Diesel-Affäre – Karlsruhe gibt Unterlagen frei

Nach über einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht der Staatsanwaltschaft München II nun die Auswertung von Unterlagen und Daten erlaubt, die im März 2017 bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume der US-Kanzlei Jones Day in München sichergestellt wurden. Welche Auswirkungen diese Entscheidung nun auf die Praxis interner Untersuchungen in Unternehmen haben dürfte, haben sich Heiner Hugger und David Pasewaldt, Anwälte im Frankfurter Büro der Sozietät Clifford Chance, genauer angeschaut.

Die US-amerikanische Kanzlei Jones Day war im September 2015 von Volkswagen mit der Durchführung einer internen Untersuchung zu der so genannten „Diesel-Affäre“ beauftragt worden. Die Erkenntnisse aus dieser internen Untersuchung hatte der Automobilhersteller im Januar 2017 zwar in eine Verständigung mit US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden einfließen lassen und u. a. eine Geldstrafe von 2,8 Mrd. US-Dollar an das Department of Justice (DOJ) akzeptiert. Den parallel ermittelnden deutschen Strafverfolgungsbehörden wollte Volkswagen diese Erkenntnisse aber nicht mitteilen. Daraufhin durchsuchte die Staatsanwaltschaft München II die Geschäftsräume von Jones Day in München und stellte dort 185 Papierordner und elektronische Daten zu der internen Untersuchung sicher.

Ordentlicher Rechtsweg ausgeschöpft

Zunächst versuchten Volkswagen und Jones Day, eine Auswertung der sichergestellten Unterlagen und Daten durch verschiedene Rechtsbehelfe beim Amtsgericht München und Landgericht München zu verhindern, die jedoch alle scheiterten. Im Juli 2017 erzielten sie allerdings einen Etappensieg, als das Bundesverfassungsgericht die Staatsanwaltschaft per einstweiliger Anordnung anwies, die bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen und Daten vorerst nicht auszuwerten, sondern bis zu einer Entscheidung über zwischenzeitlich erhobene Verfassungsbeschwerden beim Amtsgericht München versiegelt zu hinterlegen. Diese anfangs auf sechs Monate befristete Anordnung hatte das Bundesverfassungsgericht erst Anfang Januar 2018 für weitere sechs Monate verlängert.

Keine Verletzung von Verfassungsrecht festgestellt

Am 6.7.18 hat das Bundesverfassungsgericht nun die Verfassungsbeschwerden von Volkswagen und Jones Day abgewiesen und damit die sichergestellten Unterlagen und Daten zur Auswertung freigegeben. Die Karlsruher Richter begründeten dies insbesondere damit, dass Volkswagen weder im Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch im Recht auf ein faires Verfahren verletzt sei. Dabei stellten die Richter darauf ab, dass das Ermittlungsverfahren, in dem die Durchsuchung und die Sicherstellung stattgefunden haben, nicht zu der Konzernmutter Volkswagen geführt wurde, die Jones Day mit der internen Untersuchung beauftragt hat, sondern zu einer ihrer Gruppengesellschaften. Ferner führten die Richter aus, Jones Day fehle die Beschwerdebefugnis, weil sie sich als US-Kanzlei anders als Kanzleien aus Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten nicht auf Grundrechte nach dem Grundgesetz berufen könne. Allerdings war dieser Aspekt nach unserem Verständnis letztlich nicht relevant für das Ergebnis der Entscheidungen.

Im Juni 2018 hatte das Landgericht Stuttgart der Staatsanwaltschaft Stuttgart in einer ähnlichen Konstellation ebenfalls die Auswertung von Unterlagen der US-Kanzlei Gibson Dunn zu einer internen Untersuchung zu Vorwürfen einer Manipulation von Dieselmotoren bei einem Stuttgarter Autobauer erlaubt.

Interne Untersuchungen bleiben möglich

Die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bedeuten aber nicht das Ende für interne Untersuchungen in Deutschland. Sie waren zur Aufklärung von Straftaten oder Compliance-Verstößen schon immer erforderlich und werden für eine angemessene Wahrnehmung und Verteidigung von Unternehmensinteressen weiter erforderlich bleiben, insbesondere in Strafverfahren. Letztlich war die nun von den Karlsruher Richtern vertretene Auffassung nicht unvorhersehbar. Es ist lediglich verwunderlich, dass eine Auswertung der sichergestellten Unterlagen und Daten zweimal per einstweiliger Anordnung für eine Dauer von jeweils sechs Monaten untersagt wurde und das Bundesverfassungsgericht über ein Jahr gebraucht hat, um zu entscheiden, dass sie nun doch ausgewertet werden dürfen.

Mit seinen Entscheidungen erklärt das Bundesverfassungsgericht ein weniger zurückhaltendes Vorgehen für verfassungskonform, das von manchen deutschen Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten nach den Vorschriften der Strafprozessordnung für zulässig erachtet wird. Zwar neigten andere deutsche Strafverfolgungsbehörden und Gerichte in der Praxis jedenfalls bisher zu mehr Zurückhaltung. Doch war mit Durchsuchungen und Sicherstellungen von Unterlagen zu internen Untersuchungen in Anwaltskanzleien in Deutschland auch schon bisher zu rechnen. Angesichts der aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Landgerichts Stuttgart sollte dieses Risiko nun aber niemand mehr übersehen. Unternehmen und Banken sowie ihre externen Rechtsberater sollten dies bei der Durchführung von internen Untersuchungen künftig sorgfältig berücksichtigen.

{{ name }} Chart
{{ name }} Aktie auf wallstreet:online

ARTIKEL DIESER AUSGABE

25. Juli 2018

Fondsmanagement unter neuem Datenschutzregime

Die seit 25.5.18 geltende EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt auch für die Verwaltung von Private Equity- und Venture Capital-Fonds. Fondsmanager müssen das neue Datenschutzrecht... mehr