungen ggf. noch mal ein bisschen anpassen.

Sie sagten im jüngsten Earnings-Call, dass sie nun schon zwei, drei Jahre in Folge von „einmaligen Restrukturierungskosten“ sprechen und diese Belastungen immer noch bestehen. Das muss Sie als Finanzchef doch extrem nerven. Was stimmt Sie zuversichtlich bzw. warum sollten Anleger darauf vertrauen, dass dieses Thema zeitnah und dann auch über einen langen Zeitraum hinweg eben kein Thema mehr ist?

Wir waren tatsächlich nun sechs Jahre in Folge als Industrie nicht gut mit unseren Prognosen. Die COVID-Phase konnte man nicht richtig guiden, das starke Wachstum 2021/22 haben wir zu Beginn so nicht gesehen und daher zu niedrig eingeschätzt, und die anschließende Erholung 2023/24 dann zu optimistisch prognostiziert. Das ist allen so gegangen im IT-Service-Segment. Die vergangenen 2,5 Jahre waren in unserer Branche geprägt von Gewinnwarnungen. 2025 hatten wir dann unsere selbstgemachten Probleme, vor allem in UK. Dort haben wir das Management daher vollständig ausgetauscht. Aber ja, Prognose-Anpassungen nerven, das kann ich bestätigen. Nach unten noch viel mehr als nach oben.

Wird die Zielsetzung für 2026 infolgedessen einen Tick vorsichtiger ausfallen?

Wir werden realistisch vorsichtig guiden. Eine weitere Enttäuschung würden wir uns und dem Markt tatsächlich gerne ersparen.

Vor gut einem Jahr sagten Sie im PLATOW-Interview „Langfristig wollen wir doppelt so schnell wachsen wie der Gesamtmarkt“. Ist das noch aktuell?

Wir ändern an unserem Anspruch nichts. Doppelt so starkes Wachstum ist weiterhin unser Ziel und wir sehen uns als Gruppe da auch gut positioniert. Ohne UK wachsen wir 2025 schneller als der Markt, weil wir in Kanada, USA, Brasilien und Kolumbien schneller wachsen.

Wie soll die Umsatzverteilung nach Branchen und regional perspektivisch aussehen?

Für 2029 erwarten wir Stand jetzt etwa folgende Verteilung: 65% Banking (aktuell knapp unter 70%), 20% Versicherungen, 15% Industrie- und andere Kunden. M&A-Aktivitäten können die Zahlen natürlich leicht verschieben. Wir bleiben aber weitgehend ein IT-Dienstleister für die Finanzwelt, das ist unsere DNA, da kommen wir her, da haben wir unsere Wettbewerbsvorteile. Regional betrachtet sollten die amerikanischen Märkte weiterhin schneller wachsen als Europa, v.a. Südamerika hat immer noch großen Nachholbedarf.

Apropos M&A, wie sind da Ihre Planungen?

Wir haben gerade ein paar Hausaufgaben zu erledigen, daher steht M&A nicht direkt im Vordergrund. Kleinere Akquisitionen gucken wir uns aber weiterhin an. In unserem Fokus stehen vor allem Implementierungspartner erfolgreicher Softwareprodukte, teilweise mit Nischenansatz. Manchmal sind die exotischen Märkte hier spannender, weil dort höhere Margen möglich sind. Ein gutes Beispiel ist die Anfang September abgeschlossene Übernahme des brasilianischen SAP-Spezialisten Megawork, der zwar nur 18 Mio. Euro Umsatz, aber 20% EBIT-Marge generiert. Der Deal ermöglicht uns zudem den Eintritt in neue Branchen wie das Gesundheitswesen, den öffentlichen Sektor und die Versorgungswirtschaft.

GFT selbst wurde zuletzt auch als potenzieller Übernahmekandidat gehandelt. Die Unternehmensgründer Ulrich und Maria Dietz (insgesamt fast 36% der Anteile) sollen als „abgabewillig gelten, wenn der Preis stimmt“. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Das habe ich auch gelesen, aber nach meinem Wissen ist da nichts dran. Die Frage müssen Sie normalerweise den Großaktionären stellen, aber da werden Sie wahrscheinlich dieselbe Antwort bekommen. Was wir aber sehen: Private Equity ist in unserer Branche sehr aktiv. Zuletzt wurde etwa Datagroup aufgekauft. Auch wir bekommen in diesem Kontext lose Anfragen von Investmentbanken, die natürlich auch Geschäft machen wollen. Mittlerweile habe ich wahrscheinlich mit jedem Haus schon gesprochen. Aus meiner Sicht ist das derzeit aber kein Thema. Und auch die Gründerfamilie ist auf dem Kurs „Wir blieben börsennotiert“.

Abschließend zum gerade abgeschlossenen Aktienrückkauf. Was haben Sie mit den Aktien vor und ist schon ein neues Programm in Planung?

Die finale Entscheidung steht noch aus, das muss intern noch geklärt werden. Wir wollen unsere finanziellen Mittel primär zur Zahlung einer Dividende und zur Stärkung des Wachstums verwenden. Darüber hinaus können dann Aktienrückkäufe ein Thema werden. Es wird jetzt aber nicht sofort ein neues Programm geben. Zunächst wollen wir mal die Verschuldung wieder reduzieren. Unsere Nettoverschuldung dürfte zum Jahresende bei 0,8xEBITDA (ohne Leasing) liegen. Bis Ende 2026 wollen wir sie Richtung Null runterfahren.

Herr Ruetz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

Die Aktie (18,02 Euro; DE0005800601) von GFT hatten wir zuletzt vor 15 Monaten besprochen. Eine aktuelle Analyse des SDAX-Wertes liefern wir nach Vorlage der Q3-Zahlen (erscheinen voraussichtlich am 13.11.) nach.

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