Deutsches Bahnnetz zieht Investoren an

Vor dem Hintergrund der EU-Liberalisierung der nationalen Märkte für regionalen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ist in den vergangenen Jahren der Markt in Deutschland zunehmend attraktiver für in- und ausländische Akteure geworden. Gleichzeitig hat aber auch der Wettbewerbsdruck bei stärkerer Differenzierung der Transaktionsstrukturen deutlich zugenommen. Wolfgang Melzer, Partner der Kanzlei Allen & Overy, analysiert den durch Vergabeverfahren geprägten Markt für öffentlichen Schienenpersonennahverkehr sowie den Markt für Güterverkehr unter besonderer Berücksichtigung von Leasingfinanzierungen.

Waren die SPNV-Märkte in der EU über Jahrzehnte von monopolistisch agierenden Staatsbahnen geprägt, so haben sich unter dem Druck der EU-Liberalisierung, insbesondere durch EU-weite öffentliche Vergabeverfahren, die Märkte geöffnet und ziehen mittlerweile viele international agierende Akteure an. Das gilt sowohl für die Betreiber als auch für Leasinggesellschaften sowie Fremd- und Eigenkapitalgeber, aber auch für die Hersteller von Schienenfahrzeugen. Insbesondere der deutsche Markt hat auf Grund seiner Größe und der Vielzahl regionaler Vergabeverfahren eine hohe Attraktivität. Komplementär zum öffentlichen SPNV ist der Markt für Frachtverkehr (Cargo) zu sehen, der zunehmend auch für Eigenkapitalinvestoren von Interesse ist. Einer Erhebung der DVB Bank zufolge beläuft sich das Transaktionsvolumen für Schienenfahrzeuge auf rd. 1,2 Mrd. bis 1,5 Mrd. Euro jährlich. 

Typische Struktur von Leasingfinanzierungen
Zur Beschaffung von z. B. Triebzügen im SPNV beauftragt der Aufgabenträger im Rahmen des Verkehrsvertrages ein Eisenbahnverkehrsunternehmen mit der Erbringung von Verkehrsleistungen in einem bestimmten Streckennetz. In einer Leasingstruktur wird das Betreiberunternehmen die Schienenfahrzeuge nicht selber beschaffen, sondern diese von einer Einzweckgesellschaft als Leasinggeber langfristig anmieten. Das hieraus für den Leasinggeber resultierende Restwertrisiko nach Ablauf der Mietzeit wird entweder von diesem bei der Preisgestaltung berücksichtigt oder über so genannte Wiedereinsatz- bzw. Restwertgarantien durch den Aufgabenträger übernommen. Das unter dem Verkehrsvertrag vom Aufgabenträger an das Betreiberunternehmen zu entrichtende Entgelt speist letztlich alle Zahlungsflüsse in der Struktur, insbesondere die Leasingraten, die das Betreiberunternehmen als Leasingnehmer an den Leasinggeber entrichtet, und woraus dieser das Fremdkapital (Bankdarlehen, Schuldscheindarlehen oder auch Forderungskauf) sowie etwa in die Struktur eingebrachtes Eigenkapital zurückführt.

Da der Leasinggeber rechtlicher Eigentümer der Fahrzeuge ist bzw. diese in der Regel den finanzierenden Banken als Sicherheit übereignet, ist bei öffentlich geförderten Fahrzeugen (dies gilt insbesondere für Stadtbahnwagen) auf Vereinbarkeit mit dem Förderbescheid zu achten, der oftmals eine „Verfügung“ über die Fahrzeuge untersagt.

Neben der Verlagerung struktureller Risiken auf den Leasinggeber bietet die Leasingstruktur grundsätzlich die Möglichkeit der Bilanzierung beim Leasinggeber. Das Inkrafttreten der neuen IFRS-16-Bilanzierungsregeln zum 1.1.19 wird dies zumindest massiv erschweren; denkbare Gestaltungsmöglichkeiten sind etwa eine noch stärkere Risikoverlagerung hin zum Leasinggeber sowie eine Entwicklung weg von einem klassischem Güter-Gebrauchsüberlassungsvertrag hin zu einem Dienstleistungsvertrag, mit dem Beförderungskapazitäten angemietet werden.

Mögliche Absicherung durch die öffentliche Hand
Im Gegensatz zum Sektor Cargo- und Lokomotivenleasing, der auch von Fondsstrukturen unter Einbindung von Eigenkapitalinvestoren geprägt ist, werden regionale und lokale SPNV-Finanzierungen zumeist durch die öffentliche Hand in Form von Bürgschaften abgesichert. Hierdurch wird dieses Marktsegment für eine breite Palette von Banken interessant: Neben der KfW und deutschen Landesbanken sind dies auch ausländische Banken oder die Privatbank Berenberg. Die Bürgschaften erleichtern insbesondere die Fremdfinanzierung, da sich Darlehensgeber auf Grund der öffentlichen Bonität über Pfandbriefe günstig refinanzieren können. Außerdem ermöglicht dies die Einbindung institutioneller Investoren (z. B. DIF – Dutch Infrastructure Fund), bei denen Langfristigkeit und Sicherheit im Vordergrund stehen und die im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld nach Anlage-Verordnungs- und CRR-kompatiblen Investitionsmöglichkeiten suchen.

Diesen in die Nähe von Kommunalfinanzierungen zu rückenden Strukturen stehen solche gegenüber, die wegen der höheren Rendite (bei höherem Risiko) auch das Interesse von ausländischen Private-Equity-Investoren auf sich ziehen (z. B. KKR/ELL-European Lokomotive Leasing in Österreich). Typische Assetklassen für solche Fonds sind Transportlokomotiven sowie Güterwaggons.

Fazit
Auch auf Grund des Investitionsrückstaus und der vor allem bei kommunalen Verkehrsbetrieben notwendigen Flottenerneuerungen sowie eines unterentwickelten Sekundärmarktes besteht im deutschen SPNV-Markt ebenso wie im Frachtsektor auch weiterhin erhebliches Potenzial für Leasingfinanzierungen. Nicht zu unterschätzen ist allerdings der bei öffentlichen Ausschreibungen übliche lange Vorlauf.

 

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