Reform – Frankreich wird attraktiver für Investoren

Die neue französische Regierung hat die Weichen für die Erneuerung des Arbeitsmarktes gestellt. Ende Juli verabschiedete die Nationalversammlung das Gesetz, mit dem die Regierung zum Erlass von Verordnungen für die umfassende Reform des Arbeitsrechtes ermächtigt wird. Sie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein stärkeres Engagement internationaler Investoren. Denn das starre Arbeitsrecht hatte bislang abschreckende Wirkung auf die Arbeitgeber. Dabei ist Frankreich aus deutscher Sicht einer der attraktivsten Wirtschaftsstandorte. Sandra Hundsdörfer, Partnerin der Kanzlei GGV Avocats à la Cour Rechtsanwälte in Paris, kommentiert das Reformprojekt.

Um die Flexibilisierung des Arbeitsrechts umzusetzen, macht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Tempo – die ersten Verordnungen sollen bereits im September erlassen werden. Die Reform gilt als einer der Schlüssel zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung. Die Unternehmen sollen dazu gebracht werden, wieder mehr Menschen einzustellen. Denn trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung stagnieren die Arbeitslosenzahlen weiter bei über 9%. Die neue Regierung will Anreize setzen, um Einstellungen für Arbeitgeber wieder attraktiver zu machen. Zwei Bereiche sind dafür entscheidend: das Tarifsystem und der Kündigungsschutz.

Neuer Rahmen für Tarifverträge
In Frankreich gelten bislang für nahezu alle Unternehmen flächendeckende Branchentarifverträge, die u. a. die Höhe der Vergütung regeln. Sie sind neben dem Arbeitsgesetz zwingendes Recht für alle Betriebe der Branche, unabhängig von ihrer Größe und ob das Unternehmen einem der Arbeitgeberverbände angehört. Die Betriebe können zwar innerhalb der vom Tarifvertrag gesetzten Grenzen auch Betriebsvereinbarungen schließen. Das Verhandlungsmonopol liegt hier aber bei den Gewerkschaften. Sie sind an die Vorgaben des Tarifvertrags gebunden und können davon, mit Ausnahme der Arbeitszeit, nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abweichen.

Künftig sollen Unternehmen im Rahmen des französischen Tarifsystems mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Hierzu sollen Bereiche festgelegt werden, für die die Branche den Unternehmen Gestaltungshoheit einräumen kann. Wesentliche Fragen des täglichen Arbeitsrechts könnten dann auf Unternehmensebene geregelt werden. Weiter sollen die Branchen den bisher ausschließlich gesetzlich geregelten befristeten Arbeitsvertrag gestalten können. Auf diese Weise wird den brancheneigenen Anforderungen an flexiblere Beschäftigung Rechnung getragen.

Erleichterungen beim Kündigungsschutz
Französische Unternehmen sind bislang unabhängig von ihrer Größe an strenge Kündigungsschutzvorschriften gebunden. Auch eine begründete Entlassung führt zu einem Anspruch auf gesetzliche bzw. tarifvertragliche Abfindung. Ihre Höhe richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Stellt ein Gericht später fest, dass die Entlassung ohne triftigen Grund erfolgt ist, kann der Entlassene zudem Schadensersatz einfordern. Die Richter legen die Höhe nach freiem Ermessen fest, orientiert an einer Tabelle mit Entschädigungssätzen.

Im Unternehmensalltag sind die Folgekosten einer Entlassung somit nur schwer kalkulierbar. Dies gilt als eines der größten Hemmnisse für Einstellungen. Daher will die Regierung den Schadensersatz bei rechtswidriger Entlassung begrenzen und eine Schadensersatztabelle festlegen. Nur in Ausnahmefällen wie Diskriminierung und Mobbing sollen die Richter ihren Ermessensspielraum behalten. Zudem sollen die Fristen für Kündigungsschutzklagen verkürzt werden.

Besonders schwer sind betriebsbedingte Entlassungen bisher für Gruppenunternehmen. Zulässig ist eine Kündigung hier bislang überhaupt nur, wenn der Unternehmenssektor der Gruppe insgesamt in Schwierigkeiten ist. Eine regionale Tochter darf für sich allein keine betrieblichen Kündigungsgründe geltend machen, solange es anderen Unternehmenstöchtern desselben Sektors gut geht. Betriebsbedingte Kündigungen sind hier also rechtlich an hohe Anforderungen geknüpft. Dies gilt bislang auch für die Töchter ausländischer Konzerne und bildet ein erhebliches Investitionshindernis.

Das Reformpaket sieht nun vor, den geografischen Bereich zu ändern, in dem die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorliegen müssen, und ihn bei internationalen Gruppen auf Frank-reich zu beschränken. Diese Änderung wird wohl erhebliche Anreize auch für Investoren aus dem Ausland bieten. Sie könnten sich bei in die Krise geratenen französischen Unternehmen engagieren, ohne sofort auch ihre heimischen Unternehmenszweige in Mitleidenschaft zu ziehen. Gerade dieser Reformpunkt ist bei den Gewerkschaften aber umstritten.

Keine Reform ohne Widerstand
Die Arbeitsrechtsreform gilt als ebenso dringend wie heikel. Mehrere frühere Regierungen sind daran gescheitert. Um Zeit zu gewinnen, hat sich die neue Regierung dazu ermächtigen lassen, eine Weile mit Erlassen zu regieren. Der Entwurf des Gesetzes zur Ermächtigung der Regierung wurde im August von Parlament und Senat verabschiedet. Dabei hat die Regierung auch die Gewerkschaften ins Boot holen müssen, die zwar keinen formellen Handlungsspielraum haben, bei Änderungen des Arbeitsgesetzes aber gehört und an dem Prozess beteiligt werden müssen. Nach finaler Abstimmung sollen die Verordnungen Ende September erlassen werden. Wenn das gelingt, ist Frankreich arbeitsrechtlich ein anderes Land.

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