Sentiment

Genfer Einigung erwischt vorsichtige Investoren auf falschem Fuß

Ein Blick auf die Kursentwicklung namhafter Indizes der vergangenen Wochen zeigt: Es geht vor allem aufwärts. Warum das wenig zu den Erwartungen vieler institutioneller Anleger passt, und welche Risiken der Markt dabei ignoriert.

Jorg Schirmacher,
Mann analysiert Aktienkurse auf Handy und Laptop
Mann analysiert Aktienkurse auf Handy und Laptop © AdobeStock

Die zuletzt äußerst pessimistischen Erwartungen institutioneller Investoren haben sich laut der viel beachteten Mai-Umfrage der Bank of America leicht aufgehellt. Das Stimmungsbild insgesamt bleibt jedoch düster. Während im April noch 50% der Befragten von einer harten wirtschaftlichen Landung binnen zwölf Monaten ausgingen, sind es nun nur noch 25%. Mit 61% ist ein „Soft Landing“ wieder die vorherrschende Konsenserwartung, und 6% rechnen sogar mit keiner wirtschaftlichen Abkühlung.

Das spiegelt sich auch in der Asset Allocation wider. Die Cashquoten sind moderat gesunken und liegen nun wieder unter dem langfristigen Durchschnitt. Die Allokation in US-Tech-Aktien hat sich zwar leicht erhöht, bleibt jedoch deutlich unterdurchschnittlich. Europäische Aktien wurden aufgestockt und US-Aktien weiter reduziert. Gegenüber dem Vormonat werden nun zyklische Aktien defensiven vorgezogen. Gold bleibt zum zweiten Mal in Folge das am stärksten nachgefragte Asset. Diesen Platz hatten zuvor 24 Monate in Folge die Aktien der „Mag 7“ inne.

In der aktuellen Umfrage blieb die Einigung im Handelsstreit zwischen den USA und China in Genf unberücksichtigt. Drei Viertel der Befragten hatten ihre Antworten bereits abgegeben, bevor die Gespräche in der Schweiz bekannt wurden. Umso überraschender dürfte für viele die spätere Ankündigung der USA gewesen sein, „nur“ Zölle in Höhe von 30% auf chinesische Importe zu erheben. Erwartet wurden 37%.

Ein Blick auf die aktuellen Aktienindizes zeigt, dass die Verluste seit dem „Liberation Day“ nahezu vollständig aufgeholt wurden. Das ist umso bemerkenswerter, als sich die wirtschaftlichen Folgen der Zölle erst verzögert in den Konjunkturdaten niederschlagen werden. Ein Zollsatz von 30% statt 145% (sollte es denn so kommen) ist im Fall Chinas immer noch hoch genug, um das Wachstum spürbar zu bremsen. Ob die aktuellen Höchststände vieler Aktien dieses Risiko angemessen einpreisen, bleibt zumindest fraglich.

Abonnieren Anmelden
Zum PLATOW Brief