Medizintechnik

Gerresheimer – Dritte Gewinnwarnung wirft Aktie auf Zweijahrestief zurück

Schon wieder eine Gewinnwarnung – das Vertrauen in die Prognose-Treue des Verpackungsspezialisten Gerresheimer ist endgültig erschüttert.

Klaus Brune,
Mobiltelefon mit dem Logo des deutschen Verpackungsunternehmens Gerresheimer AG auf dem Bildschirm vor einer Unternehmenswebsite mit Fokus auf die rechte Mitte des Telefondisplay
Mobiltelefon mit dem Logo des deutschen Verpackungsunternehmens Gerresheimer AG auf dem Bildschirm vor einer Unternehmenswebsite mit Fokus auf die rechte Mitte des Telefondisplay © AdobeStock

Es ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Am Montag (2.6.) senkte Gerresheimer zum dritten Mal in diesem Geschäftsjahr die Guidance. Infolgedessen fällt die MDAX-Aktie unter die wichtige Marke von 50,00 Euro und markiert den tiefsten Stand seit September 2022.

Zur Begründung für die Gewinnwarnung verweist Gerresheimer auf eine „anhaltend gedämpfte Nachfrage im Kosmetikmarkt sowie einen von der Gesellschaft als temporär eingeschätzten Nachfragerückgang im Bereich Containment-Lösungen für oral einzunehmende flüssige Medikamente“. Für das zweite Quartal, über das die Düsseldorfer am 10.7. berichten wollen, wird nun lediglich ein organisches Umsatzwachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich und eine bereinigte EBITDA-Marge von rund 19% erwartet. Vorstandschef Dietmar Siemssen revidiert daher die Prognose für das Geschäftsjahr 2024/25 (per 30.11.) auf ein organisches Umsatzwachstum von 1 bis 2% sowie eine bereinigte EBITDA-Marge von rund 20%.

Ziele erwiesen sich immer wieder als zu optimistisch

Kleine Rückblende: Schon zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres hatte Siemssen die ambitionierten Ziele bereits deutlich nach unten korrigieren müssen. Ursprünglich war man von einem Umsatzplus von 10–15% und einer operativen Marge über 22% ausgegangen – in der Hoffnung, die Erlöse aus GLP-1-Verpackungen würden zügig für Wachstum sorgen. Nachdem sich diese Annahmen nicht erfüllten, wurden die Vorgaben auf 7 bis 10% Umsatzwachstum und rund 22% EBITDA-Marge gesenkt. Im Februar erfolgte eine weitere Reduktion auf 3 bis 5% Umsatzwachstum bei unveränderter Margenvorgabe. Anfang April blieb diese Guidance trotz enttäuschender Q1-Zahlen bestehen.

Jetzt also der dritte Rückschlag: Statt eines Wachstums „im hohen einstelligen Prozentbereich“ soll zudem auch noch der Gewinn je Aktie (48,60 Euro; DE000A0LD6E6) im laufenden Geschäftsjahr „im niedrigen zweistelligen Prozentbereich“ sinken. Zugleich kürzt Gerresheimer die Dividende auf die Pflichtdividende von 0,04 Euro je Aktie, nachdem im Vorjahr noch 1,25 Euro je Papier ausgeschüttet wurden.

Günstige Bewertung freut nur Übernahme-Interessenten

Immer wieder hatte Siemssen in der Vergangenheit die großartigen Wachstumsaussichten durch moderne Verpackungs- und Drug-Delivery-Systeme, insbesondere für GLP-1-Medikamente, beschworen, die nach einer „kurzzeitigen“ Marktschwäche durchschlagen würden. Nach der dritten Gewinnwarnung ist das Vertrauen in die Prognose-Treue des Verpackungsspezialisten aufgebraucht.

Da hilft es auch nichts, dass die Bewertung der Aktie derzeit sehr niedrig ist: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei etwa dem 11-fachen der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Gewinne – ein Drittel unter dem langjährigen Durchschnitt. Das EV/EBITDA-Multiple von 5,6 und das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,3 sind jeweils rund 40% bzw. 45% günstiger als historisch üblich. Doch Analysten haben bislang jährliche Umsatzwachstumsraten von +12% und Gewinnsteigerungen von +7% auf dem Zettel. Nach dem jetzt prognostizierten „Null-Wachstum“ im Geschäftsjahr 2024/25 werden diese Erwartungen wohl infrage gestellt. Die EPS-Schätzungen für 2024/25, die bereits seit April um 20% reduziert wurden, dürften noch einmal deutlich nach unten korrigiert werden.

Gestützt wird die Aktie vorerst nur von einem Faktor: Der möglichen Übernahmefantasie durch ein Private-Equity-Unternehmen. Bereits im Frühjahr wurde bekannt, dass Gerresheimer mit potenziellen Käufern verhandelt. Unbestätigte Spekulationen über Interesse von Warburg Pincus und KPS Capital Partners ließen die Aktie in der Vorwoche kurzzeitig steigen. Mögliche Übernahmekandidaten können jetzt auf eine niedrigere Bewertung von Gerresheimer hoffen.

Verlässliche operative Stärke aus eigener Kraft ist dagegen nicht in Sicht. Wir raten dazu, Gerresheimer zu meiden.

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