EuGH-Urteil – Entwarnung bei der Mitbestimmung in EU-Auslandsgesellschaften

Mitbestimmte deutsche Unternehmen sind nicht verpflichtet, Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland in die Wahlen für den Aufsichtsrat einzubeziehen. Eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wurde von der Unternehmenspraxis mit Erleichterung aufgenommen. „Die bisherige Besetzungspraxis mitbestimmter Aufsichtsräte verstößt nicht gegen europäisches Recht“, so Nicolas Ott, Rechtsanwalt bei Schilling, Zutt & Anschütz (SZA) in Mannheim.

Darüber hinaus haben aber auch Unternehmen, die (noch) nicht der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegen, die Entwicklung des Verfahrens vor dem EuGH genau beobachtet. „Dem Urteil kommt eine Signalwirkung bei der Ermittlung mitbestimmungsrechtlicher Schwellenwerte zu“, erläutert SZA-Rechtsanwalt Matthias Heusel. Da eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat nur besteht, wenn ein Unternehmen mehr als 500 bzw. 2 000 Arbeitnehmer beschäftigt, war vor deutschen Gerichten die Frage aufgekommen, ob hierbei auch Arbeitnehmer von EU-Auslandsgesellschaften mitzuzählen sind. Das hätte gravierende Folgen gehabt, da viele bis dato mitbestimmungsfreie Unternehmen in diesem Fall erstmals zur Etablierung eines mitbestimmten Aufsichtsrats verpflichtet gewesen wären. Der EuGH hat sich zu der Frage der Schwellenwertberücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer zwar nicht ausdrücklich geäußert (Urteil vom 18.07.17, Az. C-566/15). „Die Urteilsgründe sprechen aber dafür, dass das so genannte Territorialitätsprinzip auch insoweit Bestand haben dürfte“, so Heusel. Daher sind bei der Prüfung der Schwellenwerte – wie bislang – nur die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

Trotz dieser Entwarnung hat das EuGH-Verfahren viele Unternehmen gerade aus dem Bereich des Mittelstands erstmals veranlasst, sich mit der Frage der unternehmerischen Mitbestimmung näher zu befassen. Auf besonderes Interesse stößt hierbei die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Als supranationale Rechtsform unterliegt die SE nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Mitbestimmungsrechts; vielmehr ermöglicht das insoweit geltende Vorher-Nachher-Prinzip, den im Zeitpunkt der Umwandlung bestehenden mitbestimmungsrechtlichen Status quo dauerhaft zu konservieren. Wird eine mitbestimmungsfreie Gesellschaft in eine SE umgewandelt, bleibt sie auch dann mitbestimmungsfrei, wenn die Arbeitnehmeranzahl später über die Schwellenwerte von 500 oder 2 000 ansteigt. „Je frühzeitiger die Auseinandersetzung mit Fragen der Mitbestimmung erfolgt, desto größer sind die bestehenden Gestaltungsspielräume“, rät Anwalt Ott.

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