Fondsbesteuerung – Es geht auf die Zielgerade
Die Investmentsteuerreform tritt am 1.1.18 in Kraft. Kapitalverwaltungsgesellschaften, Fondsmanager und Anleger, ebenso wie ihre Berater und die Finanzverwaltung, arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Umstellung auf das neue Recht. Kernpunkte der Reform und wie die Akteure den Umstellungsprozess meistern, erläutert Elmar Bindl, Steuerberater und Managing Associate im Münchener Büro der Sozietät Linklaters.
Kern der Reform ist die Abschaffung der jahrzehntelang geltenden semi-transparenten Besteuerung bei Publikumsfonds. Bisher galt der Leitgedanke, den Fonds vollständig steuerfrei zu stellen und die Erträge auf Anlegerebene unabhängig davon zu besteuern, ob der Fonds die Erträge ausschüttet oder nicht. Diese Idee wird fortan aufgegeben und durch ein intransparentes Besteuerungssystem ersetzt, bei dem inländische Einkünfte zunächst auf Fondsebene der Besteuerung unterliegen. Auf Anlegerebene werden sämtliche (also in- und ausländische) Erträge noch mal versteuert, allerdings erst bei Ausschüttung durch den Fonds oder bei Rückgabe der Fonds-anteile. Bei thesaurierenden Fonds müssen die Anleger während der Haltedauer lediglich die so genannte Vorabpauschale versteuern. Um die zweifache Besteuerung auf Fonds- und Anlegerebene abzumildern, werden den Anlegern pauschale Teilfreistellungen gewährt, sofern der Fonds bestimmte Anlagegrenzen für die Qualifikation als Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds erfüllt. Anders als Publikumsfonds haben Spezialfonds künftig unter bestimmten Voraussetzungen faktisch ein Wahlrecht zwischen dem bisherigen Besteuerungssystem und der neuen Besteuerung.
Reformbedarf durch europarechtliche Vorgaben
Die Investmentsteuerreform war aus mehreren Gründen notwendig geworden. Zum einen ist das aktuelle Investmentsteuerrecht komplex und fehleranfällig. Ausschlaggebend war aber vielmehr, dass das derzeitige System den europarechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird, weil gegenwärtig in- und ausländische Fonds unterschiedlich behandelt werden. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutschen Regelungen kippt.
Wie bei jeder großen Reform sind noch zahlreiche Anwendungsfragen offen. Erfreulicherweise hat die Finanzverwaltung zu besonders dringenden Themen bereits Stellung genommen. Aktuell liegt den Verbänden außerdem der zweite umfangreiche Entwurf des neuen Investmentsteuererlasses zur Konsultation vor, der sich mit den Publikumsfonds und den Übergangsvorschriften befasst. Dem Vernehmen nach soll ein dritter Entwurf folgen. Mit einem Schreiben zu den Spezialfonds ist aber wohl erst im Sommer 2018 zu rechnen.
Reform bringt auch Chancen zur Steueroptimierung
Für die Beteiligten ist der Umstellungsprozess zweifellos zeit- und kostenintensiv und verursacht einen entsprechenden Beratungsbedarf. Sobald diese Anfangshürden erst einmal überwunden sind, wird das neue System bei den Publikumsfonds aber voraussichtlich einfacher zu administrieren sein als das jetzige Recht. Auch die europarechtlichen Anforderungen scheinen erfüllt zu werden. Was das neue Recht sicherlich komplex machen wird, ist die Möglichkeit zur Fortgeltung der semitransparenten Besteuerung bei den Spezialfonds. Das Nebeneinander zweier grundverschiedener Besteuerungsregime eröffnet aber auch interessante Wahlrechte und Optimierungsmöglichkeiten, um die Investmentstruktur je nach Anlegerkreis, Asset Allokation und Anlagestrategie möglichst steuereffizient auszugestalten.
Fondsinitiatoren und Kapitalverwaltungsgesellschaften setzen sich derzeit mit der Frage auseinander, wie bestehende und künftige Produkte im Hinblick auf das geänderte Regelungsumfeld strukturiert werden sollten, um ihren Anlegern eine möglichst attraktive Nachsteuerrendite anbieten zu können. Dies betrifft z. B. die mögliche Nutzung des Teilfreistellungssystems bei Publikumsfonds. Interessante Gestaltungsmöglichkeiten bestehen auch bei Spezialfonds, insbesondere bei Immobilienfonds.
Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge prüfen viele Unternehmen, ob die bestehenden Investmentvehikel („Master-Spezialfonds“) steuerlich als intransparente Investmentfonds oder als semi-transparente Spezial-Investmentfonds ausgestaltet werden sollen und ob im letztgenannten Fall die Transparenzoption ausgeübt werden sollte oder nicht. Die verschiedenen Varianten haben bestimmte Vor- und Nachteile, die unter Berücksichtigung der Anlagestrategie, der Ausschüttungspolitik und weiterer Faktoren gegeneinander abgewogen werden müssen.
Steuerbefreite Investoren wie Versorgungswerke, Pensionskassen oder kirchliche Investoren müssen wegen der künftigen teilweisen Steuerpflicht von Fonds besonders darauf achten, dass innerhalb der Investmentstruktur keine steuerliche Definitivbelastung entsteht. Dies gilt vor allem bei mehrstufigen Strukturen (z. B. Masterfonds, Asset-Klassen-Fonds, Zielfonds), die in der Praxis häufig vorkommen. Hier ist es angezeigt, bestimmte Steuerbefreiungen optimal zu nutzen.
Bis Ende des Jahres sollten die Beteiligten prüfen, ob die Anlagebedingungen der Fonds an die neue Rechtslage angepasst werden müssen, ob bei Spezialfonds gegebenenfalls noch steuerfreie Ausschüttungen getätigt werden sollten, die ab 2018 steuerpflichtig werden, und ob etwa bestehende Verlustvorträge auf Fondsebene verwertet werden können, die mit Inkrafttreten des neuen Rechts ersatzlos wegfallen.
ARTIKEL DIESER AUSGABE
Digitale Steuererklärung stösst in der Praxis an ihre Grenzen
Auch vor der Finanzverwaltung macht die fortschreitende Digitalisierung nicht Halt. Nicht nur, dass Steuererklärungen elektronisch an die Finanzämter übermittelt werden, auch die Prüfung... mehr
Baker McKenzie begleitet Banken bei Verkauf des Sony Centers
Mit einem Darlehensvolumen von rd. 625 Mio. Euro finanziert ein Bankenkonsortium, bestehend aus pbb Deutsche Pfandbriefbank, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und ING Wholesale Banking,... mehr
NRW.Bank steigt mit Taylor Wessing bei Einrichtungskette Butlers ein
NRW.Bank Spezialfonds hat gemeinsam mit einem Privatinvestor 10 Mio. Euro in die jüngst aus dem Insolvenzverfahren entlassene Einrichtungskette Butlers investiert. Ein Team der Kanzlei... mehr
Verivox geht mit DLA Piper und Ebner Stolz auf Einkaufstour
Das zu ProSiebenSat.1 Media gehörende Verbraucherportal Verivox baut mit Zukäufen sein Portfolio an Preis- und Tarifvergleichen aus. Mit juristischer Unterstützung der Kanzlei DLA Piper... mehr
Deutsches Bahnnetz zieht Investoren an
Vor dem Hintergrund der EU-Liberalisierung der nationalen Märkte für regionalen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ist in den vergangenen Jahren der Markt in Deutschland zunehmend attraktiver... mehr
GSK Stockmann baut Münchener Compliance-Praxis aus
GSK Stockmann holt zum 1.12.17 einen Experten für Industrie-Compliance ins Münchener Team. Eric Mayer wechselt von Pohlmann & Company und steigt als Salary Partner ein. mehr
Flick Gocke Schaumburg eröffnet neuen Standort
Die auf Steuerrecht fokussierte Kanzlei Flick Gocke Schaumburg eröffnet zum Jahreswechsel in Düsseldorf ihr mittlerweile achtes Büro. mehr
Hengeler Mueller ernennt zum Jahreswechsel neue Partner und Counsel
Hengeler Mueller verstärkt mit Daniel Möritz (Düsseldorf, künftig München) und Sebastian Schneider (Berlin, beide Gesellschaftsrecht/M & A) ab Januar 2018 die Partnerschaft... mehr
Britische Kanzlei Mewburn Ellis zieht es nach Kontinentaleuropa
Die britische, auf gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Kanzlei Mewburn Ellis eröffnet in München ihr erstes Büro auf dem europäischen Festland. mehr
Machtwort des BGH zu gewerblichen Mietverträgen trifft Investoren
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine für die Immobilienbranche brisante Entscheidung getroffen (Az.: XII ZR 114/16). Die höchsten deutschen Zivilrichter halten so genannte Schriftformheilungsklauseln... mehr