Digitale Steuererklärung stößt in der Praxis an ihre Grenzen
Auch vor der Finanzverwaltung macht die fortschreitende Digitalisierung nicht Halt. Nicht nur, dass Steuererklärungen elektronisch an die Finanzämter übermittelt werden, auch die Prüfung und Bearbeitung der Erklärungen soll künftig vom „digitalen Finanzbeamten“ übernommen werden.
So arbeitet beispielsweise das Bayerische Landesamt für Steuern mit IT-basierten Risikomanagementsystemen, die Vizepräsident Christoph Habammer beim 24. Münchener Unternehmenssteuerforum vorstellte und die bis 2019 auch auf Körperschaften ausgeweitet werden sollen. In der Praxis funktioniert das so: Ein IT-System prüft, ob die vom Steuerpflichtigen im ELSTER-Portal erfassten Daten den vorgehaltenen Informationen entsprechen.
Trifft dies zu, wird der Sachverhalt bereits heute vollständig elektronisch bearbeitet. Nur bei Abweichungen findet noch eine Prüfung durch die Finanzbeamten statt. Auch im Zusammenhang mit der Außenprüfung gibt es bereits ein Scoring-System, das das Vorliegen bestimmter Risikoindikatoren, wie etwa Gesellschafterwechsel oder die Kooperationsbereitschaft des Steuerpflichtigen, prüft. Erkennt das IT-System solche Risikofaktoren, kennzeichnet es den Steuerpflichtigen als einen „Kandidaten für die Außenprüfung“. Der Fokus liege laut Habammer hier insbesondere auf den kleinen und mittleren Unternehmen.
Doch keine Reform ohne Kritiker. So hält Gregor Kirchhof, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, das derzeitige Steuerrecht schlicht für zu kompliziert für einen automatisierten Vollzug. Es sei, so Kirchhof, ein Fehler, dass die mit der Digitalisierung einhergehende Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens losgelöst von einer Vereinfachung des materiellen Steuerrechts betrieben werde. Zu bemängeln sei außerdem, dass die angestrebte Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens lediglich der Entlastung der Finanzämter, nicht jedoch der Steuerpflichtigen diene. „Die einseitige Entlastung ist nicht verfassungsgemäß“, so Kirchhof.
Letztlich führt die Digitalisierung zu einer faktischen Selbstveranlagung der Steuerpflichtigen. Diese erfassen ihre Daten im „Elster-Portal“ und tragen dadurch zum Aufbau einer umfassenden Datenbank bei, die den Finanzämtern auf Abruf zur Verfügung steht. Die Finanzverwaltung erhält so einen Informationsvorsprung gegenüber dem Steuerpflichtigen. Diesem Informationsungleichgewicht könne durch Ausgabe vorausgefüllter Steuererklärungen begegnet werden, so der Vorschlag Kirchhofs. Der Steuerpflichtige wäre einerseits in Kenntnis über den Wissensstand des Finanzamts, andererseits ginge damit eine Arbeitsentlastung des Steuerpflichtigen einher.
Ein Vorschlag, dem sich auch Peter F. Peschke, Steuerberater und Partner der Kanzlei P + P Pöllath + Partners, anschließen kann. „Steuerpflichtige sollten ebenfalls von den Vorteilen der fortschreitenden Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens profitieren. So könnten die umfassenden Datenbanken der Finanzämter zur Erkennung von Entlastungspotenzialen genutzt und Steuerpflichtige z. B. auf bisher ungenutzte Absetzungsmöglichkeiten hingewiesen werden.“
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